Antragsteller*innen
N.N.
Zur Weiterleitung an
Juso-Bundeskongress, den SPD Landesparteitag RLP
Antragstext
Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, Schwangerschaftsabbrüche aus der Illegalität zu befreien!
Die §§218-219b müssen gestrichen werden. Die Voraussetzungen des §218a II – IV bleiben bestehen. Sie dürfen dabei im StGB nicht weiter unmittelbar hinter den Regelungen zu Mord und Totschlag angegliedert sein.
Pflichtberatungen sollen erhalten bleiben, aber muss gewährleistet sein, dass diese Beratungen die Frauen in keiner Art und Weise unter Druck setzen können. Diese Beratungen sollen eine Hilfe der eigenen Entscheidungsfindung sein.
Die Bundesregierung muss eine flächendeckende Beratung durch „pro familia“ gewährlisten. Kirchliche Träger sind als zusätzliches Angebot zu sehen. Es müssen regelmäßige Kontrollmechanismen geschaffen werden, die eine dauerhafte Neutralität der Mitarbeiter*innen gewährleisten. Hierzu muss auch ein anonymes Beschwerdeverfahren für die betroffenen Frauen* eingeführt werden.
- fehlende Beratungsstellen im ländlichen Raum sind dabei umgehend zu schaffen
- Die Beratung ist freiwillig und ergänzend zu der des Arztes/Ärztin*.
- Weiterhin ist unabdingbar, dass die Krankenkassen für den Eingriff vollumfänglich aufkommen.
- Die bisherige Regelung der Frage, wer berechtigt ist, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, soll an die weiterhin bestehenden Paragraphen (derzeit §218a II-IV) angefügt werden.
- Wir brauchen gute Ausbildungsmöglichkeiten während des medizinischen Studiums, um Abtreibungen nur durch geschulte Ärzt_innen zu gewährleisten. Nur diese dürfen einen solchen Abbruch vornehmen!
Begründung:
Der §218 trat erstmals im Jahr 1872 nach Gründung des Deutschen Reiches in Kraft. Wer eine Abtreibung durchführen lässt wird mit einer Zuchtstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft.
Schon um die Jahrhundertwende gab es Proteste zur Abschaffung dieses Paragraphen. Unter dem Slogan: ,,Dein Bauch gehört dir!“ gingen tausende Frauen auf die Straße.
Die SPD stand diesen Frauen von Beginn an zur Seite. 1920 brachten wir den ersten Antrag in den Reichstag. Wir forderten schon vor 100 Jahren die Straffreiheit in den ersten drei Monaten ohne eine Pflichtberatung von Frauen. Der Antrag scheiterte an den konservativen Mehrheiten.
Der erste Erfolg gelang 1926. Frauen die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, mussten ,,nur noch“ das Gefängnis und nicht mehr das Zuchthaus fürchten.
Nach der Machtergreifung der Nazis, wurde der alte §218 wiedereingesetzt und weitere Verschärfungen eingeführt. So wurde der gewerbsmäßige Schwangerschaftsabbruch von 1943 – 1949 mit der Todesstrafe bestraft.
Nach Kriegsende gab es immer wieder Diskussionen den §218 abzuschaffen. Insbesondere die SPD traute sich jedoch nicht mehr an dieses ,,heiße Eisen“, da man die Wähler_innenschaft der Kirchen für sich begeistern wollte.
1971 ging ein Aufschrei durch die Gesellschaft. Der Stern brachte auf der Titelseite die Kampagne:,,Ich habe abgetrieben“ heraus. Insgesamt unterschrieben 86.100 Personen. Ein Jahr später, nachdem Willy Brandt seine Regierung bildete, wurden endlich erste Entwürfe zu §218 beraten.
Derweil wurde in der DDR ein Gesetz erlassen, welches Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten straffrei stellt. Eine Pflichtberatung wurde den Frauen nicht zugemutet.
1976 wurde auch in der BRD ein neuer §218 beschlossen. Hier waren die Frauen allerdings viel größeren Hürden ausgesetzt. Ein Abbruch war nur straffrei, wenn er aufgrund von einer medizinischen Gefahr durchgeführt wird, weil ein Verbrechen oder eine psychische oder soziale Ausnahmesituation vorliegt bzw. dass Kind eine Behinderung hat. Die Frauen mussten sich einer Pflichtberatung, häufig durch Kirchen, unterziehen.
Viele Frauen erklärten, sie seien in einer sozialen Ausnahmesituation, um abtreiben zu dürfen. Dem schob 1984 die Regierung Kohl einen Riegel vor. Sie gründeten die ,,Bundesstiftung Mutter und Kind zum Schutz des ungeborenen Lebens“. Offiziell, um werdende Mütter zu unterstützen. In Wahrheit allerdings auf Hinwirken der katholischen und evangelischen Kirche. So konnten Frauen nicht behaupten, in einer sozialen Ausnahmesituation zu sein.
1995 wurde der §218 final verändert, in der Form, in der wir ihn bis heute haben:
§ 218
Schwangerschaftsabbruch
(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.
(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.
Somit wurde das Recht zu Schwangerschaftsabbrüchen mit der Widervereinigung verschärft und seitdem nie wieder hinterfragt.
Aktuell begehen Frauen und Ärzt_innen eine Straftat, die lediglich nicht geahndet wird, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Das dürfen wir nicht weiter zulassen! Wir müssen gesetzlich endlich festhalten, dass Frauen bis dorthin kein Unrecht begehen. Jede Frau hat einen freien Willen der auch endlich gesetzlich anerkannt werden muss!
Frauen müssen sich bis heute einer Pflichtberatung unterziehen, ehe sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen dürfen. §219 StGB sagt dabei ausdrücklich, dass die Frauen in diesen Beratungen davon überzeugt werden sollen, den Abbruch nicht vorzunehmen:
§219 I StGB:
Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.
Diese Regelung führt dazu, dass Frauen in diesen Beratungen massiv unter Druck gesetzt werden. Sie bekommen bewusst Schuldgefühle gemacht oder werden bedrängt und an den Pranger gestellt. Wir dürfen in einem freien, demokratischen Land nicht zulassen, dass Frauen ein solches Martyrium durchstehen müssen. Die Entscheidung zu einem Abbruch muss wohl überlegt sein und Frauen müssen dabei die Möglichkeit der Beratung erhalten. Eine rechtlich festgelegte Beeinflussung dürfen wir allerdings auf keinen Fall tolerieren.
Frauen, die sich an eine Beratungsstelle wenden möchten, müssen hierzu ein flächendeckendes, neutrales Angebot erhalten. Kirchen, die offen erklären für den ,,Lebensschutz“ einzustehen, können dieses Angebot nicht im Sinne einer staatlichen Neutralität anbieten.
Es braucht Beratungen von Organisationen wie ,,pro familia“, um Frauen alle Perspektiven aufzeigen zu können. Kirchliche Beratung soll dabei mit Nichten verboten werden. Alle Frauen, die eine solche Beratungsstelle aufsuchen möchten, sollen das tun können. Der Staat jedoch muss gewährleisten, dass keine Frau dazu gezwungen ist zu einer kirchlichen Beratung zu gehen, nur weil keine andere Beratungsstelle in ihrer Nähe ist.
Bis heute ist die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches kein Bestandteil des medizinischen Studiums. Ärzt_innen die erlernen möchten, wie ein solcher Abbruch vorzunehmen ist, müssen hierzu in das Ausland reisen. Häufig wird dies in den Niederlanden gemacht. Es kann nicht sein, dass wir uns als fortschrittlichen Land bezeichnen und gleichzeitig unsere Ärzt_innen zwingen, einen medizinisch simplen Eingriff im Ausland erlernen zu müssen. Die Praxis an sich, ist in ein bis zwei Tagen erlernbar. Viel wichtiger ist jedoch, bereits im Studium zu lernen, wie ein ausführliches und neutrales Gespräch mit den betroffenen Frauen geführt wird.
Es ist 2018.