Antragsteller*in

N.N.

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Juso-Bundeskongress

Antragstext

Am Freitag, den 07.06.2019 hat der
Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition ein Migrationspaket
verabschiedet. Dieses beinhaltet unter anderem ein Projekt Horst Seehofers, das
sogenannte “Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht” bzw.
“Geordnete-Rückkehr-Gesetz”. Dieses wird von verschiedenen
Geflüchtetenorganisationen und in vielen Medien zurecht als “Hau-Ab-Gesetz”
bezeichnet, schließlich handelt es sich um eine extreme Verschärfung des
Asylrechts besonders in Hinblick auf Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam.
Unter anderem sollen Geflüchtete künftig statt 6 bis zu 18 Monate in den von
uns ohnehin abgelehnten Ankerzentren isoliert werden. Es soll ein neuer Status
unterhalb der Duldung eingeführt werden, der für noch größere Unsicherheit,
Arbeitsverbote und erweiterte Auflagen für Geflüchtete sorgt, wenn diese ihrer
Passbeschaffungspflicht nicht nachkommen können. Abschiebeverfahren werden
durch die neue Deklarierung als “Geheimnis” intransparent und Menschen in der
Geflüchtetenarbeit die Möglichkeit verwehrt, Geflüchteten zu helfen, deren
Rechte verletzt werden. Desweiteren sollen Geflüchtete durch den
verfassungswidrigen Entzug von Sozialleistungen in andere EU-Länder verdrängt
werden, wo teils unterirdische Zustände wie die konkrete Gefahr der
Obdachlosigkeit auf die Betroffenen warten.[1] Die Abschiebehaft soll künftig
auch in regulären Haftanstalten erfolgen können, also dort wo sonst eigentlich
nur Strafgefangene untergebracht werden.[2]

Trotz des umstrittenen Inhalts der Gesetze
und der vielen zivilgesellschaftlichen Stimmen dagegen, wurde das Gesetzpaket
von der Großen Koalition ohne Grund im Eilverfahren durch das Parlament
verabschiedet, obwohl sie teilweise gegen den Koalitionsvertrag verstoßen.
Leider hat man sich nicht die Zeit genommen, die Kritiker*innen intensiver in
den Diskurs einzubinden, sondern stattdessen den Gesetzesentwurf im
Hauruck-Verfahren zur Abstimmung gebracht. Ein so sensibles Thema erfordert
mehr Vernunft und die Fairness, einen würdigen Diskussionsprozess zuzulassen.

Die Bundestagsfraktion hat bereits im
Vorfeld der Abstimmung zum sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz eine Art
Rechtfertigung für die Zustimmung in Form eines FAQ veröffentlicht. Die Inhalte
dieser Veröffentlichung haben uns fassungslos gemacht, sie sind mit den
Grundwerten der SPD und allgemeiner gesprochen mit denen der Menschenwürde
nicht vereinbar. So wurde beispielsweise die Frage, ob künftig auch Familien
mit Kindern und Jugendlichen eingesperrt würden (was das Gesetz vorsieht,
beziehungsweise explizit nicht ausschließt) folgendermaßen beantwortet:

„Für Minderjährige und Familien mit
Minderjährigen gelten ganz hohe Schutzrechte. Sie dürfen nur in besonderen
Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es
unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist. Das Kindeswohl hat
Vorrang.“[3]

Allein diese Passage zeigt uns
erschreckend eindrücklich, dass sich unsere Bundestagsfraktion in der breiten
Mehrheit und alle, die dieses Gesetz mitgetragen haben, so weit von Anstand und
Menschlichkeit verabschiedet haben, dass wir keine andere Möglichkeit sehen,
als uns konsequent abzugrenzen. Die Verantwortlichen haben alle roten Linien
überschritten und scheinen das noch nicht einmal gemerkt zu haben. Rechte
Politik der CSU wird nicht mehr nur widerwillig mitgetragen, sondern
insbesondere in der Kommunikation nach außen auch noch als eigene Handschrift
verkauft. Mancher Abgeordnete der SPD (!) ging in den öffentlichen Verlautbarungen
sogar soweit, dass wortwörtlich der Wahlslogan von NPD und AfD “Einwanderung in
Sozialsysteme” [sic] sich zu eigen gemacht wurde.

Es ist nicht so, dass es im Vorfeld nicht
genügend Warnungen gegeben hätte. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer
Juristinnen und Juristen warnte davor, Migrant*innen mit der neuen Form der
Duldung in die illegale Beschäftigung zu treiben. Sie bezeichnete die
Vorbereitungshaft als verfassungsrechtlich bedenklich und die Verschärfung des
Ausweisungsrechts als Mittel zur Spaltung der Gesellschaft. Allgemein
konstatiert die AsJ, dass die Gesetze an ihrer Zielsetzung vorbei gehen und
grundlegende, sozialdemokratische Werte verletzen.[4] Die
Menschenrechtskommissarin des Europarates rief dazu auf von den Gesetzen Abstand
zu nehmen, da sie in Teilen der Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte widersprechen. Wir Jusos haben frühzeitig klar gemacht, dass
wir weitere Asylrechtsverschärfungen ablehnen und die menschenverachtenden
Inhalte der Gesetze konkret angeprangert. Viele Amts- und Mandatsträger*innen
haben eine Petition gegen die Asylrechtsverschärfungen unterzeichnet.[5] In
einem offenen Brief haben Pro Asyl, die AWO, Amnesty International und viele
weitere Verbände gebeten, das sogenannte “Geordnete-Rückkehr-Gesetz”
abzulehnen.[6] Sogar aus der Gewerkschaft der Polizei wurden kritische Stimmen
laut, die verfassungsrechtliche Bedenken äußerten.[7]

Wir Jusos Rheinland-Pfalz stellen
abschließend klar:

  • Die am 07.06.2019 vom Bundestag mit den Stimmen
    von SPD-Abgeordneten verabschiedeten Gesetze zum Asyl- und
    Aufenthaltsrecht widersprechend grundsätzlichen Werten unserer Partei,
    verstoßen in Teilen möglicherweise gegen die Verfassung und sind mit der
    Menschenwürde nicht vereinbar.
  • Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf,
    das FAQ zu diesen Gesetzen von ihrer Website zu nehmen und stattdessen
    eine deutliche Distanzierung von den beschlossenen Asyl- und
    Aufenthaltsrechtsverschärfungen zu veröffentlichen.
  • Wir fordern alle Abgeordneten dazu auf, sich von
    diesen Gesetzen im Nachhinein zu distanzieren. Sie müssen klar machen,
    dass es sich um kein Abstimmungsverhalten aus Überzeugung, sondern
    lediglich um ein weiteres Eingeständnis an das ohnehin längst gescheiterte
    Projekt GroKo gehandelt hat. Eine öffentliche Entschuldigung und ein
    Fehlereingeständnis sind das Mindeste.
  • Abgeordnete, die diesen Gesetzen zugestimmt haben
    und sich auch nicht nachträglich deutlichst davon distanzieren,
    werden künftig keinerlei Unterstützung bei Nominierungen, Listenaufstellungen
    und im Wahlkampf von uns Jusos erhalten. Rückblickend war es aus unserer
    Sicht ein Fehler, diesen Abgeordneten durch Plakatierung, Wahlkampfstände,
    Tür-zu-Tür und andere Aktionen zu ihrem Mandat verholfen zu haben. Wir
    werden diesen Fehler nicht wiederholen.
  • Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen,
    dass eben jene Abgeordneten von der SPD nicht erneut für die Wahl in den
    deutschen Bundestag oder ein anderes Amt aufgestellt werden.

[1] https://www.proasyl.de/news/marathonanhoerung-im-bundestag/

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/geordnete-rueckkehr-gesetz-was-steckt-im-migrationspaket-a-1271323.html

[3] https://www.spdfraktion.de/themen/fragen-antworten-geordnete-rueckkehr-gesetz

[4] https://asj.spd.de/aktuelles/aktuelles/news/das-sog-geordnete-rueckkehr-gesetz-eine-kurze-migrationsrechtliche-bewertung/05/06/2019/

[5] https://www.change.org/p/spd-bundestagsfraktion-verfassungswidrige-und-menschenunw%C3%BCrdige-geordnete-r%C3%BCckkehr-gesetz-ablehnen

[6] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Offener-Brief-Geordnete-R%C3%BCckkehr-Gesetz.pdf

[7] http://www.taz.de/Polizist-zum-Geordnete-Rueckkehr-Gesetz/!5598502/