Antragsteller*in
Jusos Rheinland-Pfalz
Zur Weiterleitung an
SPD-RLP Landesparteitag
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Höhere Vergütung:
Wir fordern eine höhere Vergütung von Auszubildenden, welche Netto im 1. Lehrjahr mindestens die Höhe des aktuellen BAföG-Höchstsatzes beträgt und bei Besserstellung der Auszubildenden auf mindestens die branchenabhängige tarifliche Ausbildungsvergütung von 80% steigt. Die Steigerung der Ausbildungsvergütung mit Erreichen eines höheren Lehrjahres soll weiter bestehen bleiben und um mindestens 10% pro Lehrjahr steigen.
Anhebung der (Mindest-)Ausbildungsvergütung:
In vielen Reden zum Thema Ausbildung wird die Floskel „Ausbildungen sollten dem Studium gleichgestellt werden“ verwendet. Wir fordern, dass dem endlich Taten folgen. Es kann nicht sein, dass Auszubildende für teilweise weniger als Bürger*innengeld lernen und arbeiten, wenn sie oft über 40 Stunden in der Woche im Betrieb sind und neben dem Erlernen ihres Berufs als eine wichtige unterstützende Arbeitskraft für ihre Kolleg*innen fungieren. Diese Arbeitsleistung muss gewürdigt werden! Für Student*innen liegt der BAföG-Höchstsatz aktuell bei monatlich 934€, die Mindestausbildungsvergütung liegt jedoch bei nur 620€ pro Monat. Es ist unserer Meinung nach nicht zu erklären, dass Auszubildende, die neben ihrer Lehre auch Leistungen in Betrieben erbringen, am Ende des Monats finanziell schlechter gestellt sind als Studierende.
Daher fordern wir:
Eine Ausbildungsvergütung, die…
- Im 1. Lehrjahr mindestens die Höhe des aktuellen BAföG-Höchstsatzes beträgt
- Bei Besserstellung des Azubis auf mindestens die branchenabhängige tarifliche Ausbildungsvergütung von 80% steigt
- Sich mit Erreichen jedes höheren Lehrjahres um mindestens 10% erhöht.
Kontrolle/Beschwerde Anlaufstelle:
Wir wollen eine unabhängige Beschwerde-/Kontroll-Anlaufstelle auf den Weg bringen, da viele der schon bestehenden Rechte der Auszubildenden heute nicht eingehalten werden. Dies betrifft zum Beispiel nicht erfasste Überstunden, Aufgaben abseits der Ausbildungsinhalte.
So hat die Beschwerde-Anlaufstelle die primäre Aufgabe, an jede*n Auszubildende*n heranzutreten und ein verpflichtendes Einzelgespräch mit den Auszubildenden zu führen. In diesem Gespräch, das alle sechs Monate stattfinden, ist eine Checkliste auszufüllen, welche Aufschluss über die Qualität/Zufriedenheit der Ausbildung und mit dem Betrieb gibt. Außerdem soll das Berichtsheft in geringen Abständen von dieser unabhängigen Stelle kontrolliert werden, um Missstände schneller erkennen zu können. Diese Beschwerde-Anlaufstelle soll den zuständigen Kammern untergeordnet sein und BBSen/anderen Schulen angesiedelt sein.
Die Kontrolle und Beschwerde-Anlaufstelle hat die primäre Aufgabe, den in den Beschwerden festgestellten Missständen nachzugehen. Dazu zählt z.B. das unangekündigte Recht, Betriebe unangekündigt zu besuchen, um sich selbst ein Bild von der Qualität der Ausbildung zu machen und z.B. mit der Ausbildungsleitung zu reden.
Neben dieser Anlaufstelle soll ein verpflichtender Lehrgang zu Beginn der Ausbildung eingeführt werden, indem die neuen Auszubildenden über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden, damit sie jene Missstände innerhalb ihrer Ausbildung schneller erkennen und sie bei den entsprechenden Stellen melden können. Die Rechte und Pflichten von Auszubildenden sollen weiterhin Bestandteil des Sozialkundeunterrichts sein und prüfungsrelevant bleiben.
Ausbildung und nicht Ausbeutung! Firmen kontrollieren sich und ihre Ausbildungsqualität praktisch selbst. Berichtsheftseiten werden nur unterschrieben, wenn Aufgaben wie “Hof kehren”, “für den Chef einkaufen” etc. nicht drinstehen. Diese systematische Ausnutzung von Auszubildenden kann nicht sein und wir dürfen nicht einfach wegschauen! Auszubildende müssen mehr über ihre Rechte wissen und sich bei einer unabhängigen Anlaufstelle beschweren können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Daher fordern wir:
Eine unabhängige Beschwerde-/Kontroll-Anlaufstelle, die…
- verpflichtende Einzelgespräche mit den Auszubildenden führt, die alle sechs Monate stattfinden sollen
- regelmäßig Besuche in Ausbildungsbetrieben durchführt und das Berichtsheft kontrolliert
- dauerhafte in der Berufsschule/anderen Schulen als Ansprechpartnerin vertreten ist
Unbefristete Übernahme ohne Probezeit:
Auszubildende sind nach bestandener Abschlussprüfung grundsätzlich im erlernten Beruf unbefristet, in Vollzeit und ohne erneute Probezeit zu übernehmen.
Ausnahmen gelten nur, wenn die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung erkennbar ist.
Dies könnte folgende Gründe haben:
– Personen- oder verhaltensbedingte Gründe
– Dringende betriebliche Gründe (fehlende freie Arbeitsplätze)
– Auftragslage
Falls der*die Arbeitgeber*in den*die Auszubildende*n nach Beendigung der Abschlussprüfung nicht weiter beschäftigen kann, muss er*sie sich mit dem Betriebsrat und bei Bestehen mit der JAV zusammensetzen, um Lösungen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.
Sollte es aufgrund der Betriebsgröße keinen Betriebsrat geben, so werden diese Aufgaben durch Vertreter*innen der jeweiligen Kammer, wie zum Beispiel den Ausbildungsberater*innen, übernommen. Zudem fordern wir, dass nach dem Abschluss der Berufsausbildung eine Übernahmeverpflichtung von sechs Monaten besteht. Das hat den Vorteil, dass der*die ehemalige Auszubildende bei Nichtübernahme ausreichend Zeit hat, sich auf andere Stellen zu bewerben und Berufserfahrung sammeln kann. Dieser Übernahmezeitraum kann auf Wunsch des*der (ehemaligen) Auszubildenden verkürzt werden.
Auszubildende werden immer öfter im Unklaren über ihre Chancen auf Übernahme und Weiterbeschäftigung im Unternehmen gelassen, wodurch sie in der entscheidenden Prüfungsphase einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt sind. Auszubildende lernen nicht nur für die Prüfung, sondern müssen sich gleichzeitig auch noch auf eine neue Stelle bewerben, um nicht arbeitslos zu werden. Diesen Zustand können wir nicht befürworten, sondern müssen dagegenhalten, damit Auszubildende nicht mehr dieser Doppelbelastung ausgesetzt sind.
Daher fordern wir:
- Prinzipiell eine Pflicht zur unbefristeten Übernahme (außer es gibt gute Gründe die dem entgegenstehen, Bsp. zu geringe Auftragslage).
- Keine erneute Probezeit nach der Ausbildung sofern man vom Ausbildungsbetrieb übernommen wird, verkürzte Probezeiten während der Ausbildung in Berufen, in denen ein Betriebswechsel üblich ist (Bspw. Landwirt*in, Winzer*in).
- Eine klare Regelung der Übernahme. Betriebe sollen verpflichtet werden, mindestens ein halbes Jahr vor der Abschlussprüfung zu erklären, ob sie den*die Auszubildende*n übernehmen können und wollen. Weiterhin sollte es, um die stressige Zeit der Prüfungsphase nicht auch noch mit einem drohenden Betriebswechsel zu belasten, eine halbjährige Übernahmeverpflichtung geben. Damit nach der bestandenen Prüfung Zeit für Bewerbungen in andere Betriebe ist.
Zukunftsfonds Ausbildung
Wir fordern in Rheinland-Pfalz einen Ausbildungsumlagefonds (Zukunftsfonds), der branchenspezifisch aufgebaut ist. Dadurch sollen mehr betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Ebenso soll der Zukunftsfonds Ausbildung in Rheinland-Pfalz ansässige Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten dabei unterstützen, Auszubildende zu finden und die Ausbildungsqualität im Allgemeinen zu verbessern.
Zudem sollen Beratungsangebote ausgebaut und verbessert werden, damit weitgehender und bedarfsgerechte Unterstützung gewährleistet ist.
Durch den Zukunftsfonds Ausbildung sollen folgende Ziele erreicht werden:
● Schaffung von mehr betrieblichen Ausbildungsplätzen
● Passgenauere Beratung, damit Ausbildungssuchende und Ausbildungsplatzanbieter besser zusammenpassen und zusammenfinden
● Erhöhung der Ausbildungsqualität
● Durchfallquoten bei der Zwischen/Abschlussprüfung senken
● Bessere Integration von Menschen mit besonderen Herausforderungen in die Ausbildungswelt
● Schaffung eines solidarischen Ausgleichs zwischen Ausbildungsplatzanbieter*innen und Unternehmen, die keine Ausbildung anbieten
● Bekämpfung des Fachkräftemangels
Damit diese Ziele erreichbar sind, möchten wir mit dem Zukunftsfonds Ausbildung unterstützen:
● Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind und die Ausbildungsbetriebe sind
● Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind und ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können
● Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind und für die Ausbildung nötige Rahmenbedingungen nicht erfüllen können (Beispielsweise ein kleiner KFZ Betrieb, der keine Toiletten Möglichkeiten für eine FINTA Person hat)
● Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind, bei der Ausbildung von Personen mit besonderen Herausforderungen
● Bedarfsgerechte Unterstützung für Schüler*innen und unvermittelbare Bewerber*innen im Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung mit Ausbildungsplatzanbieter*innen gewähren
● (Monats-)Praktika in Unternehmen, Betrieben, Betriebsteilen und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind für Auszubildende aus außerbetrieblichen Ausbildungen (zur Vermittlung praktischer Inhalte).
● Erhöhung der Quote von Unternehmen, Betrieben, Betriebsteilen und Betriebsstätten, die in RLP ansässig sind, die den Ausbilderschein für Mitarbeiter*innen kostenlos anbieten
Aufbau des Zukunftsfonds Ausbildung:
● Der Fonds soll sich neben den jährlich festgelegten Beiträgen der in RLP ansässigen Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten auch aus einer Unterstützung des Landes zusammensetzen, die ca. 10 % des gesamten Fondsvolumens betragen soll
● Der Zukunftsfonds Ausbildung soll branchenspezifisch aufgebaut sein. Jede Branche wird hierbei von den Sozialpartner*innen für die Branche betreut, koordiniert und kontrolliert
● In den Fonds zahlen alle in RLP ansässigen und eine Minimalgröße nicht unterschreitenden Unternehmen, Betriebe, Betriebsteile und Betriebsstätten ein
● Die Höhe der Zahlungen in diesen Fonds ist von der Größe des einzahlenden Betriebes abhängig. Sie darf eine festgelegte Maximalsumme dennoch nicht überschreiten
● Jede*r Ausbildungsplatzanbieter*in bekommt, je nach Branche und Förderfähigkeit der auszubildenden Person, jährlich eine Summe an Fördermitteln aus dem Fonds ausgezahlt. Die jeweilige Höhe der Förderung der Branche wird von den Sozialpartner*innen der jeweiligen Branche festgelegt und muss dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung begründet werden. Das Ministerium besitzt ein Vetorecht und kann die Sozialpartner*innen auffordern, die Höhe der Fördermittel zu korrigieren
Durch die Branchenspezifizierung wird die Umlage noch wirkungsvoller. Auch Studien (Schuß 2022: S. 14-16) zeigen, dass diese effizienter/erfolgreicher sind, insofern die Umlage an den jeweiligen Sektor angepasst ist.
Neben der Förderung für Auszubildende haben Betriebe jedoch auch noch andere Möglichkeiten, Unterstützung (oben genannte) aus dem Zukunftsfonds Ausbildung zu beantragen. Die Zuständigkeit der Förderungen liegt bei den Sozialpartner*innen jeder Branche, sofern die Förderung eine branchenspezifische ist. Sollte dies nicht der Fall sein, ist das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung zuständig und kann Förderungen bewilligen.
Kosten, die beispielsweise durch Verwaltung, Zahlungsabwicklungen oder Softwareentwicklungen verwendet werden, sollen aus dem Fonds finanziert werden, soweit diese nicht bereits ohnehin durch Haushaltsmittel gedeckt sind.
Berufsberatung an Schulen
Wir fordern, das Thema Ausbildung frühzeitig in den Schulen zu einem festen Bestandteil des Unterrichts und des schulischen Alltages zu machen.
Wir sehen drei Punkte als besonders wichtig an:
- Ein jährliches, verpflichtendes Schulpraktikum für Schüler*innen ab dem 8. Schuljahr. Der Zeitraum, indem das Praktikum stattfindet, soll vom Kultusministerium frühestmöglich verkündet werden, aber mindestens in den Sommerferien zu dem vorangehenden Schuljahr. So können sich Schulen, Schüler*innen und Betriebe bessere Voraussetzungen frühzeitig darauf vorzubereiten.
- Die Agentur für Arbeit soll einen festen Platz im Schulalltag haben. Neben einem Beratungsangebot an jeder Schule fordern wir auch eine jährliche verpflichtende Berufsberatung für jede*n Schüler*in ab der 8. Klasse bis zu seinem*ihren Schulabschluss.
- Mehr Kooperationen zwischen Betrieben und Schulen. Wir möchten diese Kooperationen weiter ausbauen. Wir sehen große Vorteile, wenn Schulen und Betriebe zusammenarbeiten. So können z.B. besser Berufe vorgestellt werden und Schüler*innen, die kein Praktikum gefunden haben, an diese Kooperationsbetriebe vermittelt werden, damit alle ein Praktikum erlangen.
Schulische Praktika werden oft belächelt, aber helfen sehr vielen Schüler*innen bei der Wahl des richtigen Berufes. Deshalb muss es hier eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Ausbildungsbetrieben geben, damit zum einen Berufe in Schulen besser vorgestellt werden und zum anderen auch die Schüler*innen, die selbstständig keinen Praktikumsplatz bekommen haben, hier gut untergebracht werden können.
Deshalb fordern wir:
- Mehr Praktika während der Schulzeit
- Bessere Kooperationen zwischen Schule und Ausbildungsbetrieben
Ausweitung des Berufsabiturs
Wir fordern die bundesweite Erweiterung des 2017/2018 in 6 Bundesländern stattfinden Pilotprojekts „Berufsabitur“. Hier konnten Schüler*innen innerhalb von 4 Jahren eine Ausbildung plus Abitur vollenden. Dies nutzt vor allem Schüler*innen, die sich während ihrer Schulzeit schon sicher über ihre Berufswahl waren, sich aber die Möglichkeit offen lassen wollen, an einer Universität zu studieren, als Erweiterung zu ihrer Ausbildung oder in einem anderen Bereich. Nach der bundesweiten Ausweitung des Berufsabiturs muss dies ein klarer Bestandteil in der Ausbildungswelt werden. Dies kann nur gelingen, wenn das Konzept bundesweit an den Berufsschulen angeboten werden kann und wenn Betriebe und Schüler*innen darauf hingewiesen werden, dass es diese Möglichkeit gibt.
Dieses Konzept bietet eine weitere Möglichkeit für Schüler*innen eine gute Grundlage für ein Studium zu schaffen. Neben dem fürs Studium an einer Universität wichtigen Abitur bekommt man auch noch die Einblicke aus der Ausbildung und hat somit viele Vorteile. Zudem verdient man in der gesamten Zeit über Geld und ist nicht mehr so sehr von den Eltern etc. abhängig.
Daher fordern wir:
- Auswertung, sowie Ausweitung des Pilotprojektes
- Stetige Evaluation der Möglichkeiten, wie das Ausbildungssystem und die Ausbildungen verbessert werden können, unter Einbeziehung von Modellen und Pilotprojekten
Angebote für psychische Beratung und Anlaufstelle für Auszubildende
Mentale Gesundheit ist ein Thema, das in der gesamten Gesellschaft immer noch tabuisiert ist. Für uns ist klar, dass die Zeiten des Tabus vorbei sind – gerade beim Thema Ausbildung. Die Zeit nach dem Schulabschluss und dem Beginn der Ausbildung, aber auch während der Ausbildung ist eine Zeit großer Umbrüche in den Leben der jungen Leute. Das Zusammenarbeiten mit Kolleg*innen, der Wegfall der gemeinsamen Zeit mit Freund*innen und viele weitere Gegebenheiten können eine psychische Belastung für Auszubildende sein. Aber auch die Prüfungsphasen sind sehr belastende Zeiten.
Daher fordern wir:
- Eine psychische Beratung und Anlaufstelle für Auszubildende
- Eine Entzerrung von Prüfungs- und anderen Stressphasen von Auszubildenden.
Begründung:
Erfolgt mündlich.