Antragssteller*innen

Jusos Rhein-Hunsrück

Zur Weiterleitung an

SPD-Landesparteitag, SPD- Landesvorstand, SPD-Landtagsfraktion

Antragstext

Rheinland-Pfalz hat einen Wandel vollbracht. Vom Land der „Rüben und Reben“ ist unser Land zur touristischen Attraktion, jedoch auch zum Standort für die Industrie, vor allem in den Bereichen Technik, Chemie und Pharmazie, geworden. Dieser Fortschritt ist wichtig, sichert er doch den Wohlstand der Bevölkerung. Um diesen Fortschritt nachhaltig zu sichern, setzt die SPD Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten auf die Energiewende vor Ort. Das dient der ökologischen Vernunft, dem Schutz des Klimas und sorgt langfristig für eine moderne Energieinfrastruktur und niedrige Energiepreise, während Energie aus fossilen Energieträgern durch die Ressourcenverknappung und CO2 immer teurer wird. Beispiele wie das Gemeinschaftskraftwerk (Gekko) in Hamm von Stadtwerken und RWE zeigen deutlich, dass konventionelle Kraftwerke längst nicht mehr als Synonym für Sicherheit und Verlässlichkeit stehen können. Mit dem Schutz des Klimas sorgen wir für den Erhalt unserer Lebensgrundlageund überlassen das Problem nicht den kommenden Generationen.

Die Energiewende vor Ort bindet zudem einen Großteil der Wertschöpfung innerhalb von Rheinland-Pfalz. Das Geld wandert nicht durch den Kauf von Erdöl, Gas, Kohle und Uran in andere Länder, sondern verbleibt durch die dezentrale Erzeugung aus Wind und Solar in den Regionen. Ausbau und Betrieb der dezentralen Erzeugung aus EE können regionale Unternehmen und Betriebe organisieren, da sie eine hohe Wertschöpfung gewährleisten. Ziel ist es, zukünftig die in den Regionen erzeugte Energie aus EE auch regional zu vermarkten. So ist es in Zukunft möglich, die volle Wertschöpfung von Erzeugung und Energiehandel in der Region zu halten.

100% Prozent Ökostrom bis 2020 bilanziell

Die Energiewende ist eine Revolution der Energieversorgung, die auf drei Grundpfeilern basiert.

  1. Die Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen
  2. Erhöhung der Energieeffizienzund Energieeinspeisung
  3. Stufenweise Ablösung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien

Mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 durch die rot-grüne Bundesregierung begann der Siegeszug der erneuerbaren Energien. Diesen Erfolg wollen wir fortsetzen. Seit der Novellierung im Jahr 2014 durch die große Koalition werden die Förderungen für Photovoltaikanlagen ausgeschrieben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Volumen der Ausschreibungen für deutsche Hersteller deutlich erhöht wird und weitere förderfähige Flächen ausgewiesen werden.

Der Zubau an Windkraft befindet sich auf einem guten Weg. Durch die Neuregelung der rot- grünen Landesregierung unter Kurt Beck und Malu Dreyer ist diese privilegiert. Damit ist ihre wichtige Rolle gesichert und es ist dafür gesorgt, dass jeder Landkreis seinen Beitrag zur Energiewende und zur sicheren Energieversorgung leistet. Rheinland-Pfalz hat mit seiner enormen Fläche gigantische ungenutzte Potenziale, die es zu nutzen gilt.

In Anbetracht der „Tank-oder-Teller-Debatte“ müssen Biogasanlagen neu gedacht werden. Statt einer Vergütung auf Erzeugungsbasis, müssen die Biogasanlagen als Speicher und Regler gleichermaßen dienen. Hierzu ist es erforderlich, Biogas auf Erdgasqualität aufzubereiten und ins vorhandene Erdgasnetz einzuspeisen. In diesem Fall kann die Stromproduktion des Biogases in gleichem Maß erfolgen, wie der augenblickliche Stromverbrauch es erfordert.

Die Potenziale für dezentrale Produktion aus Erneuerbaren sind in Rheinland-Pfalz immens hoch. Damit verbunden sind auch hohe Investitionen in erneuerbare Energien. Das stellt das Land vor große Herausforderungen. Wir werden alles daran setzen, bis 2020 bilanziell über 100% Ökostrom in Rheinland-Pfalz zu verfügen.

Energieversorgung vor Ort neu denken – in regionalen Ansätzen

Die Herausforderung der Erneuerbaren Energien ist, dass man ihre Erzeugung nicht bestellen, sondern nur prognostizieren kann. Die Verbraucher_innen möchten allerdings zu jeder Zeit über Strom im gewünschten Ausmaß verfügen können. Übersteigt die momentane Erzeugung (bei starkem Sonnenschein oder hohem Windaufkommen) den momentanen Verbrauch, so muss zwischengespeichert werden. Ist es andersherum, so muss der Stromverbrauch aus Speichern oder anderen Kraftwerken gedeckt werden. Um die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten, müssen wir also umdenken. Wenn wir zukünftig die Erzeugung aus erneuerbaren Energien dezentral in unseren Regionen durchführen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viel der erzeugten Energie auch direkt vor Ort verbraucht wird. Es ist unvernünftig, die Lastspitzen dezentral erzeugter Energien zentral auszugleichen. Dafür ist es vernünftig die regional erzeugte Energie auch regional auszuregeln und zu speichern. Ausregeln meint genau den Fall, dass die Differenz zwischen Verbrauch und Erzeugung vor Ort ausgeglichen wird.

Wir dürfen uns nicht von Landesgrenzen leiten lassen, sondern müssen technische Kennzahlen zugrunde legen. Das Land Rheinland-Pfalz als solches ist zu groß, um es zentral auszuregeln. Daher muss es nach Einwohnerinnen und Einwohnern und Stromverbrauch eingeteilt werden. Innerhalb dieser Waben wird Strom erzeugt, verbraucht, aber auch Lastspitzen ausgeregelt und gespeichert. Dieser Gedankengang ist die Fortentwicklung des bewährten Konzeptes „virtuelles Kraftwerk“. Dadurch ist es unwahrscheinlicher, dass Netzschwankungen auftreten und der groß angelegte Netzausbau von Nord nach Süd wird auf ein vertretbares Maß minimiert, da die Energiewaben sich selbst ausregeln. Die Überwachung und die Organisation solcher Energiewaben soll von lokal ansässigen Energieversorgern übernommen werden.

Auf gutem Kurs – mit konkurrenzfähigen Preisen

Stromhandel erfolgt in Deutschland neben dem Over-the-counter-Handel (OTC) an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig. Obwohl nur ca. 20% des konventionellen Stroms an der EEX gehandelt wird, wird jeglicher EEG-Strom zum Nulltarif mit Vorrang in den Prozess eingebracht. Dieser sog. Merit-order-effect führt dazu, dass der Strompreis sinkt. Durch die EEG-Umlage wird die Differenz zwischen Strompreis und Förderungshöhe ausgeglichen. Der Vorrang für Erneuerbare Energie muss erhalten bleiben, wobei aber in Zukunft die erneuerbaren einen Preis haben sollen und die restlichen 80% der konventionellen Energie mit in die Preisbildung einfließen sollen. Für eine grundlegende Reform der Energiepreisbildung werden wir uns über den Bundesrat einsetzen.

Darüber hinaus möchten wir auch finanziell schwachen Haushalten bei der Einsparung von Energie und bei der Steigerung der Energieeffizienz unter die Arme greifen. Wir werden in Kooperation mit unseren verantwortlichen Institutionen Energieberatungen anbieten und Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen über die KfW schaffen. Als Anreizsystem für solche Beratungen soll ein Zuschuss beim Ersatzkauf von energieeffizienteren Systemen dienen. Dies ist volkswirtschaftlich sinnvoll und dient auch der Wirtschaftsförderung.

Gute Netze – für guten Strom

Die notwendige Energieeinsparung bzw. steigende Energieeffizienz ersetzt nicht den notwenigen Netzausbau. Die dezentrale Energieversorgung und die fortwährende Transformation unserer Wirtschaft erfordern ständige Investitionen in das Stromnetz. Die Etablierung der Energiewaben wird den Ausbau auf ein vertretbares Maß reduzieren

Um die Akzeptanz hoch zu halten, sollten nicht nur die Erzeugungsanlagen dezentral sein, sondern auch die erforderlichen Stromnetze dezentralisiert oder kommunalisiert werden. Nur so ist es langfristig möglich, die gesamte Wertschöpfungskette der dezentralen Energieversorgung sicherzustellen. Vom Windrad über das virtuelle Kraftwerk über die dezentralen Netze bis zu regionalen Endkunden. Die SPD Rheinland-Pfalz wird nach Möglichkeiten suchen, die Stromnetze zu rekommunalisieren. Dies ist in Form von Regionalgesellschaften denkbar, die von Genossenschaften, Bürgerinnen und Bürgern, Landkreisen, Stadtwerken und weiteren gebildet wird. So ist ferner gewährleistet, dass ausreichend in unsere Infrastruktur investiert wird und der Netzausbau bedarfsgerecht von statten geht. Ferner schaffen wir hiermit eine sichere Anlagemöglichkeit für Sparerinnen und Sparer.

Um die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit sicherzustellen braucht es neben einem Ausbau an erneuerbaren Energien, Kraftwerke, die die Lastspitzen ausregeln und Überschussenergie speichern können. Wir werden uns dafür einsetzen, dass moderne Gaskraftwerke und Speicherkraftwerke rentabel sind, so dass zu jedem Zeitpunkt eine versorgungssichere und ausgeregelte Energieversorgung sichergestellt ist.

Energiewende ist mehr als Stromwende

Einen Großteil der Primärenergie verbraucht unsere Gesellschaft nicht in Form von Strom, sondern als Benzin oder Heizöl. Der Einsatz von Heizöl hat einen hohen Anteil am Klimakiller CO2. Durch die Verbrennung von ca. 35000 Liter Heizöl werden ca. 100t CO2 freigesetzt. Als Beispiel kann hier die Region Trier dienen, wo ca. 500.000 Einwohner im Jahr ca. 500 Mio. Liter Heizöl verbrauchen. Bei einem Kostenansatz von 0,8 €/Liter werden jährlich in der Region Trier ca. 400 Mio. für den Heizöleinkauf ausgegeben. Wird dieses Heizöl durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und ausgeregelte Erneuerbare Energien ersetzt, können die 400 Mio. € in der regionalen Wertschöpfungskette verbleiben. Hierdurch würden ca. 1,4 Mio. Tonnen CO2 vermieden werden. In jedem Jahr! Deshalb müssen wir über den Strom hinaus denken und bereits heute über den Wärme- und Verkehrssektor nachdenken.

Wir werden Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen weiterhin unterstützen, um vor Ort in Ballungsgebieten über hocheffiziente Wärme- und Stromerzeugung zu verfügen. Außerdem setzen wir weiterhin darauf, dass bei der Sanierung oder dem Neubau von öffentlichen Gebäuden Energiestandards eingehalten werden.

Wir werden in den kommenden fünf Jahren in Kooperation mit den Hochschulen, den Verkehrsbetrieben, den Kommunen, den Bürgerinnen und Bürgern und zuständigen Träger_innen öffentlicher Belange daran arbeiten, dass wir den öffentlichen Nahverkehr in den Städten und Landkreisen massiv ausbauen und innovative Systeme wie z.B. Elektrobusse oder Oberleitungsbusse in den Betrieb integrieren. Hier sind alle klugen Köpfe gefragt! Unser Ziel ist es, den gesamten Verkehrsbereich regenerativ zu gestalten und, soweit effizientund technisch möglich, zu elektrifizieren. Erste Pilotprojekte fanden hierzu in Trier (E-Bus) statt und stießen bei der Bevölkerung auf gute Resonanz. Auch die Straßenbahn in Mainz ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie Energiewende mit einer Entlastung des Straßennetzes einhergehen kann.

Ebenso muss sich der Individualverkehr wandeln. Mit der Schaffung einer flächendeckenden Infrastruktur für Elektrofahrzeuge machen wir diese attraktiv und ermöglichen es, auch in diesem Sektor CO2 zu vermeiden. Zu dieser Infrastruktur gehören Ladestationen im öffentlichen Verkehrsraum, genauso wie Smartphone-gestützte Infosysteme, wann, wo und wie viel Energie an den Stationen aufgeladen werden kann.

Oberstes Gebot ist auch hier, dass die gesamte Elektromobilität mit ausgeregelter Erneuerbarer Energie zu 100%, vorrangig aus regionaler Erzeugung, bedient wird.

In Rheinland-Pfalz gibt es keine Atomkraft, aber dennoch beziehen wir Atomstrom u.a. aus Fessenheim und Cattenom. Wir wollen und werden diese Kraftwerke mit einer erfolgreichen Energiewende generell überflüssig machen. Trotzdem befinden sich mit diesen beiden Atomkraftwerken zwei erhebliche Sicherheitsrisiken in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Atomkraftwerke sind veraltet und weisen mehrere hundert Störfälle im Jahr auf. Daher werden wir uns dafür mit Nachdruck einsetzen, dass diese Meiler schnellstmöglich vom Netz gehen. Den Rückbau des ersten und einzigen Atomkraftwerks Mühlheim-Kärlich werden wir wohlwollend betreuen. Wenn wir es schaffen den Strombedarf zu 100% aus Erneuerbaren Energien ausgeregelt zur Verfügung zu stellen, dann brauchen wir keinen Atomstrom mehr, auch nicht die AKWs in Cattenom oder Fessenheim. Die Stromproduktion aus AKWs wird einfach durch die Stromproduktion aus Erneuerbaren ersetzt. Die AKWs werden dadurch „arbeitslos“ und können für immer abgeschaltet werden.

Wir können Wind und Sonne nicht bestellen…

…sondern nur vorhersagen. Die fundamentale Frage, wie Energie über Stunden, Tage, Wochen und über Jahreszeiten hinweg gespeichert wird, muss parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen. Der Zeitpunkt, wann diese Infrastruktur wirtschaftlich rentabel ist, ist genau der Zeitpunkt, an dem diese Speichermöglichkeiten dringend benötigt werden. Hierzu werden wir innovative Speichermöglichkeiten fördern und erzielen dadurch wichtige Forschungserkenntnisse. Pumpspeicherkraftwerke, Power-to-gas-Anlagen, Batterien oder Ähnliches brauchen mehrere Jahre, bis sie realisiert sind. Wir müssen jetzt aktiv werden! Ein ständig steigender Anteil von EE erfordert parallel einen steigenden Speicher- und Regelenergiebedarf. Der Preistreiber unseres Strompreises sind die Lastspitzen. Deshalb müssen wir diese aus Speichern decken und Erzeugungsspitzen entsprechend speichern, damit nicht teure Regelenergie eingekauft werden muss. Wir müssen jetzt für Planungssicherheit sorgen, wenn Investitionen in diesem Bereich angekurbelt werden sollen. Hierzu werden wir über die Energieagentur alle Akteur_innen im Energiesektor an einen Tisch laden, um einen Masterplan „Energiespeicher“ zu entwickeln.

Unser Ziel ist es, spätestens bis 2035 den Strombedarf aus 100% erneuerbaren Energien zu decken und diesen auch ausgeregelt den regionalen Endkunden zur Verfügung zu stellen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, womit sich die SPD Rheinland-Pfalz auf die Zukunft vorbereitet, um unser Land von Morgen zu schaffen!