Antragsteller*innen

Jusos Birkenfeld

Zur Weiterleitung an

Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsministerkonferenz, MSAGD RLP, Juso Bundeskongress, SPD- Bundestagsfraktion, SPD-Landtagsfraktion

Antragstext

Was leisten Hebammen eigentlich?

Schwangerschaft: Hebammen leisten seit Jahrhunderten eine der wichtigsten Arbeiten für unsere Gesellschaft. Durch ihre Arbeit unterstützen sie werdende Mütter und Väter bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Hebammen sind unersetzlich! Laut Hebammengesetz kann eine Hebamme eine normal verlaufende Geburt alleine leiten. Ein Arzt dagegen darf eine Frau nur in Notfällen ohne eine Hebamme entbinden. Diese Hinzuziehungspflicht gilt übrigens auch bei einem Kaiserschnitt.

Hebammen können eine Schwangerschaft feststellen und den Mutterpass ausstellen. Wenn keine Risikoschwangerschaft vorliegt und die Schwangere gesund ist, können Hebammen fast alle im Mutterpass vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen durchführen. Sie nehmen sich die Zeit, um herauszufinden, wie es der werdenden Mutter und dem Kind geht. Sie kontrollieren das Gewicht und den Blutdruck, stellen die Lage und die Größe des Kindes fest und prüfen, ob die Herztöne in Ordnung sind. Außerdem untersuchen sie regelmäßig den Urin und das Blut. Nur Ultraschalluntersuchungen sind Ärztinnen oder Ärzten vorbehalten.

Geburtshilfe: Die Geburtshilfe ist der wichtigste Arbeitsbereich einer Hebamme und der Hauptgrund, warum sich viele Menschen überhaupt für diesen Beruf entscheiden. Sie begleiten Geburten im Krankenhaus, im Geburtshaus und zuhause. Manche Kliniken bieten die Möglichkeit der Begleitung durch eine Beleghebamme ihrer Wahl an. Beleghebammen arbeiten wie die Hebammen in der außerklinischen Geburtshilfe freiberuflich. Das heißt sie rechnen ihre Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab. Aber auch die in einer Klinik angestellten Hebammen sind meistens zusätzlich noch freiberuflich tätig, zum Beispiel in der Wochenbettbetreuung oder mit Kursen. Alle freiberuflichen Hebammen sind von den exorbitant steigenden Berufshaftpflichtversicherungsprämien betroffen. Geschätzt 70 Prozent aller Hebammen arbeiten (auch) freiberuflich.

Problematik in der Geburtshilfe: Die angestellten Hebammen in den Kliniken leiden vor allem unter der Personalverknappung, Arbeitsverdichtung und der Zunahme von Dokumentationspflichten in den Krankenhäusern. So muss eine Hebamme mitunter drei Geburten parallel betreuen. Denn auch in den Krankenhäusern gilt: Gut ist, was sich rechnet. Wenn also viele Geburten mit möglichst wenig Personal abgewickelt werden können, freut dies den Klinikbetreiber. Einträglich sind außerdem auch Kaiserschnitt- und Frühgeburten. Diese falschen Anreize schaden Mutter und Kind genauso wie den Hebammen, die so nicht arbeiten möchten. Rund 70 Prozent aller angestellten Hebammen sind in Teilzeit in der Klinik tätig.

Frauen brauchen und Hebammen fordern eine kompetente, professionelle und kontinuierliche Unterstützung während der Geburt, um sowohl sicher als auch selbstbestimmt und individuell gebären zu können. Sicherheit und Qualität in der medizinischen Versorgung fordert auch die Politik – doch Qualität in diesem Bereich braucht vor allem Personal und Zeit. Um jederzeit die Unterstützung und Hilfe zu bekommen, die sich jede einzelne Frau zum Kinderkriegen wünscht, und die ihr auch zusteht, muss auch in Kliniken eine individuelle Geburtsbegleitung möglich sein – das heißt, eine Hebamme ist für eine Frau da (1:1-Betreuung). Technik allein kann die Zuwendung, die Mut machenden Worte und vor allem den kompetenten und wachen Blick einer Hebamme nicht ersetzen: Frauen brauchen Hebammen – heute mehr denn je.

Wochenbettbetreuung: Auch nach der Geburt ist die Arbeit der Hebammen von hoher Bedeutung. Eine Geburt bedeutet große körperliche und seelische Veränderungen für die Frauen und Familien. Sie sprechen mit ihnen über die Geburt und die ersten Erfahrungen mit dem Kind und helfen den Familien dadurch, in ihre Rolle als Eltern hineinzuwachsen. Neben der Klärung medizinischer Fragen geht es in den ersten Lebenstagen vor allem darum, dass Eltern und Kind eine gute Beziehung zueinander aufbauen (Bonding). Der psychosoziale Aspekt spielt eine wesentliche Rolle. Die Hebamme beobachtet außerdem die Rückbildungs- und Abheilungsvorgänge, unterstützt das Stillen und gibt Hilfestellung bei Schwierigkeiten.

Auch in Krisensituationen können Hebammen unterstützen: Bei Bedarf vermitteln sie den Kontakt zu Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Ärzte und Psychologen. Das gilt insbesondere, wenn ein Kind krank oder tot geboren wird oder nach Geburt stirbt.

Familienhebammen: Erschwerte Hintergrundbedingungen erfordern besondere Kenntnisse. Dafür gibt es Hebammen mit einer Zusatzqualifikation, die Familienhebamme. Ihr Einsatz ist überall da sinnvoll, wo Mütter eine verstärkte Hilfestellung im alltäglichen Umgang mit ihren Kindern brauchen.

Deshalb richtet sich das Angebot besonders an Teenagermütter, Familien mit Migrationshintergrund, Frauen/Partner*innen mit psychischen Belastungen oder Suchtproblematik sowie an chronisch kranke Frauen und an Frauen mit Gewalterfahrungen. Das Betreuungsangebot reicht bis zum Ende des ersten Lebensjahres der Kinder.

Problematik der flächendeckenden Versorgung

Frauen müssen selbst entscheiden können, wo und wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten! Diese Wahlfreiheit ist vielerorts in Gefahr. Eine Hebamme zu finden, die Schwangere und Mütter mit ihren Familien bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreut, ist nicht immer und überall möglich. In einigen Regionen Deutschlands gibt es schon heute keine Wahlfreiheit mehr – weil die klinische Geburtshilfe auf wenige Krankenhäuser zentralisiert wurde oder die freiberufliche Geburtshilfe weggefallen ist. Auch für die Wochenbettbetreuung und Schwangerenvorsorge findet sich immer schwerer eine Hebamme. Viele Hebammen sind Monate im Voraus ausgebucht. Auch Frauen, die sich für eine Hausgeburt oder Geburt im Geburtshaus entscheiden, suchen oft vergeblich eine Hebamme, die sie begleitet. Das Gleiche gilt für die Wochenbettbetreuung und Schwangerenvorsorge.

Die Gründe sind bekannt: Freiberufliche Hebammen ziehen sich aus der Geburtshilfe zurück, weil sie die horrenden Haftpflichtprämien nicht mehr bezahlen können. Auch Geburtshäuser und kleinere Kreißsäle in Kliniken sind nicht mehr rentabel und schließen. In der Folge müssen Frauen weite Fahrten in Kauf nehmen, um die nächste Klinik mit Geburtshilfe zu erreichen.

Die Haftpflichtproblematik

Von 2002 bis 2014 haben sich die Haftpflichtversicherungsprämien mehr als verzehnfacht. Inzwischen muss eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 6200 Euro jährlich nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen. Dabei ist es egal, ob sie als Hausgeburts- oder Geburtshaushebamme vielleicht nur wenige Geburten im Jahr begleitet oder ob sie als sogenannte Beleghebamme im Krankenhaus arbeitet und dort vielleicht auch viele Geburten betreut. Die Prämien für Hebammen, die ausschließlich Wochenbettbetreuung, Kurse oder Vorsorgeuntersuchungen anbieten, sind ebenfalls gestiegen. Viele Hebammen können die Prämien aufgrund ihres ohnehin schon niedrigen Verdienstesnicht mehr erwirtschaften.

Der Versicherungsmarkt ist inzwischen so dezimiert, dass der Deutsche Hebammenverband zurzeit nur bis Juni 2016 eine Versicherung hat. Für die freiberuflich tätigen Hebammen ist diese Situation dramatisch, denn sie dürfen nur arbeiten, wenn sie eine ausreichende

Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Die Höhe der Prämien und die Verunsicherung über die Zukunft haben dazu geführt, dass viele Hebammen sich aus der Geburtshilfe zurückgezogen haben. Die Konsequenzen wurden bereits dargestellt.

Man könnte annehmen, dass die Haftpflichtprämien steigen, weil es mehr geburtshilfliche Schadensfälle gibt, für die Hebammen verantwortlich sind. Das ist nicht der Fall. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellte im Februar 2014 fest, dass es heute nicht mehr Geburtsschadensfälle gibt als früher. Dafür sind jedoch die Ausgaben für schwere Schäden drastisch gestiegen.

Das liegt zum einen daran, dass auch schwer behinderte Kinder dank des verbesserten medizinischen Fortschritts heute länger leben und somit die Kosten für ihren Lebensunterhalt gestiegen sind. Zum anderen sind auch Schadensersatzansprüche in die Höhe geschnellt. Während 2003 noch davon ausgegangen wurde, dass 2,5 Millionen € für die Regulierung eines Schadens ausreichen, deckt die DHV-Versicherung heute schon 6 Millionen € ab. Zudem lassen sich die Risiken aufgrund der Spätschadenproblematik nur sehr schwer kalkulieren: Wann wird ein Schaden gemeldet und was kostet eine Behandlung heute und in 10, 20 oder 30 Jahren? Bei Personenschäden gilt eine 30-jährige Verjährungsfrist in Deutschland.

Dabei ist die Anzahl in der Geburtshilfe freiberuflich tätiger Hebammen in den letzten Jahren zudem rückläufig. Das heißt, die kleine Gruppe der Versicherungsnehmer, sprich der Hebammen, nimmt eher ab als zu. Beim DHV haben sich zurzeit rund 2500 Hebammen für freiberufliche geburtshilfliche Leistungen versichert. Das zeigt, wie schwierig es ist, wenn diese kleine Gruppe allein für die im Einzelfall sehr teuren Schäden in der Geburtshilfe aufkommen muss.

Was ist bisher politisch passiert?

Krankenkassen sind seit 2012 gesetzlich verpflichtet, die Haftpflichtprämienerhöhungen auszugleichen. Das geschieht jedoch nur unzureichend.

Zwar erhöhen die Krankenkassen einzelne Vergütungspositionen nach meist zähen Verhandlungen mit den Hebammenverbänden. Doch vor allem Hebammen, die nur wenige Geburten im Jahr betreuen, können damit allein die Prämien nicht mehr erwirtschaften. Im Juni 2014 wurde deshalb der sogenannte Sicherstellungszuschlag gesetzlich festgeschrieben. Diesen sollen Hebammen ab Juli 2015 erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die Haftpflichtsumme aus den von ihnen geleisteten Geburtsbetreuungen nicht aufbringen können. Außerdem müssen sie dafür bestimmte Qualitätsnachweise vorlegen. Die Ausgestaltung des Sicherstellungszuschlages wird zurzeit mit den Krankenkassen verhandelt. Was fordert der Deutsche Hebammenverband?

  1. Ausgleichszahlungen und Sicherstellungszuschlag lösen das grundsätzliche Problem immer weiter steigender Prämien nicht. Sie können, wenn überhaupt, nur kurzfristig Abhilfe schaffen. Um dafür zu sorgen, dass es wieder mehrere Angebote auf dem Versicherungsmarkt gibt und die Prämien stabil bleiben, müssen alternative Haftpflichtstrukturen entwickelt werden. Der Deutsche Hebammenverband fordert einen Haftpflichtfonds, der für Schäden aufkommt, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. Damit könnte die Preisspirale bei den Prämien gestoppt werden.
  2. Freiberufliche Hebammen sollen von ihrem Beruf wieder leben können (siehe 1.)
  3. Hebammen in Kliniken sollen wieder genügend Zeit für die Begleitung von Geburten haben. Das heißt, die Arbeitsbedingungen müssen sich ändern.
  4. Nachwuchs soll für den Beruf begeistert werden.
  5. Jede Schwangere und Mutter soll von einer Hebamme betreut werden.

Quelle: Deutscher Hebammenverband e.V. www.unsere-hebammen.de Die Jusos RLP fordern:

Die Jusos RLP solidarisieren sich mit dem Deutschen Hebammenverband und unterstützen deren Forderungen. Die Politik muss dafür sorgen, dass die GKV nicht bestimmt, wie, wo und wann unsere Kinder zur Welt kommen. Der Bundesminister für Gesundheit und die Gesundheitsministerkonferenz sollen sich für die Hebammen stark machen, sie im Kampf um ihren Beruf und die Wertschätzung ihrer Arbeit unterstützen. Sie haben Sorge zu tragen, dass die Forderungen des DHV umgesetzt werden.

Aber wir gehen noch weiter. Der von dem Hebammenverband geforderte Haftpflichtfond muss zu 100% vom Staat getragen werden. Nur so kann die Leistung der Hebammen entsprechend gewürdigt und sie finanziell ausreichend entlastet werden.

Als nächsten Schritt fordern wir die die Einführung einer verpflichtenden, berufsgruppenübergreifenden genossenschaftlichen Haftpflichtversicherung für alle von den kassenärztlichen Vereinigungenzugelassenenselbstständig Tätigen im Gesundheitswesen.