Antragsteller*in

Jusos Rheinland-Pfalz

Zur Weiterleitung an

SPD-RLP Landesparteitag

Antragstext

Der Landesparteitag möge beschließen:

Ende Mai legte ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums große Teile unserer Kommunen mit einem Schlag Schachmatt. Es wurde eine Null-Toleranz-Politik für unausgeglichene Haushalte ausgerufen. Bis zum 30.06.2023 mussten alle betroffenen Kommunen entweder ihre Steuern so stark erhöhen, dass sie ihre Haushalte ausgleichen konnten oder sie wurden in die vorläufige Haushaltsführung gezwungen. Erdrosselende Steuersätze und drastische Sparmaßnahmen sind nun die Folge. Freiwillige Leistungen wie Spielplätze, Schwimmbäder und Schulsozialarbeit müssen radikal gekürzt werden. Selbst dringendste Investitionen müssen aufgeschoben werden. Die finanzielle Situation in vielen Kommunen ist dramatisch und es braucht eine schnelle Lösung.

Diese Haltung ist nicht mit unserem sozialdemokratischen Verständnis vereinbar! Wir brauchen mehr Solidarität mit armen Kommunen und fordern die Landesregierung und den Innenminister auf, das Schreiben sofort zurückzunehmen und zu entschärfen!

Die Finanzierung unserer Kommunen ist schon lange ein heikles Thema. Das Land hält das Konnexitätsprinzip nicht ein, hat eine Altschuldenübernahme mit Verweis auf den Bund lange Zeit von sich gewiesen und wurde jüngst verfassungsrechtlich gezwungen, den ungerechten kommunalen Finanzausgleich neu aufzustellen. Das Ergebnis: Rheinland-Pfälzische Kommunen gehören bundesweit zu den Ärmsten. Daraus resultiert ein massiver Investitionsstau. Spielplätze werden nicht mehr gewartet, Schulsozialarbeit gestrichen und Schwimmbäder geschlossen. Junge Menschen leiden am stärksten unter den Sparmaßnahmen. Mit dem Schreiben aus dem Innenministerium, werden viele Kommunen handlungsunfähig gemacht. Ein Jahr vor der Kommunalwahl wurde den Kommunen jede Handlungsmöglichkeit genommen. Junge Menschen werden in Zukunft vor unlösbare Aufgaben gestellt.

Wir verurteilen diese Vorgehensweise aufs Schärfste! Rheinland-Pfälzische Kommunen brauchen und verdienen den Rückenwind der Landesregierung!

Um langfristig sicherzustellen, dass Kommunen wieder in gerechte Lebensverhältnisse investieren können, müssen sie finanziell endlich besser ausgestattet werden. Gerade in unseren vom Strukturwandel gebeutelten Kreisen und Städten, hat sich ein großer Schuldenberg angehäuft. Sowohl bei den meistverschuldeten Städten als auch den meistverschuldeten Kreisen, belegen wir mit Pirmasens und Kusel Platz 1 im bundesweiten Vergleich. Dabei sind die beiden Gebietskörperschaften keine Einzelfälle – rheinland-pfälzische Kommunen werden von einer Altschuldenlast erdrückt. Für diesen tragen sie selbst keine Schuld. Es ist die Folge weggebrochener Arbeitgeber*innen bei gleichzeitig steigenden Ausgaben im Sozialbereich, welche die Kommunen unverhältnismäßig hoch belasteten. Dass das Land Rheinland-Pfalz endlich bereit ist, Teile der Altschulden zu übernehmen, begrüßen wir ausdrücklich. Dabei ist aber festzustellen, dass gerade unsere besonders prekär betroffenen Städte prozentual nicht so profitieren, wie sie es müssten. Darüber hinaus ist die Altschuldenübernahme an einen ausgeglichenen Haushalt gebunden – das ist weder fair noch politisch vertretbar.

Wir fordern eine Altschuldenübernahme, auch bei nicht ausgeglichenen Haushalten! Wir fordern eine Steigerung der prozentualem Altschuldenübernahme für die besonders hoch verschuldeten Städte und Kreise!

Erst Im vergangenen Jahr hat der Landtag ein neues Gesetz zum Kommunalen Finanzausgleich verabschiedet. In Kombination mit dem Gesetz zum Schuldenschnitt führt insbesondere die strikte Vorgabe, dass alle Haushalte auszugleichen sind, zu großen Ungerechtigkeiten in vielen kleinen Gemeinden. Denn diese Gemeinden haben so wenige Einnahmen, dass nur drastische Steuererhöhung zu einem Haushaltsausgleich führen können. Beispielsweise müsste die Ortsgemeinde Sitters im Nordpfälzer Land den Hebesatz der Grundsteuer B für ein Standardhaus von 465% Punkten auf 4039% anheben, um den Haushalt ausgleichen zu können. Dies bedeutet Mehrkosten von mehr als 2700 € pro Jahr! Das Innenministerium besteht zudem darauf, dass die Kommunalaufsichten strenge Maßstäbe bei der Genehmigung der Haushalte anzulegen haben. Dies führt entweder zu „erdrosselnden“ Steuersätzen oder zu nicht genehmigten Haushalten. Eine Evaluierung des Gesetzes ist frühstens in 2026 angedacht, eine Änderung des Gesetzes wäre somit vermutlich erst zum Haushaltsjahr 2028 möglich.

Angesichts der drastischen Auswirkungen des Gesetzes, die bereits heute spürbar sind, fordern wir eine frühere Evaluierung bereits im kommenden Jahr 2024!

Erschwerend kommt hinzu, dass die Anwendung des Gesetzes mit der Frist zum 30.06. erfolgt sein sollte. Dieser Termin war die letzte Möglichkeit die Hebesätze zu erhöhen. Dies war und ist viel zu hart und zu schnell. Die Ortsgemeinden und die Verbandsgemeinden benötigen mehr Zeit, um ihre Haushalte anzupassen und ihre Bürgerinnen und Bürger zu informieren und zu beteiligen.

Aus diesem Grund fordern wir die Rücknahme der Regelung und eine sozial gerechte und wirtschaftlich sinnvolle Neuregelung.

Wir möchten nochmals betonen, dass viele Kommunen nicht eigenverschuldet defizitär wirtschaften, sondern strukturell unterfinanziert sind. Der Ausbau einer KITA führt beispielsweise vielen Gemeinden zu hohen Kosten, die nicht vom Land gegenfinanziert werden. Folglich muss die Kommunen die Kosten tragen. Durch die strikte Vorgabe zum Haushaltsausgleich müssen auch in diesen Gemeinden die Steuern deutlich erhöht werden, um beispielsweise den Bau einer KITA-Küche zu finanzieren.

Die prekäre Finanzausstattung der Kommunen hat zudem zur Folge, dass drastisch an den freiwilligen Leistungen gespart werden muss. Dies hat jedoch wiederum viele negative Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben. Wenn Spielplätze, Schulsozialarbeit und Schwimmbäder nicht mehr bezahlt werden können, hat dies starke Konsequenzen auf unser alltägliches Zusammenleben und unsere kommunalpolitische Demokratie. Schließlich wird Politik am ehesten in den Kommunen erfahrbar. Um es plakativ zu sagen: In einigen Kommunen fehlt sogar das Geld, um einen Rasenmäher anzuschaffen. Angesichts der schlechten finanziellen Situation erreicht das große Ehrenamtliche Engagement in den Dörfern und Gemeinden seine Grenze. Warum soll man sich in seiner Gemeinde noch engagieren, wenn der Rat nichts entscheiden, sondern nur noch Sparmaßnahmen verwalten kann?

Aus diesem Grund fordern wir die Einrichtung eines Härtefallfonds für besonders finanzschwache Kommunen, um ein Mindestmaß an Leistungen aufrecht erhalten zu können.

Die schlechte Finanzausstattung von Gemeinden und Städten führt auch zur einer strukturellen Unterfinanzierung darüber liegender Gebietskörperschaften. Um ihre eigenen Haushalte ausgleichen zu können, sind Kreise und Verbandsgemeinden genötigt, ihre Umlagen zu erhöhen. Dies führt wiederum zu einer Reduzierung der Einnahmen in den darunterliegenden Gebietskörperschaften. Insbesondere in strukturschwachen Regionen führt dies zu einem Teufelskreis, da die Umlagen immer weiter erhöht und die Einnahmesituation der Städte und Gemeinden immer weiter reduziert werden.

Wir fordern daher, dass die Umlagen seitens der Kreise und Verbandsgemeinden vom Land gedeckelt werden sollten und in Summe 70% nicht übersteigen dürfen.

Darüber hinaus führt die Pflicht zum Haushaltsausgleich gerade bei vielen kleineren Kommunen dazu, dass auch die Gewerbesteuern drastisch erhöht werden müssen. Die gleichzeitige Senkung von Gewerbesteuern in reicheren Regionen5 führt jedoch dazu, dass viele Gewerbetreibende somit von den ärmeren in die reicheren Regionen ziehen, weil dort die Steuern günstiger sind. Somit blutet der ländliche Raum weiter aus und die Einnahmen sinken noch weiter.

Hinzu kommt, dass der Kommunale Finanzausgleich für große Gebietskörperschaften mit wenigen Einwohnern strukturell ungerecht ist. Die Bedarfsorientierung des neuen kommunalen Finanzausgleichs bezieht sich auf die Einwohnerzahl je Gemeinde/Verbandsgemeinde/Kreis. Dies berücksichtigt jedoch nicht die besondere Struktur dieser Kommunen. Beispielsweise ist die Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land die größte in der Pfalz. Aufgrund der ländlichen Struktur müssen dort 40 Feuerwehrgerätehäuser unterhalten und rund 600 Feuerwehrleute ausgestattet werden. Der Kommunale Finanzausgleich berücksichtigt jedoch nur die reine Bevölkerungszahl. Auch die Belastungen der Einwohner bei Wasserversorgung und Abwasserentsorgung liegt ebenfalls im oberen Bereich im Landesvergleich. Dies ist auch der geringen Einwohnerzahl je Fläche geschuldet.

Wir fordern daher die Einführung eines Flächenindikators, der insbesondere räumlich große Kommunen mit wenigen Einwohnern berücksichtigt.

Durch die rigiden Haushaltsmaßnahme können viele arme Kommunen nicht mehr an Fördermaßnahmen teilnehmen, da sie den Eigenbetrag nicht stemmen können. Es ist daher unverständlich, dass reiche Kommunen wie Mainz weiterhin hohe Förderungen seitens des Landes in Höhe von beispielsweise 48 Millionen Euro für die Sanierung des Rathauses erhalten. Wir fordern daher, dass Landesförderungen stärker an die Finanzkraft der Kommunen gekoppelt werden sollten. Starke Schultern müssen aus unserer Sicht stärkere Lasten tragen.

Die Förderkonditionen für Förderprogramme des Landes sollen dahingehend geändert werden, dass eine Förderung für finanzschwache Kommunen auch mit einer geringeren Eigenbeteiligung möglich ist.

Abschließend möchten wir feststellen, dass der neue Kommunale Finanzausgleich drastische Auswirkungen auf das Leben in unseren Dörfern und Gemeinden hat. Aus unserer Sicht bedarf es einer zeitnahen Überprüfung des Gesetzes. Wir möchten nochmals hervorheben, dass viele Kommunen in unserer Region nicht eigenverschuldet defizitär wirtschaften, sondern strukturell unterfinanziert sind und ein Haushaltsausgleich mit großen negativen Auswirkungen auf die Dorfgemeinschaften verbunden ist.

Die katastrophale finanzielle Situation in vielen Kommunen führt bei vielen Menschen vor Ort zu Frustration und Resignation. Wenn die Bürgerinnen und Bürger aber das Gefühl haben, dass sie nicht mehr mitbestimmen und mitentscheiden können, ist das eine echte Gefahr für unsere Demokratie. Der jetzige Kommunale Finanzausgleich ist ungerecht und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist nicht mehr gegeben.

Begründung:

Erfolgt mündlich.