Antragsteller*innen

N.N.

Zur Weiterleitung an

N.N.

Antragstext

Wir Jusos Rheinland-Pfalz fordern den Gesetzgeber auf, Betroffene von sexualisierter Gewalt durch einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung während des Gerichtsverfahrens besser als bisher zu schützen und fordern deshalb eine Reform des § 177 StGB.

Der Umgang mit Betroffenen muss verbessert werden:

  • Wesentlich dafür ist ein Rechtsanspruch für Betroffene auf psychosoziale Prozessbegleitung, damit sie während des oft langwierigen Verfahrens Unterstützung erhalten.
  • Die Möglichkeit der Videovernehmung muss häufiger angewendet werden.
  • Auf Wunsch der Betroffenen sollte der Ausschluss der Öffentlichkeit aus dem Verfahren immer möglich sein.
  • Die freie Wahl eines/einer staatlich anerkannten Dolmetschers/Dolmetscherin für BetroffeneDie Nebenklage muss sich auf das Strafvollstreckungsverfahren erstrecken und den Betroffenen muss ein Anhörungsrecht und Akteneinsichtsrecht gewährt werden.

Wir fordern weiter auf den § 177 StGB so zu reformieren:

  • dass zukünftig die Person bestraft wird, die ohne Einverständnis der anderen Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt.
  • (minder schwerer Fall): Wer fahrlässig das fehlende Einverständnis der anderen Person nicht erkannt hat

Weiter fordern wir auf Seiten der Opfer die flächendeckende Einrichtung von Möglichkeiten der Anonymen Spurensicherung im Rahmen einer rechtsmedizinischen Ambulanz.

Begründung:

Die momentane Gesetzeslage führt nicht nur dazu, dass immer weniger Betroffene sich zu einer Anzeige entschließen, sondern steht auch im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtskonventionen wie dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie der UN- Frauenrechtskonvention CEDAW. Kaum ein Verbrechen in Deutschland wird so selten bestraft wie eine Vergewaltigung. Laut Dunkelfeldforschung wird etwa alle drei Minuten eine Frau in Deutschland vergewaltigt. Jede 7. Wird Opfer sexualisierter Gewalt. Nur etwa fünf Prozent dieser Taten werden zur Anzeige gebracht und in nur 8, 4 % der Fälle kommt es zu einer Verurteilung.. 5 Jahre zuvor, lag die Verurteilungsrate noch bei 15, 4 %. Auffällig sind auch die unterschiedlichen Verurteilungsquoten in den Bundesländern. Diese schwanken zwischen 4, 1 und 24, 4 %. Die meisten Frauen schrecken vor den oft sehr langwierigen Verfahren zurück, viele haben nur wenig Vertrauen in den Rechtsstaat. Warum sollte man sich den Strapazen eines Prozesses aussetzen wenn die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Begründet! Momentan wird nur etwa jeder achte Sexualtäter verurteilt, viele Verfahren werden frühzeitig eingestellt.

Grund dafür ist unter anderem, dass der § 177 StGB – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung – Lücken aufweist. Danach ist das klare „Nein“ der Frau nicht ausreichend. Wendet der Täter z.B. nur psychische aber keine körperliche Gewalt an oder droht er der Frau nicht mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“, liegt im derzeitigen Rechtssinne keine Vergewaltigung vor. Das bedeutet, die sexuelle Handlung muss entweder mit Gewalt, durch

Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage der Betroffenen erzwungen worden sein. Immer noch wird auch in der Strafrechtswissenschaft die Ansicht vertreten, dass das Opfer einer Sexualstraftat grundsätzlich ein starkes bzw. ausschließliches Verschulden an der Tat trage (so der Tübinger Kriminologe Schneider) Allzu oft noch müssen sich die Opfer vor Gericht anhören: „Wenn man etwas nicht will, muss man das deutlicher machen. Er wusste ja nicht, dass sie das nicht wollte.“ (so eine Richterin in einer Urteilsbegründung, aus Hertener Allgemeine, 11.09.2012).

Dabei setzt der Tatbestand als maßgeblich die innere Willensrichtung des Opfers voraus, so dass Abwehrhandlungen des Opfers für das Vorliegen einer Vergewaltigung nicht zwingend erforderlich sind. Entscheidend ist die innere Haltung des Opfers, die nicht unbedingt nach außen in Erscheinung treten muss. Doch verlangen Staatsanwaltschaft und Gericht hier zum Nachweis eine deutliche Gegenwehr des Opfers. Dies kann nicht länger hingenommen werden. Für eine Körperverletzung reicht ein fahrlässiges Handeln aus, nicht so bei der Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Hier ist eine Klarstellung im Gesetz erforderlich. Keine Gewalteinwirkung und keine massive Gegenwehr sind nicht gleichbedeutend mit Einvernehmen. Diese Lücke muss zum Schutz von Frauen und Mädchen geschlossen werden.