Antragsteller*innen

LaVo / Kommission Antifa/Inneres

Zur Weiterleitung an

Bundeskongress, SPD-Landtagsfraktion, SPD Bundestagsfraktion

Antragstext

Die Architektur jungsozialistischer Asylpolitik

Auch heute, nach jahrelangem Massensterben im Mittelmeer und inmitten des Syrischen Bürgerkrieges, erleben wir in Deutschland tagtäglich einen unmenschlichen Umgang mit denjenigen, die ihre Flucht bis hierhin überlebt haben, der dem Mut, den Flüchtlinge aufgebracht, dem Leid, das sie auf ihrer Flucht erfahren haben, ja schlichtweg dem Menschsein unwürdig ist. Die deutsche und auch die europäische Asylpolitik sind nach wie vor von der Einstellung geprägt, dass es sich bei den Flüchtlingen ganz überwiegend um solche handelt, die keinen Schutz verdient hätten, die “nur“ eine wirtschaftliche Besserstellung suchen. Daraus leitet sich sich die primäre Zielsetzung der Abwehr und Abschottung ab. Doch selbst wer offiziell als Flüchtling anerkannt wurde, dem wird die realitätsferne Prämisse entgegengebracht, dass man nur vorübergehend Asyl suche, bevor man in die Heimat zurückkehre. Verkannt wird, dass eben diese Heimat in der Regel nicht länger existiert, sei es aufgrund ethnischer Säuberungen, klimatischer Veränderungen oder ökonomischer Rahmenbedingungen. Die Menschen, die zu uns kommen, sind gekommen, um zu bleiben – nicht aus freiem Entschluss, sondern weil sie ihre Heimat aus guten Gründen zurücklassen mussten. Diese Analyse muss auch Konsequenzen für praktisches politisches Handeln haben. Wer zu uns kommt, muss an unserer Gesellschaft teilhaben können – alles andere bedeutet nichts anderes als eine Rolle der Flüchtlinge als “Fremde” zu verfestigen.

Im Jahr 2001 verpflichteten sich die Staaten der Vereinten Nationen bis 2015 eine Reihe von humanitären, sozialen und ökologischen Zielen, die sogenannten Milleniumsziele, zu erreichen. Hierbei versprach Deutschland die Leistungen im Entwicklungshilfebereich auf 0,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Bisher ist allerdings lediglich eine geringe Erhöhung auf 0,4% umgesetzt worden, während beispielsweise die skandinavischen Länder mit nahezu 1% des jeweiligen BIPs eine weitaus stärkere Steigerung vollbracht haben (Stand 2013). Diese Thematik ist im Rahmen des zunehmenden Aufkommens von Asylbewerbern insofern relevant, als dass viele Menschen ihre Heimatländer gar nicht verlassen würden, wenn sie dort lebensermöglichende Bedingungen vorfinden würden. Daher fordern wir eine striktere Einhaltung der Milleniumsziele als präventive Maßnahme der Flüchtlingspolitik.

Wir fordern sichere Wege nach Europa statt Abschottung

Wie viele Kinder, Frauen und Männer ertrinken in diesen Minuten im Mittelmeerraum? Zehn, Einhundert, Eintausend? Wir wissen es nicht! Was feststeht ist, dass auch heute weiter gestorben wird. Flüchtlinge, beispielsweise aus Syrien, Eritrea, Afghanistan oder Somalia, stehen verzweifelt an Europas verschlossenen Grenzen; vor ihnen die tödlichste Grenze der Welt, das Mittelmeer. Die 366 Toten im Herbst 2013 und 700 Toten im Februar 2015 von Lampedusa waren nur einige von vielen tausenden in den letzten Jahren. Die Reaktion auf die Katastrophe von Lampedusa im Jahr 2013 war, dass Italien die Mission „Mare Nostrum“ ins Leben rief. Diese Rettungsmission war den EU-Ländern mit 9 Mio. € pro Monat zu teuer und wurde infolge dessen 2014 eingestellt. Auf „Mare Nostrum“ folgte keine weitere humanitäre Mission. Die EU rief im November 2014 “Triton“ ins Leben, eine unter dem Dach der EU- Grenzschutzagentur Frontex angesiedelte Mission. Ihr Ziel: Der reine Grenzschutz! Doch nur mit der Schaffung von legalen Fluchtwegen kann ein weiteres Ausweichen auf lebensgefährliche Routen verhindert werden. Dafür brauchen wir gefahrenfreie und legale Wege für Flüchtende nach Europa und dauerhaft laufende Programme zur menschenwürdigen Flüchtlingsaufnahme. Menschen, die um ihr Leben fürchten müssen, brauchen unseren Schutz!

Deshalb fordern wir Jusos:

1. Einführung desBotschaftsasyls

Wir fordern die Einführung des Botschaftsasyls für die Bundesrepublik Deutschland und alle weiteren Mitgliedsstaaten der EU. Die bisherige Rechtslage in Deutschland erlaubt es nicht, in den deutschen Botschaften der Herkunfts- oder Durchreisestaaten von Flüchtlingen einen Asylantrag zu stellen. Durch Botschaftsasyl wäre dies möglich; der Antrag würde in Deutschland im regulären Verfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach den Regeln des Asylrechts geprüft werden. Die Antragsstellung muss nicht notwendigerweise in der Botschaft im Herkunftsland gestellt werden. Dies ist mangels Vertretung in einigen Gegenden ohnehin nicht möglich und im akuten Fluchtfall kontraproduktiv. Flucht über Grenzen muss nach wie vor möglich bleiben. Das Botschaftsasyl minimiert die Gefahren für die Betroffenen und senkt gleichzeitig die Kosten für die Bundesrepublik Deutschland.

2. Abschaffung desFlughafenverfahrens

Wir fordern die Abschaffung des in Deutschland nach § 18a AsylVfG geltenden Flughafenverfahrens. Dieses Verfahren findet zurzeit an den Flughäfen München, Frankfurt am Main, Berlin und Düsseldorf statt. Auch die hier ankommenden Menschen haben das Recht auf ein normales Asylverfahren. In dem Flughafen-Asylschnellverfahren können sich die Asylsuchenden oft nur unzureichend auf die Befragungen durch die zuständigen Behörden vorbereiten. Das führt zum Beispiel dazu, dass sie in der Eile nicht all ihre Fluchtgründe nennen, die ihr Asylgesuch begründen würden. Die Folge kann die Ablehnung, trotz eines bestehenden Asylanspruchs sein.

3. FährenstattFrontex–MenschenschutzstattGrenzschutz

Anstatt das Retten hunderter Menschenleben auf die ohnehin geschwächten Anrainerstaaten des Mittelmeeresabzuwälzen, solltendie EU-Ländergemeinsam Verantwortung übernehmen und eine dauerhafte humanitäre Mission zur Seenotrettung auflegen. Die strafrechtliche Verfolgung von couragierten Seeleuten, die havarierten Flüchtlingen zu Hilfe kommen, muss endlich aufhören. Triton muss durch eine wirkliche Seenotrettungsmission ersetzt werden, die speziell darauf angelegt ist Flüchtlinge zu schützen. Ähnliche Beschlüsse der EU, wie der vom 17. Juni 2015, der die bestehenden Militäroptionen in Mali und im Sudan in Grenzsicherungsmaßnahmen umwandelt, dürfen nicht umgesetzt werden. Solche völker- und europarechtlich höchst fragwürdigen Beschlüsse sollen Migrant_innen in den Transitstaaten abfangen und schon dort daran hindern in die EU einzureisen. So wird verhindert dass eventuell Asylberechtigte überhaupt europäischen Boden betreten können, was allerdings nach geltender Rechtslage notwendig ist, um einen Asylantrag stellen zu können. Eine Maßnahme, die in die gleiche Richtung zielt, ist die beschlossene verstärkte Kooperation mit der Türkei hinsichtlich der Situation in Syrien und dem Irak. Es ist geplant die Türkei noch stärker in den Grenzschutz der EU zu integrieren, damit Asylberechtigte nicht über die türkisch-bulgarische oder türkisch-griechische Landgrenze auf europäischen Boden gelangen können. Grund ist auch hier, dass die Voraussetzungen zur Stellung eines Asylantrags gar nicht erst geschaffen werden sollen. Auch diese Maßnahme darf im Interesse der Flüchtenden nicht umgesetzt werden. Kriegsflüchtlingen, wie aus Syrien und dem Irak, darf der Weg in die EU nicht versperrt werden.

Wir fordern daher eine echte europäische Seenotrettungsmission einzuführen, die speziell für das Retten von Asylsuchenden im Mittelmeer ausgestattet und ausgebildet ist. Alle militärischen Abschreckungsmaßnahmen und Abschottungskooperationen mit Drittstaaten müssen abgeschafftbeziehungsweiseeingestelltwerden.

4. Das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates

Bislang regelt die Dublin-III-Verordnung, welcher Mitgliedsstaat in der EU für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig ist. Flüchtende können sich den Staat nicht selbst aussuchen, sondern müssen ihren Antrag in demjenigen Staat stellen, in dem sie zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben. Dies sind regelmäßig die Staaten der EU- Außengrenzen wie Bulgarien, Italien, Malta oder Griechenland. In der Praxis gilt das Dublin- System als gescheitert, trotzdem wird von der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten daran festgehalten.

Wir lehnen das ungerechte Dublin-System weiterhin ab.

Auf europäischer Ebene wird ihm Rahmen eines Pilotprojekts die zeitweise Abkehr von den Dublin-Regelungen zugunsten einer einmaligen quotierten Verteilung von Flüchtlingen diskutiert. Für die geplante EU-Quote wurden das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosenquote, die Größe des Mitgliedsstaates und die bisherige Zahle der Asylbewerber_innen berücksichtigt. Der Verteilungsschlüssel zielt darauf ab, dass jeder Mitgliedsstaat der EU gerecht an der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa beteiligt wird. Der Schritt weg von einer einseitigen Belastung einzelner Staaten ist zu begrüßen. Hier liegt aber auch das Problem dieses neuen Ansatzes: Er berücksichtigt nur den Ausgleich zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und nicht das Wohl der Flüchtlinge. Humanitäre und individuelle Gesichtspunkte für eine Flüchtlingsaufnahme werden außer Acht gelassen.

Für eine humanitäre Flüchtlingspolitik müsste auch berücksichtigt werden, ob in den jeweiligen Staaten schon gewachsene Communities aus den jeweiligen Herkunftsländern bestehen beziehungsweise, ob ein Netzwerk von Verwandten oder engen Bekannten besteht, die den Flüchtenden die Ankunft enorm erleichtern können. Des Weiteren sollte beachtet werden, ob es den Migrant_innen möglich sein wird in den jeweiligen Ländern Arbeitsplätze zu finden oder ob es soziale Sicherungssysteme gibt, die ein Existenzminimum garantieren können. Wichtig ist auch wie stark rassistische Tendenzen in der heimischen Bevölkerung vorhanden sind, die die Flüchtlinge gefährden könnten. Teilweise liegt die Wahl von Zielländern auch in der kolonialen Vergangenheit begründet. Untersuchungen haben ergeben, das in dieser Zeit entstandene Verbindungen betreffend Sprache, sozialen Netzwerken und bestehende Handelsbeziehungen zwischen dem Herkunftsland und dem Aufnahmestaat ein starkes Motiv für die Wahl des Mitgliedsstaates durch den Asylsuchenden sein können. Diese Verantwortung aus ihrer Geschichte heraus müssen die betreffenden Staaten annehmen.

Das Dublin System selbst, aber auch die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage, haben dazu geführt, dass zahlreiche EU-Länder ihre Schutzstandards senken und einige überhaupt keine Asylanträge mehr annehmen. In der Folge müssen Flüchtende in diesen Staaten systematisch unter unmenschlichen Bedingungen leben. Diese gravierenden Unterschiede in den europäischen Asylsystemen bestehen noch immer. Es wird wohl auch in naher Zukunft keine einheitlichen Asylstandards in Europa geben und die Quote alleine wird dieses Problem nicht lösen können. Eine wirklich gerechte Verteilung der Flüchtlinge ist nur möglich, wenn die Schutzstandards und Garantien des Asylverfahrens in den EU-Mitgliedsländern vergleichbar sind. Wir fordern daher eine Harmonisierung und Angleichung nach oben. Die Wahrscheinlichkeit als Flüchtling anerkannt zu werden und die Lebensqualität darf nicht davon abhängen in welchem EU-Land der Antrag gestellt wird.

Zudem fordern wir, dass der bisherige Schlüssel für die Verteilung von Flüchtlingen auf die kreisfreien Städte und Landkreise angepasst und so eine angemessenere Lastenverteilung auf die einzelnen Gebietskörperschaften ermöglichst wird. Maßgeblich soll neben der Mietpreisentwicklung und dem vorhandenen Leerstand auch die demografische Entwicklung der entsprechenden Regionen sein.

Erhebliche Bedenken haben wir aktuell auch wegen dem latenten gesellschaftlichen Rassismus, der in einigen EU-Ländern staatlich protegiert oder eigens ausgeführt wird. Solch ein Klima muss verhindert beziehungsweise bekämpft werden, damit Flüchtlinge sichnicht faktisch zur Weiterreise in einen anderen Mitgliedsstaat gezwungen sehen. In einem solchen Klima würde die freie Wahl des Ziellandes für Länder einen Anreiz setzen die Situation für Flüchtlinge so weit zu verschlechtert, damit diese möglichst ein anderes Land zur Einreise suchen. Solche rise-to-the-bottom Effekte müssen vermieden und stattdessen die solidarische Aufgabenteilung zwischen allen Länder klar im Mittelpunkt stehen.

Wir fordern daher kurzfristig die Einführung eines Quotensystems, welche alle EU-Länder an der Aufnahme von Flüchtlingen gerecht beteiligt. Die Aufnahmequote soll sich nach der Größe, wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Arbeitslosenzahlen und Bevölkerung jedes Landes richten. Es muss außerdem gewährleistet sein, dass Flüchtlinge Priorisierungen für Zielländer abgeben dürfen. Dabei sollen Kriterien, wie Sprachkenntnisse, persönliche Bindungen an oder Erfahrungen mit einem bestimmten Land zwingend berücksichtigt werden.

Längerfristig fordern wir aber die freie Wahl des Mitgliedsstaates durch die Flüchtenden. Mit diesem System könnten sich die betroffenen Menschen selbst aussuchen in welchem Staat in der EU sie leben wollen. Natürlich würde dieses System nicht zu einer solch gerechten Aufteilung der Flüchtlinge zwischen den Mitgliedsstaaten führen, wie das Quotensystem, aber dafür könnten Maßnahmen über finanzielle Ausgleichszahlungen für Mitgliedsstaaten geschaffen werden, die unverhältnismäßig hoch in Anspruch genommen würden. Außerdem würden unverhältnismäßige Belastungen weniger ins Gewicht fallen, weil die Asylsuchenden durch ihre familiären und bekanntschaflichen Netzwerke aufgenommen und unterstützt würden. Nur eine Berücksichtigung von individuellen Interessen der Flüchtlinge respektiert diese als Menschen

Ein weiterer Vorteil des Prinzips der freien Wahl des Mitgliedsstaates wäre die Legalisierung der Binnenwanderung der Flüchtlinge im Gegensatz zur jetzt vorherrschenden irregulären Weiterwanderung innerhalb der EU. Die irreguläre Weiterwanderung in der Union ist inzwischen Bestandteil der zwischen Flüchtenden und ihren Schleppern ausgehandelten Bedingungen. Das geltende Dublinsystem, sowie das erwogene Quotensystem können wegen ungenügender Berücksichtigung individueller, familiärer, sozialer und kultureller Interessen der Flüchtlinge eine Weiterwanderung nicht verhindern. Eine starre Verteilung auf beliebige Mitgliedsstaaten würde dieses Phänomen eventuell noch verstärken, weil sie zum Teil größere Wege zurücklegen müssten, um in das von ihnen favorisierte Land zu gelangen. Es würde ihnen dadurch nur erschwert werden und sie wären schutzlos auf ihrem illegalen Weg durch Europa. Ein Untertauchen nach der ersten Meldung wäre weiterhin üblich, um zu den aus der Heimat bekannten sozialen Netzwerken in Europa zu gelangen. Eine geregelte Binnenwanderung in der Union durch das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates würde den Schutz der Asylsuchenden sicher stellen.

Wir fordern kurzfristig die Einführung eines Quotensystems, welches alle EU-Länder an der Aufnahme von Flüchtlingen gerecht beteiligt. Es muss außerdem gewährleistet sein, dass Flüchtlinge Priorisierungen für Zielländer abgeben dürfen. Langfristig fordern wir das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates einzuführen.

5. „Sichere“ Drittstaaten

Wir lehnen das Konzept der sicheren Drittstaaten ab. Niemand lässt grundlos sämtliche sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bindungen zurück und verlässt die Heimat. Schaut man sich die Situation in den sogenannten „sicheren“ Herkunftsländern an, so sieht man eine strukturelle Diskriminierung und auch Verfolgung von Minderheiten, wie den Roma, und damit durchaus Asylgründe! Kein Mensch kann in dieser Situation als sicher in seiner eigenen Heimat gelten. Dies zeigt sich auch in den Aufnahmequoten anderer EU-Länder. Die Schweiz und Finnland zum Beispiel erkennen ca. 40% der Flüchtenden aus dem Kosovo als Asylberechtigte an, im Fall von bosnischen Antragsteller_innen liegt die Anerkennungsquote in Frankreich und Belgien bei ca. 20%. Die erheblich geringeren Aufnahmequoten in Deutschland zwischen 0,0 und 0,3% werfen mehr Fragen über das Asylsystem Deutschlands, als die Geflüchteten auf.

Ein Schnellverfahren nur aufgrund der generellen Einstufung des Herkunftslands als ,,sicher“ steht im krassen Widerspruch mit der Garantie der Einzelfallbetrachtung und wirft damit auch rechtliche Bedenken auf. Das Konzept ,,sicherer Drittstaat“ beinhaltet außerdem die Möglichkeit eines Einreise- und Aufenthaltsverbot, das dauerhaft EU-weit gilt und damit verbundene strafrechtliche Sanktionierung vorsieht. Außerdem wird durch das Konzept der sicheren Herkunftsländer die Duldung von jungen Menschen zu Ausbildungszwecken grundsätzlich ausgeschlossen, wodurch grade junge Menschen zusätzlich diskriminiert werden. Dieses Vorgehen ist schlicht unverhältnismäßig, und die Ausweitung einer solchen rein diskriminierenden Praxis kann, wie die Äußerungen seitens CSU auch Leistungskürzungen und Beschäftigungsverbote einzuführen, in Zukunft uferlos betrieben werden.

Aus diesem Grund fordern wir die Abschaffung der Einstufung sicherer Drittstaaten.

6. Teilhabe von Flüchtlingen

Der einzige Unterschied zwischen dir, mir und einem Flüchtling? Genau, wir haben einen europäischen Pass. Keine besonders herausragende Eigenschaft und schon gar keine eigene Leistung. Es ist daher für uns schlichtweg unmenschlich, dass Flüchtlinge, Asylbewerber_innen und Geduldete nicht die gleichen Rechte, wie wir haben. Wir wollen, dass allen die gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft möglich ist. Voraussetzung dafür ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Die Bereiche Unterbringung, Bildung, staatliche Leistungen und Arbeitsmarkt bedürfen wichtiger Verbesserungen.

6.1 Unterbringung

Die Unterbringung von Flüchtlingen wird in jedem Bundesland anders geregelt. Während in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 2013 zum Beispiel über 90% der Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht wurden, sind es in Baden-Württemberg nur rund ein Drittel. Auch wenn sich die Zahlen durch die ansteigenden Flüchtlingszahlen mittlerweile verändern, zeigen sie doch, dass die Unterbringung je nach Bundesland eigenen Grundsätzen folgt. Da aber die Verteilung von Flüchtenden zufällig erfolgt, ist es ein Glücksspiel für den Flüchtling wo er oder sie nun landet. „Eine bundesweite Umverteilung von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen lehnen wir ab. Sie werden während des Verfahrens, was besonders darauf ausgelegt sein sollte, ihnen zunächst einmal ihre Unsicherheit zu nehmen und einen Sicherheitsraum zu schaffen, in dem sie zur Ruhe kommen können (was das wichtigste Ziel in der ersten Phase sein muss) hin- und hergeschoben. Gerade durch diese „mathematische Verteilung“ und der durch die „Verschiebung“ erzeugte Unsicherheit ist die Wahrung des Kinderwohles massiv in Frage gestellt. Auf soziale Bindungen, Wünsche oder Bedürfnisse wird dabei nicht eingegangen. Gerade Minderjährige stellen eine besonders schutzbedürftige Gruppe dar. Traumatisierungen treten gehäuft auf. Auch flüchten sie oft in Gruppen mit anderen Minderjährigen oder Jugendlichen, die die Funktion einer Ersatzfamilie einnimmt. Diese einzig verbleibende Konstante durch die erneute Umverteilung zu zerstören lehnen wir strikt ab.

Durch verschiedene internationale Konventionen und Vereinbarungen, europäischen Richtlinien und deutschen Verordnungen und Gesetzen wird nicht nur die Rechtslage kompliziert – vielfach stehen mehrere Gesetzesgüter auch noch konträr zueinander. Vor allem 16- und 17-jährige sind in einer besonderen Situation, da sie für ihren Asylantrag selbst verfahrensberechtigt sind, selbst aber nach Inobhutnahme von einem Vormund vertreten werden. Es kollidieren also alleine des Gesetzes wegen die Stellung als verfahrensberechtigter „Erwachsener“ und der Vormundschaft. Darüber hinaus befinden sich diese Menschen in der Situation, dass sie nach einer langen, entbehrungsreichen Flucht gefangen sind zwischen einem Autonomiebestreben, dass sich durch das „alleine durchschlagen“ entwickelt hat, und der Suche nach Hilfe.

Wir fordern, dass die zusätzlichen finanziellen Belastungen der betroffenen Kommunen zwischen den Bundesländern geregelt wird. Geld darf gerne verschoben – Menschen nicht.

Wir fordern eine Harmonisierung der Unterbringungsstandards nach oben.

Fundamental ist dabei, dass wir die zentralisierte Unterbringung, abseits von der Erstaufnahme, in Lagern ablehnen. Der Aufenthalt in einer Erstaufnahmestelle ist auf die kürzest mögliche Zeit zu beschränken. Asylbewerber_innen sollten so schnell wie möglich in eine normale Wohnung ziehen dürfen. Bestehende sogenannte Gemeinschafts- oder Sammelunterkünfte sind zu schließen. Es wird von den Ländern kein Hehl daraus gemacht, dass diese vor allem der Abschreckung durch schlechte Lebensbedingungen dienen. Das dies bei Menschen, die um ihr Leben fürchten müssen keine Wirkung erzielt, sollte eigentlich jeder_m klar sein. Da dreigliedrige Unterbringungssysteme auf der zweiten Ebene eine Verpflichtung für Gemeinschaftsunterkünfte vorsehen, lehnen wir diesen Aufbau ab. Mit der dezentralen Unterbringung ist für uns aber auch nicht die Praxis einiger Länder gemeint, Flüchtlinge möglichst abgelegen in kleine Dörfer zu verteilen. 

Wir fordern, dass die Unterbringung dezentral aber eingebunden erfolgen muss, also die tatsächliche Möglichkeit Einkäufe, medizinische Versorgung, Bildungs- und Kulturangebote etc. wahrnehmen zu können.

All diese Maßnahmen setzen voraus, dass genug bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Durch jahrelange Reduzierung von Unterbringungskapazitäten waren die heute so oft von Gemeinden und Ländern beklagten Schwierigkeiten bei der Unterbringungen absehbar und hausgemacht. Die Unterbringung von Flüchtlingen kann also nicht ohne die Wiederaufnahme des sozialen Wohnungsbaus gedacht werden. Darüber hinaus soll flexibler Wohnraum geschaffen werden, welcher die Gemeinden in die Lage versetzt, auch bei kurzfristigen Schwankungen der Flüchtlingszahlen Wohnraum zu schaffen, ohne das auf Notunterkünfte aus Zelten zurückgegriffen werden muss oder Flüchtende gar auf der Straße verbleiben müssen. Auch sind verstärkt zivilgesellschaftliche Unterstützung bei der Wohnungssuche oder Aufnahme in WGs oder Privatwohnungen zu fördern. Dies ermöglicht Flüchtlingen direkten sozialen Kontakt und erleichtert die Eingewöhnung in einer unbekannten Umgebung.

Wir fordern außerdem die Einführung eines Übergangsmanagements.

Einem jeden Flüchtling ist zur Eingewöhnung Hilfestellung zu geben, das bezieht sich von dem Kennenlernen der Umgebung, hin zu Einkaufmöglichkeiten oder der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Nur durch solche praktische Unterstützung ist ein selbstbestimmtes Leben möglich. Wir begrüßen die Abschaffung der Residenzpflicht in einzelnen Bereichen. Dies ist aber bislang nur Flickwerk. Da sich Flüchtlinge sowieso regelmäßig an dem ihn zugewiesenen Ort zu melden haben, um bürokratische Verfahren durchzuführen, ist die Residenzpflicht reine Schikane. Deshalb fordern wir die Aufhebung der Residenzpflicht im gesamten Bundesgebiet.

Wir fordern außerdem, dass Kommunen die Kosten der Unterbringung nicht mehr pauschal sondern tatsächlich abrechnen dürfen. Das Pauschalsystem kommt in den Bundesländern zu sehr unterschiedlichen Sätzen pro Kopf, die wohl hauptsächlich auf politischen Kompromissen, statt auf nachvollziehbaren, offengelegten und tatsächlichen Bedarfen beruhen. Dies führt zu einem massiven Druck der Kommunen Ausgaben zu senken– im wahrsten Sinne des Wortes auf Kosten der Flüchtlinge. Auf regional unterschiedliche Bedingungen, wie Wohnungsmarkt oder Verkehrsanbindung und daraus entstehenden Folgekosten, wird keinerlei Rücksicht genommen.

Bis heute gibt es nicht in allen Bundesländern Mindeststandards für die Unterbringung. Und selbst dort wo sie existieren, sind diese oft windelweich. Es kann daher auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Unterbringung überall dort schlecht ist, wo keine Standards bestehen und dort gut, wo es solche auf dem Papier gibt. Wir kritisieren vielmehr, dass in Deutschland bis heute gar keine Einigung über diese gefunden werden konnte – und dabei geht es um so banales wie eine Toilette in jeder Wohnung. Wir fordern daher die Schaffung von Mindeststandards zur Unterbringung, welche mindestens folgende Bereiche abdecken: Mindestwohn- und Schlaffläche, Anzahl der pro Raum untergebrachten Personen, abgeschlossene Wohnbereiche, Sanitär- und Kochbereiche pro Person, Gemeinschaftsräume und Freizeitmöglichkeiten.

Wir lehnen Abschiebehaft ab. Abschiebehaft ist eine Erleichterung des Aktes der Abschiebung für die Behörden und dient u.a. auch der Abschreckungskultur. Aktuell kann bei einer angeordneten Abschiebung ein Flüchtling bis zu 18 Monate in Haft genommen werden. Vom EuGH wurde 2014 geurteilt, dass die deutschen Abschiebegefängnisse unrechtmäßig sind. Gesetzlich soll ein milderes Mittel immer vorgezogen werden, um die Abschiebung umzusetzen. Jede Inhaftierung der Bundespolizei oder Ausländerbehörde muss begründet sein, um Willkür zu verhindern. Durch die letzten Gesetzesänderungen wurde zusätzlich der Ausreisegewahrsam eingeführt und die Haftgründe praktisch auf jeden Asylbewerbenden ausgeweitet. So reicht die Einreise über einen anderen EU-Staat oder die Zahlung von erheblichen Summen an eine_n Schleuser_in zur Inhaftierung. Das sind aber praktisch nahezu die einzigen Möglichkeiten überhaupt nach Deutschland zu kommen und kriminalisiert Fluchtdamitinsgesamt.

Wir Jusos fordern, dass die Abschiebehaft, als auch das Ausreisegewahrsam abgeschafft werden.

Wir fordern also insgesamt bezüglich Unterbringung:

  • Dass die Unterbringung dezentral aber eingebunden erfolgen muss, also die tatsächliche Möglichkeit Einkäufe, medizinische Versorgung, Bildungs- und Kulturangebote etc. wahrnehmen zu können.
  • Eine Harmonisierung der Unterbringungsstandards nach oben.
  • Die Aufhebung der Residenzpflicht im gesamten Bundesgebiet.
  • Dass die Kommunen, die Kosten der Unterbringung im tatsächlichen Wert abrechnen dürfen.
  • Die Schaffung von Mindeststandards bei der Unterbringung.
  • Abschaffung der Abschiebehaft.

Zur Reduzierung langfristiger Ungewissheit auf Seiten der Asylbewerber und zur Senkung von Unterbringungs- sowie Verwaltungskosten fordern wir eine schnellstmögliche Entscheidungsfindung bei Asylverfahren. Hierzu ist eine personelle Aufstockung der zuständigen behördlichen Stellen nötig. Es sind in diesem Bereich zwar schon Fortschritte zu verzeichnen, jedoch dauert das durchschnittliche Verfahren in Deutschland noch immer mehr als sieben Monate. In diesem Zeitraum kann der Asylbewerber meistens keiner Arbeit nachgehen und kann tagtäglich abgeschoben werden. Daher unterstützen wir das Ziel der Bundesregierung, die Verfahrensdauer auf drei Monate zu verkürzen.

6.2 Bildung

Die Bildung von Flüchtlingen, egal ob bei Kindern oder Erwachsenen, sollte mit im Mittelpunkt der Integration vor Ort stehen. Darunter zählen die frühkindliche Bildung, die Schule, der Erwerb der Sprache oder auch Dinge, wie zum Beispiel die Anerkennung von Bildungsabschlüssen für den Zugang zum Arbeitsmarkt, beziehungsweise den Erwerb des Führerscheins.

6.2.1 Kindertagesstätten/ Kindergarten

In Deutschland sollte jedes Kleinkind, das mit seiner Familie nach Deutschland kommt, ab dem ersten Lebensjahr das Anrecht auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung haben, genauso wie jedes andere Kind in Deutschland. Dieses Anrecht sollte bestehen, sobald die Familie mit dem Kind die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen kann. Erst ab dem Zeitpunkt kann größtenteils gewährleistet werden, dass das Kind dauerhaft in einer Gruppe bleiben kann. Das Anrecht ist sehr wichtig, damit die Kinder von Beginn an die Möglichkeit haben, gemeinsam mit anderen Kindern und nicht abgeschottet in ihren Familien aufzuwachsen. Sie lernen andere Kinder kennen und erlernen die deutsche Sprache durch Kontakt und Beziehung zu Gleichaltrigen. So beginnt die Integration in die Gesellschaft vor Ort direkt. Um den Kindertagesstätten optimale Bedingungen für alle Kinder zu schaffen, begrüßen wir Initiativen, wie die Einrichtung sogenannter ,,Willkommenskitas“, welche mit Sensibilisierungs- und Qualifizierungsangeboteneinhergehen.

Um vermehrte Konkurrenz um Kita-Plätze zu vermeiden, fordern wir die Aufstockung von KiTa-Plätzen, damit es für alle Kinder die Möglichkeit auf einen solchen Platz gibt.

Wir fordern außerdem die Qualifizierung und finanziell bessere Entlohnung des KiTa- Personals, damit trotz der Herausforderungen eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuungermöglichtwird.

6.2.2 Grundschulen/ weiterführende Schulen

In Deutschland herrscht allgemeine Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter. Aus diesem Grund gilt dieses Recht auch für Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Allerdings ist dieses Recht in den Bundesländern deutlich unterschiedlich ausgestaltet, beziehungsweise noch gar nicht für Flüchtlinge speziell geregelt, wie in Bremen oder Schleswig Holstein. In diesen beiden Ländern besteht Schulpflicht für alle, die eine Wohnung in diesen Bundesländern haben, woraus dort die Schulpflicht für Asylsuchende abgeleitet wird. So unterliegen Asylsuchende in den drei Bundesländern Berlin, Hamburg und Saarland von Anfang an der Schulpflicht. In den sechs Ländern Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland Pfalz besteht die Schulpflicht, sobald ein_e Asylsuchende_r nicht mehr verpflichtet ist, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen bzw. einer Gemeinde zugewiesen wurde. In Bayern und Thüringen tritt die Schulpflicht drei Monate, in Baden-Württemberg sechs Monate nach Zuzug ein. Sachsen und Sachsen-Anhalt normieren keine Schulpflicht, sondern lediglich ein Schulbesuchsrecht. Dies bedeutet, dass in diesen Ländern keine Garantie darauf besteht, dass diese Kinder tatsächlich beschult werden.

Aus diesem Grund fordern wir, dass mindestens nach der Erstaufnahme, für die Kinder und Jugendlichen eine Schulpflicht besteht, sie also das Recht darauf haben beschult zu werden.

Dies ist ohne Kenntnisse der deutschen Sprache sehr schwierig und von Schulen wird oft der Grund einer Kapazitätsauslastung vorgeschoben, um keine minderjährigen Flüchtlinge aufnehmen zu müssen.

Deshalb fordern wir Jusos die Ausweitung der sogenannten „Sprachlernklassen“.

Diese sollten in Erreichbarkeit für alle an zentralen Schulen geschaffen werden. Sie sollen das Erlernen der Sprache zusammen mit der Weiterbildung und das „Mitkommen“ beim Stoff erleichtern. Hierbei gibt es in den Ländern unterschiedliche Konzepte. In verschiedenen Bundesländern wird nach dem sogenannten niedersächsischen Erlass mit dem Titel “Integration und Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ eine Sprachlernklasse eingerichtet, wenn eine Schule von mindestens zehn solcher Schüler_innen besucht wird. „Sprachlernklassen können auch jahrgangsübergreifend sein, wobei maximal 16 Schüler_innen eine Sprachlernklasse besuchen können. Der Unterricht soll auch fachbezogen und in enger Abstimmung mit dem Unterricht in den Regelklassen erteilt werden; in ausgewählten Fächern sollen die Schüler_innen am Unterricht der künftigen Regelklasse teilnehmen. Die Einrichtung von zentralen Sprachlernklassen im Sekundarbereich I und II ist an zentralen Schulstandorten in einer Region auch jahrgangs- und schulformübergreifend möglich. Der Besuch einer Sprachlernklasse dauert in der Regel ein Jahr, kann aber entsprechend dem Stand der Deutschkenntnisse verkürzt werden. Bei Schüler_innen der Jahrgänge 8 bis 10 kann die Besuchsdauer generell auf zwei Jahre verlängert werden“.

In Sachen Schule fordern wir also insgesamt:

  • Dass mindestens nach der Erstaufnahme für Kinder und Jugendlichen eine Schulpflicht besteht, sie also das Recht darauf haben beschult zu werden.
  • Wir fordern außerdem die Ausweitung der sogenannten „Sprachlernklassen“.

6.2.3 Universität/ Hochschule

Genauso, wie die Möglichkeit eines Schulbesuches, sollte Flüchtlingen nach Erwerb des Abiturs oder bei Vorliegen eines vergleichbaren Abschlusses, die tatsächliche Möglichkeit offen stehen ein Hochschulstudium abzulegen. Solchen Personen, die bereits ein angefangenes Hochschulstudium in einem anderen Land vorweisen können, muss die Weiterführung in Deutschland problemlos möglich sein. Voraussetzung hierfür ist die Beratung über das Studium in Deutschland allgemein, als auch die Bewerbung, Einschreibung etc. im individuellen Fall. Wichtig sind außerdem das Vorhandensein studiumsvorbereitender Sprachkurse. Auch der Zugang zu BaföG muss gewährleistet werden. Zulassung von Flüchtlingen zu Studiengängen auch ohne Unterlagen nach Eignungstest.

Wir sind überzeugt: Menschen, die sich in einer Ausbildung jeglicher Art befinden, sind das größte und wichtigste Potenzial für die Zukunft einer Gesellschaft. Durch Einbindung in das Bildungssystem erhalten Menschen nicht nur die Fähigkeit, sich besser zu integrieren und an der Gesellschaft teilzuhaben, sie tun es auch bereits. Durch die Erfahrungen, die Zuwanderer aus anderen Kulturen mitbringen, sind sie zudem eine Bereicherung für das deutsche Bildungssystem, die in dieser Art und Weise niemals durch ein staatliches Angebot geleistet werden könnte. Hinzu kommt, dass Personal und Finanzmittel der Schulen und Ausbildungsbetriebe verschwendet würden, wenn Auszubildende plötzlich gezwungen sind, die Ausbildung abzubrechen. Es muss für beide Seiten Planungssicherheit gewährleistet sein. Deshalb fordern wir ein Abschiebeverbot für Menschen, die Teil des Bildungssystems sind, in dem sie beispielsweise eine Schule besuchen, eine Ausbildung machen oder an einer Hochschule eingeschrieben sind. Der Schul-, Berufs- oder Studienabschluss in Deutschland muss zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis führen. 

6.2.4 Sprachkurse

Der Erwerb der Sprache ist für die gesellschaftliche Teilhabe, die Weiterbildung, den Zugang zum Arbeitsmarkt und im alltäglichen Leben unabdingbar. Der Besuch eines sogenannten “Integrationskurse“ ist jedoch erst nach Gewährung von Asyl möglich. Bis dahin ist der Zugang zu offiziellen Kursen nicht möglich. Dieser Zugang kann vor der Anerkennung nur durch ESF-Kurse geschehen, die je nach Kurs allerdings bestimmte Zugangsvoraussetzungen haben und mit einem hohem bürokratischen Aufwand im Vorhinein beginnen. Dies stellt für Bildungsträger_innen einen enormen Verwaltungsmehraufwand dar. Derzeitige Alternativen bieten oft ehrenamtlich geleitete Sprachförderkurse. Die Möglichkeit des Besuches eines Sprachkurses ab dem Tag nach der Ankunft ist wichtig, damit sich die Menschen, auch wenn sie vielleicht nicht bleiben dürfen, in Deutschland einfinden können und so erst die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass sie ihren Fall vorbringen und ihre Rechte ausüben können. Dies muss auch in ländlichen Gebieten mit Mobilitätshemmnissen garantiert werden.

Deshalb fordern wir: Integrationskurse und Sprachkurse müssen für Asylbewerber_innen vom ersten Tag an zugänglich sein.

6.2.6 Fahrradschulung

Mobilität ist für Flüchtlinge von essentieller Bedeutung. Vieles können sie über den öffentlichen Nahverkehr erreichen – ein Fahrrad ist aber genauso wichtig. Mittlerweile häufen sich allerdings die Unfälle von Flüchtlingen, die mit den Regeln des Straßenverkehrs nicht vertraut sind, weshalb Verwaltungen zurückhaltender mit der Bereitstellung von Fahrrädern werden. Das ist die falsche Konsequenz: Wir fordern deshalb, dass Flüchtlinge direkt zu Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland spätestens aber bei ihrer Zuweisung sowohl in der Nutzung des ÖPNV als auch in den Regeln des öffentlichen Nahverkehrs für Fahrradfahrende von Seiten der Verwaltung unterrichtetwerden.“

6.2.7 Führerschein

Arbeitsplatz und die Mobilität auf dem Land sehr wichtig. In Deutschland kann der Führerschein neben Deutsch auch in 11 weiteren Sprachen abgelegt werden. Diese sind: Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch und Türkisch. Viele Flüchtlinge/Asylbewerber_innen kommen allerdings aus Ländern, in denen zum Beispiel Arabisch Landessprache ist.

Deswegen fordern wir zur Erleichterung des Erwerbs die Möglichkeit die theoretische Führerscheinprüfung zusätzlich zu den elf anerkannten Sprachen auch auf weiteren durchführenzu können.

6.2.8 Anerkennung von Bildungsabschlüssen

Viele hier ankommende Menschen sind gut oder hoch gebildet. Auch wenn im Bereich Anerkennung in letzter Zeit viele Verbesserungen zu verzeichnen sind, können Kompetenzen oft nicht anerkannt werden, beziehungsweise die Möglichkeiten zur Anerkennung werden durch hohe bürokratische Hürden genommen. So kostet die formale Anerkennung, die für Feststellung eines Bildungsabschlusses nötig ist, wie zum Beispiel die Übersetzung der Dokumente, mehrere hundert Euro, die von den Menschen selbst getragen werden müssen. Dieses Geld können sie natürlich nichtaufbringen, wodurch diese Anerkennung oft nicht möglich ist. Vielen ist dieses Verfahren auch unbekannt, so dass die Gefahr besteht, dass viele in den Niedriglohnbereich „einsteigen“ und dort verhaftet bleiben. Die Anerkennung und Feststellung eines Abschlusses ist für Menschen somit eine Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der ihrer Qualifikation entsprechend ist.

Wir begrüßen ausdrücklich auch Initiativen, welche die Anerkennung non- und informeller Kompetenzen ermöglichen. Über den tatsächlichen Nachweis von Kenntnissen in Lernergebniseinheiten, können so auch Menschen, die praktische Kompetenzen haben ohne jedoch je ein Zertifikat oder offiziellen Berufsabschluss erworben zu haben, diese auch zukünftig in Deutschland ausüben.

Wir fordern daher, dass diese Anerkennung von Berufsabschlüssen kostenlos ist. Wir begrüßen außerdem die Möglichkeit durch Arbeitsproben, durch erleichterten Zugang zur Ablegung von Abschlussprüfungen, der Einführung von Kenntnissprüfungen oder ähnlichem bei Fehlen von Zeugnissen die Qualifikation anderweitig nachweisen zu können.

6.2.9 Zugang zu Sport- und Vereinswesen

Zu Teilhabe zählen auch die Bildung sozialer Kontakte und der Umgang mit Gleichaltrigen. Dies geschieht vor allem beim Sport oder anderen Freizeitausgleichen in Vereinen. Der Zugang dazu ist meist mit Mitgliedsbeiträgen verbunden, die von den Flüchtlingen selbst oft nicht getragen werden kann. So bleibt vielen dieser Zugang verschlossen. Vielerorts ist es so, dass Vereine einen kostenfreien Zugang von sich aus ermöglichen, jedoch sollte dieses Konzept des kostenfreien Zugangs die Regel nicht die Ausnahme sein.

Deswegen fordern wir einen kostenfreien Zugang zu Sport- und Vereinswesen. Dieser kostenfreie Zugang soll so lange gewährleistet sein, bis die Person finanziell selbstständig ist.

7. Teilhabe durchArbeit

Wesentliches Medium gesellschaftlicher Teilhabe in Deutschland ist eine sinnvolle und würdevolle Beschäftigung. Auch eine neue Heimat kann nur dort aufgebaut werden, wo die Möglichkeit geboten wird, seine Zeit in sinnvoller Interaktion mit anderen zu verwenden. Deswegen fordern wir Jusos:

  • DievollständigeAbschaffungderVorrangprüfung;siediskriminiertunnötig zwischen Asylbewerber_innen und Arbeitsinländer_innen und schafft Barrieren,woesHilfenimZugangzumArbeitsmarktbraucht.
  • Die komplette arbeitsrechtliche Gleichstellung von Asylbewerbenden mit Deutschen.

Perspektiven müssen jedoch nicht nur denjenigen eröffnet werden, die schon Qualifikationen mitbringen; auch und gerade jüngere Flüchtlinge, denen häufig schon im Herkunftsland Schule und/oder Ausbildung verwehrt blieben, brauchen eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Damit die Menschen eine Chance haben einen Ausbildungsplatz zu bekommen, fordern wir die Garantie einer Aufenthaltserlaubnis für die komplette Ausbildungszeit und darauffolgenden Weiterbeschäftigung mit ErhalteinessolchenVertrages. Auch muss den Personen danach Zeit eingeräumt werden eine Arbeitsstelle zu finden. Der Erhalt einer Ausbildungsstelle für eine_n Asylsuchende_n stellt allerdings momentan noch keine Garantie dar, in Deutschland bleiben zu dürfen. Aus dem Grund der Planungsunsicherheit verweigern sich viele Arbeitgeber_innen einem_r qualifizierten Asylsuchenden einen Ausbildungsplatz zu geben. Die aktuellen Gesetzesänderungen Auszubildende mit Duldungen abzuspeisen reichen nicht dazu aus, das Problem zu beheben.

Wir fordern die Subventionierung zusätzlicher betrieblicher AusbildungsplätzefürFlüchtlinge.Der schwierigste Schritt für junge Flüchtlinge auf dem Weg in die deutsche Arbeitswelt ist der erste – deswegen braucht es eine notfalls auch materielle Motivation gerade für kleinere und mittlere Betriebe, ihnen einen Ausbildungsvertrag anzubieten. Noch wichtiger ist darüber hinaus die Förderung des Übergangs von Ausbildungs- in das Arbeitsverhältnis. Auch hier sind materielle Förderungen für sich engagierende Betriebe wichtig, um Teilhabe zu ermöglichen.

Wir fordern die Vereinfachung des Hochschulzuganges für Flüchtlinge. Dies beinhaltet eine schnelle und umfängliche Anerkennung von Schulabschlüssen und anderen Qualifikationen sowie den Ausbau englischsprachiger Kurse. Eine umfassende Betreuung während des Studiums ist essentiell für erfolgreichesLernen.

Einbindung in die Arbeitswelt setzt Einbindung in den akademischen Betrieb nicht nur häufig voraus – diese Einbindung in die Universitäten und Fachhochschulen kann auch helfen, Vorurteile abzubauen und gleichzeitig aufzeigen, dass denjenigen, die bei uns Asyl suchen, tatsächlich alle Türen offen stehen. Sprachliche und andere fachspezifische Qualifikationen müssen nachgewiesen, ihr Erwerb jedoch ermöglichtund gefördertwerden.

Wir fordern die Schaffung eines solidarischen kommunalen Beschäftigungssektors, in dem auch eine Mindestquote an Arbeitsplätzen für Flüchtlinge vorgehalten wird. Eine Sofortmaßnahme, die aus kommunaler Perspektive sofort realisiert werden kann, um direkt die Arbeit an kommunalen Aufgaben sozial sinnvoll zu verteilen.

8. Leistungen/Gesundheit:

Wir halten an unserer Forderung der Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes fest.

Es kann nicht sein, dass es Menschen zweiter Klasse gibt, die noch unter dem Existenzminimum der Sozialleistungen gehalten werden. Dadurch wäre auch gewährleistet, dass Asylbewerber_innen einen gleichwertigen Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Die Behandlung, die Asylsuchenden momentan zur Verfügung steht, bedarf unbedingt einer Änderung. So werden zwar akute Erkrankungen und Schmerzzustände versorgt und die Mittel zur Linderung der Schmerzen und Besserung der Krankheit werden auch zur Verfügung gestellt, doch die Betonung liegt bei dieser Leistung auf dem Wort „akut“. So werden chronische Erkrankungen höchstens im Falle eines akuten Notfalls behandelt. Die Vergütung des zuständigen Haus- oder Zahnarztes läuft hierbei über die zuständige Verwaltung, das heißt man muss vor dem Besuch eines Arztes erst beim Amt die Erlaubnis einholen überhaupt zum Arzt gehen zu dürfen. Schwangere und Wöchnerinnen werden hierbei zum Glück umfassend versorgt. Übergangsweise fordern wir zumindest die Einführung einer Krankenkarte nach dem Bremer Modell durch die Bundesländer.

Eine Vielzahl von Flüchtlingen ist aufgrund ihrer Erlebnisse im Heimatland oder auf der Flucht traumatisiert. Dem steht aber nur ein geringes Angebot an qualifizierten Psycholog_innen gegenüber. Wir fordern daher den Ausbau von Trauma-Zentren, die sich gerade auf Flüchtlinge und minderjährige Flüchtlinge spezialisieren, so wie die sprachlichen Voraussetzungen einer erfolgreichen Therapie schaffen können. Der Zugang soll bereits Asylbewerber_innen ermöglicht werden.

Viele Flüchtlinge haben in ihrer Heimat schreckliche Dinge erlebt. Sie brauchen psychologische Betreuung, um das Erlebte hinter sich zu lassen und nicht allein gelassen zu werden. Wir fordern deshalb psychologische Betreuung für die Flüchtlinge ab ihrer Ankunft in den Kommunen!

Wir begrüßen die rechtlichen Verbesserungen im Bereich des Sachleistungsprinzips, halten jedoch weiterhin die Abschaffung für die einzig richtige Lösung. Es muss Flüchtlingen allgemein ermöglicht werden ihre Einkäufe selbst zu erledigen. Die Verteilung von standardisierten Essenspaketen ist, und das wird so auch zugegeben, als reine Schikane gedacht. Sie verhindert Selbständigkeit, ermöglicht keine individuellen Wünsche oder Notwendigkeiten bei der Essensvergabe und ist darüber hinaus durch den Lager- und Personalaufwand auch deutlich teurer, als das Geldleistungsprinzip. Finanzielle Ressourcen, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden.

Flüchtlinge sollten außerdem sofort nach ihrer Ankunft die Möglichkeit haben ein Konto zu eröffnen. Elektronischer Zahlungsverkehr sollte jedem Menschen zur Verfügung stehen und ist oft auch Voraussetzung, um zum Beispiel Miete zu zahlen. Das Überfallrisiko auf Flüchtlinge kann so außerdem gesenkt werden.

Wir fordern somit in den Bereichen Gesundheit/Leistungen:

  • Die Abschaffungdes Asylbewerberleistungsgesetzes.
  • Einen gleichwertigen Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Asylbewerber_innen.
  • Die Abschaffung des Sachleistungsprinzips.
  • Den Ausbau von Trauma-Zentren, die sich gerade auf Flüchtlinge und minderjährige Flüchtlinge spezialisieren.
  • Die Möglichkeit für Flüchtlinge ein Konto zu eröffnen.

9. FlüchtlingeinunsererGesellschaft

Flüchtlinge haben, zumindest anfänglich, kaum Möglichkeiten die Gesellschaft mitzubestimmen, in der sie angekommen sind. Aufnahme und Teilhabe von ihnen kann aber nur gelingen, wenn auch die Zivilgesellschaft eine offene und integrative ist. Eine solche Gesellschaft wollen und müssen wir aktiv fördern und ständig einfordern.

9.1 Ehrenamt stärken

Seit vor ca. zwei Jahren die Vertreibung von Menschen, zum Beispiel durch den Krieg in Syrien und den IS, immer größer wurde, ist auch die Zahl der Ehrenamtlichen im Bereich Hilfe für Flüchtlinge stark angestiegen. Viele Menschen engagieren sich vor allem vor Ort oft täglich für die Unterstützung dieser Menschen.

Dazu gehören auch so „banale“ Dinge, wie die Erklärung der Mülltrennung. Aber vor allem geht es darum, die Menschen zu bestimmten Terminen zu den Ämtern zu fahren und dort auch zu begleiten, ihnen bei Arztbesuchen unterstützend zur Seite zu stehen, wie auch kulturelles Wissen und alltägliche Gepflogenheiten zu erklären, damit es nicht zu Missverständnissen kommt und die Teilhabe vor Ort gelingen kann. Dem Anliegen Kontakt zwischen Flüchtlingen und ,,Einheimischen“ zu ermöglichen, tragen Bemühungen Rechnung, Begegnungscafés/ Begegnungsstätten oder ähnliche Zentren zu schaffen. Hier können dann niedrigschwellig Kontakte zwischen Ortsansässigen und Flüchtlingen aufgebaut, aufrechterhalten und ausgebaut werden und sie eröffnen oft zahlreiche weitere Möglichkeiten dergemeinsamen Freizeitgestaltungund Unterstützung.

Dies alles erfordert viel Zeit, Geduld und Aufopferungsbereitschaft und es verdient den allergrößten Respekt, was Ehrenamtliche leisten! Fest steht: das was der Staat bereitstellt, könnte nie auffangen, was durch Ehrenamt geleistet wird. Ehrenamtliches Engagement darf aber nicht dazu führen, dass sich der Staat aus seinen Aufgaben zurückzieht.

Ehrenamtliche hingegen berichten von teilweise herabwürdigenden Umgang mit Flüchtlingen, wenn sie unbegleitet in Ämtern Termine wahrnehmen. Ehrenamtliche übernehmen hier oft den Part des_r Fürsprechers_in und Vermittlers_in. Deshalb fordern wir die Anerkennung dieser ehrenamtlichen Leistung von Seiten des Staates. Das bedeutet, dass die Ehrenamtlichen in ihrer Arbeit als Hilfe für die Flüchtlinge auf den Ämtern wahrgenommen werden sollen und nicht als Menschen, die dort nichts zu suchen haben. Die Steine, die ihnen in ihrer alltäglichen Arbeit in den Weg gelegt werden, sollen der Anerkennung der Arbeit und dem Engagement weichen.

Durch die Vielfalt der Aufgaben, die auf Ehrenamtlichen lastet, ist es kein Wunder, wenn diese oft an die Grenzen ihres Wissens stoßen, wenn es um das Ausfüllen von Formularen geht oder die Erfüllung von Verordnungen etc. ankommt. Deshalb ist es notwendig, die Migrationsdienste vor Ort, welche oft den Wohlfahrtsverbänden, wie Caritas, AWO, IB etc. angegliedert sind, mit hauptamtlichen Stellen, die vom Bund bezahlt werden, aufzustocken. Dadurch können die Ehrenamtlichen unterstützt werden und die Beratung der Flüchtlinge in rechtlichen Fragen innerhalb des Asylverfahrens oder zum Beispiel bei der Job-Suche, kann ausgeweitet werden, damit jeder und jede von ihnen die Möglichkeit zu einer solchen kostenfreien Beratung haben kann.

Zu diesen Zwecken fordern wir die großflächige Aufstockung der hauptamtlichen Stellen mit Zuständigkeit für die Flüchtlinge.

Zum Ehrenamt gehört auch meist, dass sich die Ehrenamtlichen mit amtlichen Vorschriften und Formularen und Verordnung beschäftigen, wenn Flüchtlinge Hilfe brauchen. Dies ist jedoch oft sehr schwer zu bewerkstelligen, da oft nicht klar ist, was gemeint ist oder das Formular sehr bürokratisch und mit Fachbegriffen gespickt ist. Deshalb fordern wir: Zu Unterstützung dafür müssen auf kommunaler Ebene in den zuständigen Verwaltungen flächendeckend ausreichend Stellen geschaffen werden, um die Ehrenamtlichen in diesen Punkten zu entlasten. Diese Stellen sollen auch als Koordinierungsstellen und Ansprechstellen für die Ehrenamtlichen dienen. Für die Arbeitnehmer_innen, die in diesen Stellen arbeiten, sollen verpflichtend interkulturelle Trainings angeboten werden, damit die Hemmungen vor fremden Kulturen abgebaut und das Verständnis für die Menschen gesteigert wird. Außerdem soll gewährleistet sein, dass in den Verwaltungen jedes Informationsmaterial in den benötigten Sprachen vorhanden ist.

Wir fordern außer dem die Qualifizierung von Ehrenamtlichen.

Denn auch hier gilt: nur gut gemeint, ist nicht gut gemacht. Oft können Missverständnisse, Fehler und Frustration vermieden werden, wenn die Ehrenamtlichen zum Beispiel über Möglichkeiten und den rechtlichen Rahmen eines Ehrenamts informiert und verschiedene Dokumente und Verfahren erklärt werden, die jeder Flüchtling braucht.

Flüchtlinge bringen von ihrer Flucht und aus ihren Herkunftsländern oft schreckliche Erfahrungen mit, die dann auch Ehrenamtlichen in Gesprächen erzählt werden. Damitdiese Bilder und übertragenen Ängste verarbeitet und eingeordnet werden können, brauchen Ehrenamtliche die Möglichkeit der Supervision.

Wir fordern daher die Schaffung von Supervisions- und psychischen Betreuungsangeboten für Ehrenamtliche. Zur besseren Koordinierung der zahlreichen Flüchtlingsinitiativen, -verbände und Selbstorganisationen fordern wie zentrale Koordinierungsstellen, welche die oben genannten Qualifizierungs- und Supervisionsangebote ermöglichen können.

Daneben fordern wir im Bereich Ehrenamt insgesamt:

  • eine Anerkennung der ehrenamtlichen Leistungen vom Staat.
  • Eine Aufstockung von hauptamtlichen Stellen mit der Zuständigkeit für Flüchtlinge
  • Stellen in kommunalen Verwaltungen zur Unterstützung der ehrenamtlich Tätigen
  • Sowie die Qualifizierung der Ehrenamtlichen.

9.2 Menschenfeindliche Umtriebe stoppen!

Neben wachsendem ehrenamtlichen Engagement nehmen leider aber auch die Aktivitäten gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte stark zu.

Dies reicht von ,,friedlichem Protest besorgter Anwohner“, die zum Beispiel im Februar 2014 im bayrischen Anzing plakatierten: „30 Männer an der Zahl wird im Wohngebiet zur Qual“, bis hin zu Brandanschlägen, wie im niedersächsischen Tröglitz am 04.04.2015.

Während das Bundeskriminalamt bereits von 2012 auf 2013 einen Anstieg von Gewalt- und Propagandadelikten gegen Flüchtlingsunterkünfte von 24 auf 58, und damit um mehr als das doppelte vermeldete, stieg diese Zahl 2014 um das dreifach auf 162 rechtsextrem motivierte Angriffe auf Unterkünfte. Die Chronik der Antonio-Amadeu-Stiftung und Pro Asyl kommt allein für das Jahr 2014 zu 186 gewalttätigen Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter 35 Brandstiftungen, und 79 tätlichen Übergriffen auf Einzelpersonen. Diese Zahlen sind mehr als alarmierend! Und sie sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer wird wie immer deutlich höher liegen.

Auch wenn Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen als Spitzenreiter der Statistik gelten, sind die Angriffe geographisch überall im Bund verteilt. Es ist also bei weitem kein ,,Ost“- oder reines ,,Land“-Problem. Rassismus sitzt eben tief in der Mitte der gesamten Gesellschaft.

Die Grundlage für solche Aktionen ist in der öffentlichen Verbreitung von Rassismus und dem Schüren von Hass zu sehen. Rund 80 Proteste gegen bestehende oder geplante Flüchtlingsunterkünfte wurden von staatlicher Seite 2014 gezählt, die Antonio-Amadeu- Stiftung kommt auf 270. Rechte Gruppierungen und Parteien nutzen Sozialneid und Ängste von Menschen gezielt für ihre menschenfeindliche Propaganda aus. Dem muss man sich klar

entgegenstellen! Wir rufen daher regelmäßig zum Gegenprotest auf und werden uns auch weiter öffentlich in aller Deutlichkeit mit Flüchtlingen solidarisieren. Proteste gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte müssen gesamtgesellschaftlich endlich als das gesehen werden was sie sind: die geistige Grundlage für gewaltsame Übergriffe auf Flüchtlinge und Brandanschläge auf ihre Wohnungen.

Es muss außerdem von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden Proteste in unmittelbarer Nähe von Asylunterkünften zu untersagen. Diese haben massive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Bewohner_innen und führen im schlimmsten Fall zu einem Rückfall in erlebte Traumata.

Wir wissen aber auch, dass dies allein nicht das Vorhandensein von Vorurteilen in der Gesellschaft beseitigt. Wir drängen daher auf die frühzeitigeundpartizipativeBeteiligung der Bevölkerung angeplanten Flüchtlingsunterkünften durch die Gemeinden. Es hat sich gezeigt, dass sich durch Informationsschreiben, Bürger_innensprechstunden und ähnlichem die Anwohner_innen ernst genommen fühlen, Ängste und Vorurteile abgebaut werden und oftmals daraus Angebote entstehen, die Einrichtung und Flüchtlinge zu unterstützen. Dies fördert nicht nur die Akzeptanz, sondern entzieht rassistischen Akteur_innen den Nährboden und kommt damit auch den Flüchtlingen zu gute.