Wir fordern, dass Fahrlehrende bereits in der Ausbildung in Bezug auf das Thema Traumatisierungen ausgebildet werden. Dazu bedarf es einer Änderung bzw. Ergänzung des Fahrlehrgesetzes (FahrlG) §4.1 Fahrlehrerprüfung um den Punkt „Kenntnisse im Bereich der Traumapsychologie und Traumafolgestörungen“. Außerdem ist eine Ergänzung aller weiterer Paragraphen des FahrlG und der Fahrlehrer-Ausbildungsordnung (FahrlAusbO) nötig, die sich mit dem Inhalt, der Abschlussprüfung und den verbindlichen Zwischenprüfungen befassen, um den entsprechenden Punkt der Behandlung potentiell traumatisierender Inhalte im Fahrunterricht mit einzubringen. Weiter sollten auch die bereits arbeitenden Fahrlehrenden eine entsprechende Schulung durchlaufen. Diese Schulung sollte einen zeitlichen Umfang von mindestens einem Tag haben und mindestens folgende Inhalte umfassen: Definition Trauma und Traumafolgestörungen, Ursachen und Folgen von Traumatisierung und Traumafolgestörungen, sensibler Umgang mit potentiell traumatisierendem Material, Umgang mit traumatisierten Fahrschülern oder Rezipienten präventiver Maßnahmen.
Wir fordern außerdem, dass die im Rahmen eines solchen Moduls erworbenen Kenntnisse einer regelmäßigen (alle zwei Jahre) Auffrischung unterliegen und mit Zertifikat abgeschlossen werden müssen.
Begründung:
Aufgrund gestiegener Sensibilität im Bereich der Traumatisierung, durch Missbräuche unterschiedlichster Art, gelten für pädagogische Kontexte wie beispielsweise in Schulen bereits strenge Auflagen in Bezug auf pädagogisches Material. Im ebenfalls pädagogischen Kontext der Fahrschule, der direkte Anknüpfungspunkte zu Traumainhalten aus dem Bereich von Verkehrsunfällen aufweist, liegen solche Auflagen aktuell nicht vor.
In Deutschland passierten im Jahr 2015 insgesamt 3.459 tödliche Unfälle und 67.706 Unfälle mit schweren Verletzungsfolgen.
Hiervon sind oft auch zukünftige Fahrbeschulte als Beifahrer_innen oder Zeug_innen betroffen. Im Rahmen der Traumadefinition des Diagnostic Manual for Mental Disorders (DSM5) sind Traumataerlebnisse, bei denen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens oder der eigenen Gesundheit vorliegen und die bei nahezu jedem Menschen zu extremer Belastung und Verzweiflung führen würden oder das Erleben solcher Situationen als unmittelbarer Zeuge. Dementsprechend stellen schwere Verkehrsunfälle oftmals traumatische Erlebnisse dar.
Studien zufolge entwickeln ca. 25% der Personen, die solche Traumata erlebt haben, Traumafolgestörungen, die eine große Einschränkung der Gesundheit, Lebensqualität und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben darstellen und einen hohen Kostenfaktor im Gesundheitssystem ausmachen.
Traumatisierungen können durch sogenannte Trigger, die entweder einzelnen Reizen der traumatischen Situation, ähnliche Reize oder aber auch das Erleben und Beobachten verwandter Situationen, erneut aufbrechen und den Betroffenen den Eindruck vermitteln, sich erneut in der bedrohlichen Situation zu befinden. Dies kann bis hin zu völligen Dissoziationen führen.
Verkehrspädagogisches Aufklärungsmaterial, das Gefahrensituationen und Unglückssituationen detailliert darstellt, kann sowohl bei Menschen mit Traumafolgestörungen als auch bei Menschen mit Traumaerfahrungen und Prädispositionen somit zu Retraumatisierungen oder zum Wiedererleben traumatischer Situationen und ggf. auch zu Dissoziationen führen. Fahrlehrende sind auf solche Situationen nicht vorbereitet, weshalb ein Hintergrundwissen in diesem Bereich zwingend erforderlich ist. Darüber hinaus muss im Sinne der Selbstbestimmung Betroffenen durch Hinweis und Aufklärung im Vorfeld die Möglichkeit gegeben werden, für die Zeit der Präsentation solcher Inhalte, den Raum verlassen zu können und sich einer solchen Belastung nicht aussetzen zu müssen. Dies fällt aufgrund gruppendynamischer Prozesse in kleineren Gruppen vermutlich leichter und es sollte von Fahrlehrenden sensibel auf den Umgang der Fahrbeschulten untereinander geachtet werden.
Der Aspekt gewinnt aktuell an noch größerer Brisanz, gerade auch in der Personengruppe der Flüchtlinge, die einen wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft ausmachen, da viele dieser Menschen belastende traumatische Erfahrungen gemacht haben und in solchen Situationen unnötig belastet würden.