Antragsteller*in

Jusos Rheinland-Pfalz

Zur Weiterleitung an

SPD-RLP Landesparteitag

Antragstext

Der Landesparteitag möge beschließen:

Im Mai war es überall zu lesen: „Wieder Razzia bei der Letzten Generation!“ oder „Bundesweite Razzia bei Klima-Klebern!“.

Die Aktivist*innen der Letzten Generation sind dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ausgesetzt. Im Auftrag des bayrischen Landeskriminalamts und der Generalstaatsanwaltschaft München wurden bundesweit Wohnungen von Aktivist*innen durchsucht und die offizielle Homepage der Gruppe wurde auf Anweisung der Staatsanwaltschaft abgeschaltet, um „die Finanzierung von Straftaten zu stoppen“. Stattdessen wurde auf eine Website der Polizei Bayern weitergeleitet, auf der ein Hinweis zur Beschlagnahmung eingeblendet wurde. Darauf der Satz: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!“.

Unschuldsvermutung? Fehlanzeige. Auf Nachfrage des NDR räumte die Generalstaatsanwaltschaft München ein, dass diese Formulierung unzutreffend sei, da lediglich ein Anfangsverdacht gegen die Gruppe bestehe. Die Formulierung auf der beschlagnahmten Website wurde inzwischen wieder geändert.

Auch die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin glaubt schon länger, dass die Aktivist*innen der Letzten Generation (nachfolgend „LG“) eine kriminelle Vereinigung sind und ließ bereits im Dezember 2022 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe durchsuchen. Und auch Berlins Justizsenatorin stimmte, noch vor den Razzien gegen LG in Bayern, in den Chor derjenigen mit ein, die eine härtere Verfolgung der Aktivist*innen fordern.

Die Anwendung der im 8. Abschnitt der Strafprozessordnung genannten Ermittlungsmaßnahmen, welche durch den §129 StGB (häufig auch „Schnüffelparagraph“ genannt) ermöglicht werden, sind dabei ein hartes Kaliber und ermöglichen den Ermittlungsbehörden weitreichende Befugnisse zur staatlichen Überwachung. Insbesondere die Hausdurchsuchung und Telekommunikationsüberwachung scheinen ein unverhältnismäßiges Mittel in Anbetracht der Taten der LG zu sein. Die Aktivist*innen versuchen mit ihren Aktionen, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung keine ausreichenden Maßnahmen ergreift, um die sich selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen und um das Klimaschutzgesetz einhalten zu können.

Die eigenen Fehler vorgeführt zu bekommen, mag schmerzhaft sein und die Lobby des fossilen Kapitals ist mächtig, so wundert es nicht, dass Ministerien und Behörden mit Repression antworten, um von der eigenen Ideenlosigkeit und/oder dem Unwillen endlich konsequenten und effektiven Klimaschutz zu betreiben, abzulenken.

Ob die Repression wirkt? Die Welle der Solidarität mit den Aktivist*innen jedenfalls ist groß, und innerhalb weniger Tage erhielten die Aktivist*innen mehrere hunderttausend Euro an Spendengeldern. Dazu kritisierte sowohl die UN als auch Amnesty International den harten Kurs der deutschen Behörden.

Ob die Gruppe nun eine kriminelle Vereinigung darstellt, bleibt von den Gerichten festzustellen. Doch klar ist: Auch wenn die Protestformen manchen von uns nervig, unangebracht oder rechtlich fragwürdig erscheinen, so bleiben die Aktivist*innen selbst dann Menschen gegenüber friedlich, wenn Passant*innen diese beschimpfen, bespucken oder sogar handgreiflich werden. Auch ihre Forderungen (9€-Ticket, Tempolimit) sind nicht radikal oder gar verfassungsfeindlich. Und ihr Anliegen, der Schutz des Klimas und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels steht ebenfalls nicht im Gegensatz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Das Konzert von Medien und Politik, die sich seit Monaten in immer schärferen Tönen an den Aktivist*innen abarbeiten gipfelt aber nicht nur in staatlicher Repression, sondern führt auch immer häufiger zu Gewalt gegen die friedlichen (!) Aktivist*innen selbst. Mediale Debatten darüber, ob Gewalt gegen Aktivist*innen nun eigentlich Notwehr gegen Nötigung sei, die unangemessene, unverschämte Bezeichnung der Gruppierung als „Klima-RAF“, die zahlreichen, hämischen Online-Kommentare nach dem Prinzip „Einfach drüberfahren“ – all das normalisiert nicht nur Hass und Gewalt, sondern schafft dem Soziologen Simon Teune vom Institut für Protest- & Bewegungsforschung nach auch eine moralische Grundlage für Übergriffe gegen Aktivist*innen. Gewalt als Antwort auf politische Konflikte würden so enttabuisiert, so der Wissenschaftler. Auch er beobachtet eine zunehmende Gewalt gegenüber der LG. Die Aktivist*innen werden über die Straße geschleift, es wird an ihren festgeklebten Händen gezerrt, manche Autofahrenden schieben die Aktivist*innen im Schritttempo mit der Motorhaube vor sich her. Nach unserer Ansicht wird hier verkannt, dass es sich bei dem Aktivismus der LG um eine neue Form des politischen Engagements und der politischen Meinungsäußerung handelt. Durch die Ignoranz und das Unverständnis der breiten Bevölkerung, besonders geschürt durch die Medien und missverstanden von der Politik, verhärten sich dabei die Fronten und führen zu einem problembehafteten Diskurs über die Klimakrise.

Auf Staatliche Repression und Gewalt gegen friedliche Aktivist*innen kann es von uns nur eine Antwort geben: Solidarität.

Auch wir sind uns der Dringlichkeit der Klimakrise bewusst, auch wir fordern die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und auch, wenn nicht alle von uns die Protestformen der Aktivist*innen befürworten, so sind wir im Anliegen vereint.

Daher fordern wir: Offene Solidarität von Jusos & SPD mit den Aktivist*innen der Letzten Generation! Wir müssen das fossile Kapital bekämpfen, nicht friedliche Aktivist*innen! Wir müssen uns lautstark gegen die Kriminalisierung der Klima- und Umweltbewegung stark machen, denn das Problem sind nicht die, die auf die Missstände aufmerksam machen – sondern die, die trotz besseren Wissens weiterhin für fossilen Profit das Klima verschmutzen und die Regierungen, bei denen es an ernsthaften Bemühungen für den Klimaschutz mangelt. [Definition: friedlich verstehen wir im Sinne von friedlich gegenüber Mitmenschen]

Begründung:

Erfolgt mündlich.