Antragsteller*in

Jusos Rheinland-Pfalz

Zur Weiterleitung an

SPD-RLP Landesparteitag

Antragstext

Der Landesparteitag möge beschließen:

Rheinland-Pfalz wird seit 1991 SPD-regiert und die SPD stellt seitdem den*die Ministerpräsident*in und auch den*die Minister*in für das Ressort Bildung.[1][2][3]

Das Schulsystem und dessen Finanzierung obliegt, aufgrund des föderalen Systems in Deutschland, überwiegend den einzelnen Bundesländern. Somit liegt die Verantwortung für das Bildungssystem und dessen Finanzierung seit zweiunddreißig Jahren in der Hand der Sozialdemokrat*innen, in unserer Hand.

Die Lernmittelfreiheit beschreibt die kostenlose Bereitstellung von Lernmitteln wie Schulbüchern durch den Schulträger.[4] Die Lernmittelfreiheit existiert in Deutschland in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen in verschiedenen Gestaltungsvarianten, sodass Schulbücher und sogenannte Arbeitshefte gestellt werden.[5] Eine vollumfängliche Lernmittelfreiheit, also eine kostenlose Bereitstellung aller in der Schule benötigten Utensilien (Schulbücher, Arbeitshefte, Hefte, Stifte, …) bis zur einschließlich neunten Klasse hat Finnland.

Die in diesem Antrag geforderte Lernmittelfreiheit bezieht sich auf alle Schulbücher, Arbeitshefte, Arbeitsblätter, Kopierkosten, Busfahrkarten, digitalen Anwendungen,digitalen Endgeräte, sowie Materialien für den Kunstunterricht, Lektüren oder ähnliches, welche von Schüler*innen erworben oder für die Schüler*innen anteilig Kosten tragen müssen. Neben den materiellen Lernmitteln sollen auch perspektivisch Kosten für Ausflüge und Klassenfahrten, inklusive der Verpflegung übernommen werden können. Sie umfasst alle Schüler*innen im Land Rheinland-Pfalz unabhängig von ihrer Schulform (z.B. Grundschule, weiterführende Schule, Berufsschule, Berufskollege, Abendschulen, Volkshochschulen) und ihrem Alter. Die Finanzierung soll aus Landesmitteln erfolgen.

In Rheinland-Pfalz gibt es zwei Modelle für eine Lernmittelfreiheit beziehungsweise eine Lernmittelvergünstigung, welche an die steuerpflichtigen Einkommen des Haushalts des*der Schüler*in gebunden ist.[6] Jene Modelle, die Schulbuchausleihe und der Lehrmittelgutschein, werden im Folgenden kurz vorgestellt. Vorweg ist zu sagen, dass beide Modelle durch die Inanspruchnehmer*innen bis zu einem Stichtag beantragt werden müssen und freiwillig sind.

An der Schulbuchausleihe können in Rheinland-Pfalz alle Schüler*innen teilnehmen. Die Teilnahme ist freiwillig und ferner gibt es für die Teilnahme keine Einkommensgrenze.[7] Die Schulbuchausleihe stellt ein Ausleihsystem dar, wobei Schüler*innen Schulbücher gegen eine Leihgebühr ausleihen können. Ausgeliehen werden können ein-, zwei- und dreijährige Schulbücher. Die Leihgebühr hängt von der Leihdauer ab. So beträgt die Leihgebühr für eine einjährige Ausleihe ein Drittel des Schulbuchpreises und für zwei- beziehungsweise dreijährige Ausleihen beträgt die Gebühr ein Sechstel des Buchpreises pro Leihjahr. Bücher, die länger als drei Jahre von den Schüler*innen benötigt werden, wie zum Beispiel Atlanten, müssen von den Schüler*innen beziehungsweise ihren Eltern selbst angeschafft werden.

Der Lernmittelgutschein kann in Rheinland-Pfalz für eine*n/von einem*er Schüler*in beantragt werden, wenn sie in einem Haushalt mit beiden unterhaltspflichtigen Eltern leben und deren gemeinsames steuerpflichtiges Einkommen 26.500€ nicht übersteigt.[8][9] Für jedes weitere Kind erhöht sich diese Einkommensgrenze um 3.750€. Durch ihn werden für die betroffenen Schüler*innen die Kosten für Schulbücher und ergänzende Druckschriften übernommen, beziehungsweise die Schulbücher und ergänzenden Druckschriften erhalten die Schüler*innen endgeldfrei durch die Schulbuchausleihe ihrer Schule.

Nach einer Erhebung des Vergleichsportal idealo kosteten Schulbücher für die gesamte Schulzeit in Deutschland zwischen 0€, im Fall der Lernmittelfreiheit, und 1502,78€.[10] Rheinland-Pfalz liegt dabei in der Rangliste für die Kosten auf Platz drei mit 632,85€. Teurer sind die Ausgaben für Schulbücher für Eltern nur noch im Berlin und im Saarland. Die Sprachlern-App und e-learning-Plattform preply geht noch weiter und gibt Rheinland-Pfalz als Bundesland mit den höchsten Ausgaben für Schulmaterialien für Eltern an.[11]

Wir als Juso Landesverband Rheinland-Pfalz stehen für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und wir wollen den Kapitalismus überwinden. Lasst uns für alle Schüler*innen und ihre Eltern in Rheinland-Pfalz die Freiheit schaffen, Geld in ihren Bildungserfolg investieren zu können und nicht in Lernmittel investieren zu müssen. Lasst uns die Gerechtigkeit schaffen, dass alle Schüler*innen in Rheinland-Pfalz den gleichen Zugang zu Lernmitteln haben und nicht der sozioökonomische Status ihrer Selbst oder ihrer Eltern darüber entscheidet. Lasst uns solidarisch mit ihnen sein, sodass wir der Chancengleichheit, aber vor allem der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem hier in Rheinland-Pfalz näherkommen. Und lasst uns den Kapitalismus der Schulbuchverläge überwinden und ihr Stellung beziehungsweise ihre damit verbundene Marktmacht gegenüber den Schüler*innen und ihren Eltern schwächen.

Daher fordern wir die vollständige und verpflichtende Lernmittelfreiheit[12] für alle Schüler*innen[13] in Rheinland-Pfalz bis zum Schuljahr 2027/28.

Begründung:

Schulbücher und andere Lernmittel stellen in Deutschland die größte finanzielle Belastung für Schüler*innen und Eltern im deutschen Bildungssystem dar. Im Gegensatz zu Klassenfahrten, Wandertagen oder anderen schulischen Bildungskosten, kommen diese Kosten jedes Jahr auf die Schüler*innen und Eltern zu und können durch die Schule kaum gemindert beziehungsweise beeinflusst werden. So können Schulen bei anderen Veranstaltungen beziehungsweise Bildungsangeboten durch schulinterne Vorgaben die Kosten für Schüler*innen und Eltern auf ein Minimum reduzieren beziehungsweise für ein kostenfreies Angebot sorgen, um die finanzielle Belastung zu mindern und allen Schüler*innen eine gleichwertige Partizipation am Bildungssystem zu ermöglichen.

Das aktuelle rheinland-pfälzische System des Lernmittelgutscheins und der Schulbuchausleihe mindert die Belastung für besonders belastete Schüler*innen und Eltern und bietet allen eine günstigere Alternative zum Neuerwerb der Schulbücher. Allerdings bezieht sich die Alternative nur auf die Schulbücher und nicht auf die sogenannten Arbeitshefte oder die von Schulen erhobenen Kopierkosten. Des Weiteren sorgt dies für ein Zweiklassensystem in der Schule zwischen den Schüler*innen, welche an der Schulbuchausleihe teilnehmen beziehungsweise eine Lernmittelgutschein erhalten[14], und den Schüler*innen, welche dies nicht tun und die Schulbücher neu erwerben. Diese Teilung der Schüler*innen ist eine Teilung der Schüler*innen auf Basis ihres finanziellen Hintergrundes beziehungsweise dem finanziellen Hintergrund ihrer Eltern. Zudem entstehen immer noch Kosten, gerade für finanziell schwächer Gestellte, sodass diese unnötig belastet werden.

In den aktuellen Zeiten sind die finanziellen Belastungen für die Schüler*innen beziehungsweise ihre Eltern schon im alltäglichen Leben aufgrund der hohen Inflation, der Energiekrise und den damit gestiegenen Lebenshaltungskosten deutlich gestiegen. Mit dem Ende des Schuljahres im Juli nähert sich auch die Verteilung der Schulbuchlisten für das neue Schuljahr und damit auch der Betrag X für alle Schüler*innen für die Lernmittel des kommenden Schuljahrs. Und vermutlich werden auch die Kosten für die Lernmittel gestiegen sein. So werden sich noch mehr Schüler*innen und Eltern die Frage stelle, wie sie diese Kosten wieder tragen sollen. Und vielleicht werden manche sogar die Entscheidung treffen, die Lernmaterialien nur teilweise oder gar nicht zu kaufen. Die Kosten für Lernmittel dürfen nicht zu einer weiteren Chancenungleichheit im Bildungssystem führen und eine Chancengerechtigkeit weiter in die Ferne rücken.

Durch eine Lernmittelfreiheit und einer Teilnahme an ihr durch alle Schüler*innen wird nicht nur eine finanzielle Belastung genommen, sondern eine Gleichheit geschaffen und ein Schritt in Richtung

Chancengleichheit, aber vor allem in Richtung Chancengerechtigkeit im rheinland-pfälzischen Schulsystem geschaffen.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ministerium_f%C3%BCr_Wissenschaft_und_Gesundheit_Rheinland-Pfalz [14.12.2022]

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinland-Pfalz#Schulen [14.12.2022]

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ministerium_f%C3%BCr_Bildung_Rheinland-Pfalz [14.12.2022]

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Lernmittelfreiheit [15.12.2022]

[5] https://www.spiegel.de/panorama/bildung/lernmittelfreiheit-wo-der-schulbuchkauf-auf-kosten-der-eltern-geht-initiative-nachrichtenaufklaerung-a-623dfc16-cfb8-4e06-9ea0-6fc982d96d4b [15.12.2022]

[6] https://lmf-online.rlp.de/fuer-eltern.html [15.12.2022]

[7] https://lmf-online.rlp.de/fuer-eltern/fragen-antworten/ausleihe-gegen-gebuehr-entgeltliche-ausleihe/antworten-entgeltliche-ausleihe.html#c40597 [15.12.2022]

[8] https://lmf-online.rlp.de/fuer-eltern/fragen-antworten/lernmittelfreiheit-unentgeltliche-ausleihe/antworten-lernmittelfreiheit.html#c40584 [15.12.2022]

[9] Für andere Konstellationen des Haushaltes des*der Schüler*in verändert sich die Einkommensgrenze, die angeführte Konstellation dient hier als Beispiel.

[10] https://www.idealo.de/info/de/schulkosten/ [14.12.2022]

[11] https://preply.com/de/blog/schulbucher-kaufen/ [14.12.2022]

[12] Nach der oben genannten Definition: alle Schulbücher, Arbeitsheft, Arbeitsblätter, Kopierkosten, Busfahrkarten, digitalen Anwendungen und digitalen Endgeräte

[13] Nach der obigen Angabe

[14] Schüler*innen mit Lehrmittelgutschein erhalten ihre Schulbücher über die Schulbuchausleihe