Antragsteller*in

N.N.

Zur Weiterleitung an

SPD-Landesparteitag RLP, SPD-Landesvorstand RLP, SPD- Landtagsfraktion RLP, Landesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familien und Frauen RLP, SPD-Bundestagsfraktionsmitglieder aus RLP, AfA-Landesvorstand RLP 

Antragstext

Wir fordern die „Komplettüberholung“ der Agenda 2010 und eine sofortige Eindämmung der negativen Entwicklungen im sozialen Sektor seit deren Einführung.

Derzeitige Situation:

In den letzten Jahren hat sich im Verlauf der Umsetzung des SBG II (ausgehend von der Agenda 2010) gezeigt, dass entgegen allen Annahmen ein Großteil der BedarfsempfängerInnen im ALG II – Bezug verbleibt und in sogenannten Arbeitsmarkt-integrativen Maßnahmen seine Runden zieht. Dies widerspricht eindeutig den erwarteten Anforderungen an die Reform: Es ist leider Fakt, dass die derzeit angewandte „Aktivierungspolitik“ und darin enthaltene Instrumente wie „1- Euro-Jobs“ für die meisten BedarfsempfängerInnen nicht zu einer regulären Arbeit führen, sondern gerade die Gruppe der Langzeitarbeitslosen sich immer mehr auf den Dauerbezug von Transferleistungen einrichten muss. Hieran lässt sich maßgeblich das Versagen im Förderungsbereich der Arbeitsmarktreformen erkennen. „Fördern und Fordern“ hat sich als Farce erwiesen! 

Vermittlungshemmnisse

Die sogenannten „Vermittlungshemmnisse“ der BedarfsempfängerInnen sind so heterogen und multifaktoriell begründet, dass es schwer ist, sie in allgemeinen Kategorien zusammenzufassen. Dennoch geschieht dies in der ARGE bzw. den im SGB II genannten Vermittlungsorganisationsformen. Grundlage hierfür ist die Aktivierungsthese, die Arbeitslosigkeit und auch die Schuld daran individualisiert; andere Faktoren, wie die immer schneller voranschreitende Entwertung von Bildungsabschlüssen und Rationalisierungsbestrebungen der Unternehmen werden ausgegrenzt. Die Agentur für Arbeit weist ihre MitarbeiterInnen an, die im Bezug stehenden BürgerInnen in vier Kategorien einzuteilen, die sich auf die Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt beziehen. Gemäß diesen Betreuungsstufen werden die Maßnahmen aus dem Maßnahmenkatalog herausgegriffen, der für die Region zur Verfügung steht. Dabei ist zu beachten, dass kofinanzierte Maßnahmen bzw. Maßnahmen der Agentur immer belegt sein müssen, d.h. offene Stellen gefüllt werden müssen, egal ob die/der betroffene HilfeempfängerIn für die spezifische Maßnahme geeignet oder gewillt ist. 

Problem ungelöst: Langzeitarbeitslosigkeit

Wie wenig effizient die bisherigen Regelungen im Zusammenhang mit aktivierender Sozialpolitik sind, zeigt sich in einer der letzten Studien der Bundesagentur für Arbeit: Nur vier Prozent der Langzeitarbeitslosen können durchschnittlich jeden Monat auf eine Stelle vermittelt werden. Behördenchef Weise macht die „zersplitterten Zuständigkeiten“ dafür verantwortlich, was schon einem starken Mangel an Realitätsbewusstsein gleichkommt. Dass einer der eigentlichen Gründe für diese Entwicklung ist, dass der Arbeitsmarkt unmenschliche Radikalität hinzugewonnen hat, wird verschwiegen, ebenso wie die Ratlosigkeit, mit der der persistenten Arbeitslosigkeit begegnet wird. Leider schlägt diese Ratlosigkeit in den ARGEn meist in radikale Inanspruchnahme des Sanktionsmechanismus um, d.h. dass die zunehmende soziale Verelendung der Hilfebedürftigen billigend in Kauf genommen wird bzw. bewusst als Mittel eingesetzt wird, um den Druck auf die HilfeempfängerInnen zu vergrößern. An der aktuellen Stellenlage bessert dies nichts, denn gerade für schlecht qualifiziertes Personal mit „vermittlungshemmenden Einschränkungen“ gibt es keine Möglichkeiten für einen (Wieder-)Einstieg in den so genannten ersten Arbeitsmarkt. Alleine der Zwang zur Annahme jeder Art von Arbeit wird erhöht, so dass unter diesem Druck immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse eingegangen werden. Der Markt für diese prekäre Arbeit wächst inzwischen immer schneller, was man am Boom der Leiharbeit erkennen kann. Dieser ist wiederum durch die Agenda – Reformen (Wegfall der Überlassungshöchstdauer und des Wiedereinstellungsverbotes sowie des Synchronisationsverbotes) erst möglich geworden.

Das ist keine Integration, das ist unmenschlich!

Nichtsdestotrotz: der Umgang mit der anhaltenden Langzeitarbeitslosigkeit ist mehr als schwer zu klären. Die derzeitigen Bestimmungen verwehren auch besonders „integrationsfernen“ HilfeempfängerInnen eine Aufnahme in die Grundsicherung gem. SGB XII (mehr als drei Stunden am Tag arbeitsfähig = nicht grundsicherungsberechtigt). So wird der „Übergangsbezug“ von ALG II zum Dauerzustand, der nun schon seit der Einführung des Gesetzes anhält. 

Somit muss man die Agenda 2010 und besonders Hartz IV als gescheitert betrachten, da die angestrebten Ziele nicht oder nur in unzureichender Weise erfüllt wurden, so z.B.:

  • Die Arbeitslosenzahlen haben sich zwar statistisch verringert, jedoch sind daneben prekäre Beschäftigungsverhältnisse stark ausgeweitet worden und wachsen weiter. Vor allem die Zunahme der Mini- und Midijobs verstärkt diese Entwicklung und schönt die Arbeitsmarktstatistik. Viele ArbeitnehmerInnen müssen weiter zusätzlich ALG II (sogenannte Aufstocker) beziehen, um über die Runden zu kommen, tauchen jedoch in keiner Arbeitslosenstatistik auf.
  • Die relative Armut in der Bevölkerung hat sich vergrößert (13% der Bevölkerung), weitere 13% sind von Armut bedroht, wie der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt. Insbesondere die Gruppe der Arbeitslosen ist gefährdet. 
  • Langzeitarbeitslose werden nicht „intensiver betreut“ und auf den Wiedereinstieg in Erwerbsarbeit vorbereitet, sondern meist nur noch verwaltet, was zu einem dauerhaften Verbleib im ALG II 
  • Bezug führt und die Motivation der BedarfsempfängerInnen immens untergräbt. Weiterbildungsangebote bestehen zumeist in wochenlangen Bewerbungstrainings, die viele Langzeitarbeitslose schon zum x-ten Mal bei unterschiedlichen Trägern durchlaufen haben, und orientieren sich selten an den individuellen Wünschen, sondern lediglich an den freien Qualifizierungsplätzen, die gemäß der Maßgabe der Agentur besetzt werden müssen. Die soziale Verelendung vergrößert sich, die Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesellschaft werden mehr und mehr beschnitten. 

„Sollten auf diesem Wege [, also dem Ausbildungspakt,] nicht genügend Ausbildungsplätze bereitgestellt werden, behält sich die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vor.“ versprachen die UrheberInnen der Agenda – Reformen. Allerdings sind die Zahlen des Lehrstellenmarktes weiterhin mehr als fatal, wobei die Wirtschaft ihrer freiwilligen Verpflichtung zur Bereitstellung von Lehrstellen in keinster Weise nachkommt. 

Die aktuelle betriebliche Ausbildungsplatzlücke liegt bei 159.3857 fehlenden Ausbildungsplätzen, so dass das Problem der mangelnden Versorgung mit Ausbildungsplätzen nach wie vor virulent ist. Eine gesetzliche Regelung, die die Wirtschaft wie angekündigt in die Pflicht nimmt, ist bis heute nicht in Planung. Hinzukommt, dass LangzeitberwerberInnen immer weniger Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben und lediglich in „Warteschleifen“ geparkt werden. So beginnt für viele Jugendlichen schon früh eine „AußenseiterInnenkarriere“: Langfristig wird für diese Menschen eine Integration in den Arbeitsmarkt schwierig, viele fühlen sich von Beginn an abgeschrieben.

Diese Situation ist für uns Jusos nicht weiter hinnehmbar.

Deswegen fordern wir:

eine komplette Überarbeitung der vergangenen Agenda 2010 und insbesondere der Hartz IV – Gesetzgebung. Es kann nicht sein, dass deren Inhalte, die in der Bevölkerung so große Verunsicherung und Ablehnung erzeugt haben und solch negative Auswirkungen haben wie oben geschildert, unkritisch in das Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahlen 2009 übernommen werden. 

Folgende Reformen der Reform müssen umgesetzt werden:

1) Verpflichtendes Integrationsassessment bei Eintritt in den ALG II –Bezug

Viele Langzeitarbeitslose wissen gar nicht mehr, wo ihr Ansatzpunkt auf dem Arbeitsmarkt wäre. Die einzige offerierte Alternative heißt für gering Qualifizierte zumeist Leiharbeit, wovor viele nicht nur aufgrund schlechter Erfahrungen verständlicherweise zurückschrecken, sondern auch aufgrund der schlechten Bedingungen u.a. in den Bereichen Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten, wechselnde Arbeitsorte, Qualität der geforderten Tätigkeiten. Dennoch müssen sie wissen, wo sie stehen und wo sie sich noch entwickeln können (v.a. bei körperlichen oder psychischen Einschränkungen). Die Einstufung durch den/die SachbearbeiterIn in Betreuungsstufen – ggfs. verbunden mit einem Besuch bei dem/der Amtsarzt/Amtsärztin – kann diesen Anspruch nicht einmal im Ansatz decken. Durch die verpflichtende Teilnahme an einem Integrationsassessment orientiert an einem beruflichen Reha-Assessments werden bei Eintritt in den ALG II – Bezug die objektivierbaren Fähigkeiten eines Menschen in Bezug auf einen Arbeitsplatz oder einen bestimmten Beruf beschrieben. Der eigene Wunsch, d.h. das Individuum, muss dabei im Zentrum stehen und Grundlage einer wirkungsvollen Berufsberatung sein. Am Ende des Assessments steht ein Gutachten über die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des/der TeilnehmerIn zusammen mit einem individuellen Integrationsplan zur beruflichen (Wieder-) Eingliederung. Der/die ArbeitnehmerIn erlangt durch dieses Gutachten das Anrecht auf eine für sie/ihn passende Anstellung, was durch den Integrationsplan konkrete Auswirkungen auf die Arbeitsvermittlung hat und ebenso als Zeugnis dienen kann.  Das Assessment muss in Einrichtungen unabhängiger Träger geschehen, wie z.B. Einrichtungen der beruflichen Reha, wo zurzeit schon ein berufliches Reha- Assessment (Kostenträger ist meist der Rentenversicherungsträger) durchgeführt wird. Für eine mögliche längerfristige Orientierung und Prüfung könnten auch die u.g. betrieblichen Förderstellen (s. Punkt 5) zur Verfügung stehen.  Das Team der GutachterInnen muss multiperspektivisch zusammengestellt sein, so beispielsweise aus PsychologInnen, ÄrztInnen, AusbilderInnen, SozialpädagogInnen, LehrerInnen etc. Kostenträgerin für ein solches Integrationsassessment für ALGII – BezieherInnen ist ausschließlich die Agentur für Arbeit. Damit die Wirtschaft wieder stärker an den Kosten, die aus Steuern gedeckt werden, beteiligt wird, muss der Steueranteil der Unternehmen durch geeignete Steuerreformen erhöht werden. 

2) Leichter Einstieg in den ALG II – Bezug

Ein Übergang in den Bezug des Arbeitslosengeldes II darf nicht mit bürokratischen Hürden wie bisher versehen sein, so dass ein Großteil der Hilfebedürftigen erst gar keinen ALG II – Antrag stellt und damit die eigene soziale Situation maßgeblich verschlechtert. Der Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen darf nicht durch kostenintensive Verwaltungsakte und Formularterror verstellt werden und muss für jede/n BürgerIn gleichberechtigt zugänglich sein. Gerade im Bereich der Existenzsicherung ist dies immanent wichtig. Aufgrund dessen fordern wir einen automatisierten Zugang beispielsweise von ALG I bzw. durch den Verlust von sozialversicherungspflichtiger Arbeit in ALG II. Natürlich kann der Bezug von ALG II von dem/der BedarfsempfängerIn widerrufen werden, sollte ein Bezug nicht erwünscht sein. Ferner wird ebenso eine Antragsstellung durch den/die Hilfebedürftige/n möglich sein, vor allem wenn das bisherige Einkommen aus selbstständiger Arbeit bestand. Dieses Verfahren sollte so einfach wie möglich ablaufen, das Formular hierzu nur die nötigsten Daten erfassen. Alles Weitere wird innerhalb des ersten Beratungsgespräches mit dem/der SachbearbeiterIn besprochen und geklärt. Gleich zu Beginn des ALG II – Bezuges muss das Integrationsassessment stattfinden. (s. Punkt 1) Ein Ausstieg aus dem Bezug von ALG II ist erstens durch einen persönlichen Antrag möglich und wird zweitens durch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung automatisch beendet. Hierbei hat die Arbeitsvermittlung zu gewährleisten, dass die aufgenommene Beschäftigung vollständig das Bestreiten des Lebensunterhaltes und eine angemessene sozio-kulturelle Teilhabe ermöglicht. Dies gilt insbesondere im Fall von AlleinverdienerInnen, die für ihre Familie eine ausreichende Versorgung und o.g. Teilhabemöglichkeiten durch ein geeignetes Einkommen garantieren müssen. Selbstverständlich muss sich eine neu aufgenommene Vollbeschäftigung an einem gesetzlichen Mindestlohn orientieren und bestehende Tarifverträge einhalten. Hierfür hat ebenfalls die Arbeitsvermittlung Sorge zu tragen. Somit dürfen Mini- und Midijobs sowie Leiharbeit (s. Punkt 8) nicht als Instrumente für eine berufliche Wiedereingliederung zur Verfügung stehen, da hierdurch kein erfolgreiches Entkommen aus der prekären Lebenssituation gewährleistet wird, die berufliche wie auch gesellschaftliche Integration weiterhin fraglich bleibt. Bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit hat der/die HilfeempfängerIn eigenständig die Beendigung der Bezugsdauer des ALG II – Bezuges zu beantragen. Jedoch ist die Arbeitsvermittlung hier aufgerufen, die Bemühungen für eine Existenzgründung kritisch zu prüfen und den/die KlientIn entsprechend zu beraten. Ein Zuverdienst während des Bezuges von ALG II ist nicht möglich (s. Punkt 3). Entsprechend dieser Logik muss zu Beginn der Inanspruchnahme zwar eine Bedürftigkeitsprüfung stattfinden, die jedoch im Vergleich zu der derzeitigen Prüfung radikal verkürzt ist. Es werden lediglich andere mögliche Einkommensquellen abgefragt. Privatvermögen bleiben unangetastet (s. Punkt 12).

3) Anhebung des Regelsatzes / kein Zuverdienst während des ALG II – Bezugs

Der derzeitige Regelsatz des ALG II muss stark angehoben werden, um der fortschreitenden Verarmung durch Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken. So muss er sich an einem gesetzlichen Mindestlohn orientieren, diesen jedoch leicht unterschreiten, damit die Aufnahme von Erwerbsarbeit weiterhin attraktiv bleibt. Auf der anderen Seite muss der Regelsatz so weit über dem Existenzminimum liegen, dass weiterhin angemessene sozio-kulturelle Teilhabemöglichkeiten bestehen und nicht wie bisher maßgeblich beschnitten werden. Wohnkosten wie auch Wohnnebenkosten müssen während des Bezuges durch die Agentur für Arbeit übernommen werden und zum Regelsatz addiert werden. Jedoch müssen die Bewilligungsgrenzen hierfür weit angehoben werden. So muss sich die Grenze zur Übernahme der Mietkosten beispielsweise dynamisch an den durchschnittlichen regionalen Mietkosten orientieren und kann aufgrund der Besitzstandswahrung (s. Punkt 12) im Einzelfall auch darüber liegen. Zu den Nebenkosten müssen auch Energiekosten und v.a. Stromkosten und Warmwasserbereitung zählen. Die Bewilligungsgrenze für den Energieverbrauch muss sich ebenfalls dynamisch am regionalen Durchschnitt des privaten Energieverbrauchs orientieren. Durch die Agentur für Arbeit müssen Schulungen über Energiesparmaßnahmen und Maßnahmen zum Umweltschutz angeboten werden und den BedarfsempfängerInnen auch der Raum zur Durchführung solcher Sparmaßnahmen eingeräumt werden. Im ALG II – Bezug ist kein weiterer Zuverdienst möglich. Dies ist u.a. darin begründet, dass Teilzeitbeschäftigungen, wie Mini- und Midi-Jobs, während eines ALG II – Bezuges derzeit selten eine integrative Wirkung entfalten und zudem zur Ausweitung des prekären Beschäftigungssektors beitragen. Hinzukommend, dass ArbeitsnehmerInnen gerade einmal höchstens 150 Euro des zuverdienten Einkommens zum ALG II anrechnen können und der Rest von der Grundsicherung abgezogen wird. In Ausnahmefällen kann jedoch ein gewisser Zuverdienst durch Einzelfallentscheidungen gewährt werden, wenn dieser nicht aus nichtselbstständiger Arbeit besteht, sondern beispielsweise das Einkommen aus Mieteinnahmen, Kapitalvermögen oder Vermögenszinsen besteht. In diesen Fällen erfolgt eine individuelle Anrechnung auf den Regelsatz. Festzuhalten ist, dass die Zeit im ALG II – Bezug in erster Linie für effiziente und individuell angepasste Qualifizierungen, Stabilisierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden muss. Daneben muss eine intensive psychosoziale Betreuung aufrechterhalten werden, um etwaige Vermittlungshemmnisse in angemessener Zeit schrittweise abzubauen. Gerade für die KlientInnen, die nur wenig mehr als drei Stunden am Tag arbeiten können und nur schwierig in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren sind, ist Beschäftigung über Arbeits- und Qualifizierungsprojekte und Förderstellen (s. Punkt 5) zu organisieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass sie zum einen einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen, ausreichend betreut werden und einen ausreichenden Lohn für ihre Tätigkeit erhalten, der trotz Teilzeitarbeit existenzsichernd sein muss (s. Punkt 5). Langzeitarbeitslose dürfen nicht wie bisher als billige Arbeitskräfte auf dem prekären Arbeitsmarkt verscheuert werden! 

4) Verstärkung der Hilfemaßnahmen für Langzeitarbeitslose

Maßnahmen für Langzeitarbeitslose mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen, wie Arbeitsprojekte zur beruflichen und sozialen Rehabilitation, müssen verstärkt ausgebaut und gefördert werden. Hieran hat sich maßgeblich die Wirtschaft zu beteiligen. Ein schrittweiser Abbau der Vermittlungshemmnisse zusammen mit einer engen sozialen Betreuung ermöglicht die neue Grundsteinlegung für ein zukünftiges Erwerbsleben. Hinzukommen müssen Förderstellen in Betrieben oder über den öffentlichen Beschäftigungssektor (siehe Punkt 5) sowie ein wirkungsvolles und professionelles Integrationsassessment zu Beginn des ALG II – Bezuges (siehe Punkt 1). Unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration ist die verstärkte Beteiligung der KlientInnen am eigenen Hilfeprozess. Die derzeitige Verfahrensweise läuft dem zuwider und stellt eine Entmündigung der Hilfebedürftigen dar. Die durch das SGB II implementierte und in der Öffentlichkeit weiterhin propagierte Individualisierungsthese der Arbeitslosigkeit muss öffentlich endgültig als widerlegt angesehen werden, nachdem sie sozialwissenschaftlich bereits unzählige Male entkräftet wurde. Dieser Umstand muss sich folglich auch in der Gesetzgebung widerspiegeln. 

5) Besondere Förderstellen in Betrieben und im öffentlichen

Beschäftigungssektor schaffen / 1-Euro-Jobs abschaffen / reguläre Jobs im öffentlichen Sektor wiederbeleben! Viele Menschen sind in Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (sog. 1-Euro-Jobs) beschäftigt, in denen sie trotz aller Kontrolle meist Arbeiten nachgehen, die über „zusätzliche und gemeinnützige Hilfsarbeiten“ hinausgehen. In GeBeGe’s (Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaften) wird diese Entwicklung ad absurdum geführt. BürgerInnen verrichten 1-Euro-Jobs wie Gebäudereinigung oder HausmeisterInnendienste mit 30 Wochenstunden, die sie genauso über öffentliche Stellen erfüllen könnten. Letztere wurden allerdings in den letzten Jahren nachweislich abgebaut. Diese Entwicklung muss umgekehrt werden. Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor müssen wieder ausgebaut werden, so dass der Raubbau der letzten Jahre beendet und endlich wieder ausgeglichen wird. Denn gerade in diesem Sektor wurde nachweislich reguläre Beschäftigung verdrängt. In Förderstellen – in erster Linie in Großunternehmen und im öffentlichen Sektor und verpflichtend ab einer bestimmten Unternehmensgröße – soll sozialpädagogisch begleitet Arbeitsmarktnähe hergestellt und durch eine sinnvolle Beschäftigung Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden. Durch die Anwendung von bundeseinheitlichen Qualitätsstandards wird eine objektive Überprüfbarkeit der Zumutbarkeit ermöglicht und so die Beweislast für zumutbare Arbeit nicht wie bisher den BedarfsempfängerInnen auferlegt. In jedem Fall muss sich das Entgelt für eine solche Förderbeschäftigung mindestens am Durchschnitt des ortsüblichen Tarifes orientieren – ohne diesen zu unterschreiten. Eine Abhängigkeit von staatlichen Bezügen muss mit Beginn der Beschäftigung abgebaut werden. Dies kann auch Schritt für Schritt erfolgen, wenn anfangs für den/die ArbeitnehmerIn noch keine Vollzeitarbeit (beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen) möglich ist: Für die Zeit des Übergangs einer individuell bedingten Teilzeitbeschäftigung in eine Vollzeitbeschäftigung innerhalb desselben Unternehmens kann der/die ArbeitgeberIn einen Beschäftigungszuschuss bei der BA beantragen. In jedem Fall hat er/sie den Lohn gleich einer Vollzeitbeschäftigung an den/die ArbeitnehmerIn zu zahlen und ist dafür verantwortlich, dass durch pädagogische, medizinische und psychologische Betreuung und Qualifizierung eine Steigerung der Erwerbsfähigkeit erreicht wird. Grundlage für einen Beschäftigungszuschuss ist eine unabhängige und objektive Feststellung über die Erwerbsfähigkeit innerhalb eines Integrationsassessments. Ferner müssen diese Förderstellen in einer ständigen strengen Überprüfung auf ihre integrative Wirkung und die Zumutbarkeit der Arbeit durch die Agentur für Arbeit stehen. Gerade für Langzeitarbeitslose werden die Förderstellen eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Zudem hat die Freiwilligkeit des Individuums Vorrang – einen Arbeitszwang darf es nicht geben. Neben diesen Förderstellen muss es weiterhin Arbeitsprojekte der beruflichen Rehabilitation für extrem Hilfebedürftige geben, wobei die KlientInnen hierbei im ALG II – Bezug verbleiben. Diese Projekte müssen staatlich wie auch betrieblich gefördert werden. Zusätzlich sind während des Bezuges an die individuellen Bedürfnisse angepasste Qualifizierungen und Weiterbildungsmaßnahmen zu forcieren, die den Ansprüchen und den Wünschen der HilfeempfängerInnen entsprechen. 

6) Mehr Zeit zur Lebensbewältigung

Die BedarfsempfängerInnen des SGB II sind meist größeren Lebenskrisen bzw. krisenhaften Lebensverhältnissen unterworfen. Entsprechend benötigen diese BürgerInnen mehr Zeit für sich, reagieren auf zu hohe Anforderungen mit längerer Krankheit. Sie benötigen Unterstützung und Hilfe am Arbeitsplatz, wie auch bei persönlichen Problemen bis hin zur Bewältigung von alltäglichen Hürden wie z.B. bürokratischen Vorgängen. Hier ist ein Verbund von Fürsorge-Systemen gefragt. Angefangen von aufsuchender sozialer Arbeit (z.B. Hausbesuche) bis hin zu freiwilligen Beratungsangeboten verbunden mit der medizinischen Versorgung. Auch Begleitung in Arbeit und Unterstützungsangebote am Arbeitsplatz (v.a. nach dem Ende einer längeren Arbeitslosigkeit) müssen stärker ausgebaut und ggfs. neu im Integrationsprozess implementiert werden. Die Agentur für Arbeit hat für einen solchen Fürsorge-Verbund innerhalb jeder Kommune zu sorgen, diesen aufzubauen, aufrecht zu erhalten und durchgehend sinnvoll zu ergänzen. 

7) Ende mit dem Sanktionszwang

Die Entscheidung über die eigene Zukunft und die eigene Entwicklung darf nur von dem Individuum selbst ausgehen. Keine Institution hat das Recht aufgrund von Arbeitsmarktzahlen BürgerInnen in bestimmte Beschäftigungsverhältnisse zu zwingen. Dies fördert kein selbstbestimmtes Verhalten, sondern verschlimmert nur die Erfahrung, dass die Kontrolle über die eigene Lebensführung von Kräften übernommen wurde, die man selbst nicht steuern kann. Die aktuelle Praxis, in der so lange sanktioniert wird, bis der letzte Funken Eigenverantwortung abhanden gekommen ist, lehnen wir ab. Eine paradoxe Entwicklung, betrachtet man die Forderung der Neoliberalen, dass der/die Einzelne zukünftig mehr „Eigenverantwortung“ zu übernehmen habe – in welchem Kontext auch immer. Auch unter der oft genannten Prämisse der „Aktivierung“ erreichen Sanktionszwang und –druck meist nur das Gegenteil. Anstatt die hilfebedürftigen Menschen in ihrer Situation zu stützen und die psychosoziale Ausgangslage im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit zu stabilisieren, werden die BedarfsempfängerInnen noch weiter in Existenzängste und soziale Ausgrenzung gestoßen. Die These des zu Grunde gelegten Aktivierungsparadigmas, dass sich durch Sanktionsdruck die Motivationslage der Betroffenen verbessern solle, ist unhaltbar und hat sich nun auch praktisch als falsch erwiesen. So trifft es eher zu, dass der Sanktionsmechanismus des SGB II als „Umerziehungsmittel“ dient, dass Langzeitarbeitslose die Akzeptanz von jeder Arbeit „erlernen“ sollen, ohne dabei Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse, Ansprüche und Vorstellungen zu nehmen. Sie werden im Sinne des kapitalistischen Systems zur Unmündigkeit „erzogen“. Besonders hart trifft es Jugendliche unter 25 Jahren, denen der sofortige und vollständige Entzug der monetären Regelleistungen angedroht und bewirkt werden kann. Diese Verfahrensweise muss komplett durch ein Anreizsystem ersetzt werden, das beispielsweise bei besonderen Bewerbungsanstrengungen monetäre o.a. Anreize bietet, so dass ein exkludierendes Bestrafungssystem in ein integrationsförderndes Belohnungssystem umgekehrt wird. Durch die Abschaffung des Sanktionssystems ist auch die o.g. Problematik für die U25 – Klientel hinfällig (s. auch Punkt 9). 

8) Leiharbeit unrentabel machen

Als eine der hauptsächlichen Auswirkungen der Hartz-Reformen ist der aktuelle Boom der Leiharbeit anzusehen. Diese Entwicklung stellt neben der Schaffung von 1-Euro-Jobs eine weitere nicht hinnehmbare Ausweitung des prekären Beschäftigungssektors dar. „Um Auftragsspitzen zu überbrücken“ soll Leiharbeit im Dienste der Wirtschaft stehen. Die Forderungen der SPD hierzu (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit) zielen in eine richtige Richtung, gehen aber nicht weit genug. Betrachtet man andere EU-Staaten wie z.B. Frankreich, so werden dort LeiharbeiterInnen besser bezahlt als die Kernbelegschaft. Dies ist nur gerecht, da LeiharbeiterInnen einen höheren Aufwand im Vergleich zu den restlichen Beschäftigten haben, mit höherer Flexibilität und Mobilität konfrontiert sind und zudem noch meist in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Auch ihre Integration in die betriebliche Mitbestimmung ist bisher unbefriedigend. Hinzukommend, dass durch die höhere Entlohnung von LeiharbeitnehmerInnen der weitere Ausbau und die Etablierung der Leiharbeit und damit einem großen Feld der prekären Arbeit gebremst, aufgehalten und umgekehrt wird. Um Leiharbeit einzudämmen, muss das Synchronisationsverbot ebenso wie die Überlassungshöchstdauer und das Wiedereinstellungsverbot wieder eingeführt worden. Die Reformen von Rot-Grün waren in diesem Bereich kontraproduktiv und haben explizit zum Boom von Leiharbeit beigetragen. 

9) LangzeitbewerberInnen auf dem Ausbildungsmarkt wirkliche Chancen geben / Förderung U25

Eine besondere Aufmerksamkeit gilt Jugendlichen, die es gar nicht erst schaffen, in ein Ausbildungsverhältnis einzusteigen. Hier bildet sich auch eine neue Klientel heran, die durch alle Raster fällt, nachdem sie die Schleifen in BVJ und BF durchlaufen hat – eine neue traurige Generation, die schon „nicht mehr gebraucht wird“, bevor sie die Gelegenheit hatte, sich zu orientieren und zu beweisen. Der Ausbildungspakt und der Ausbildungsbonus sind nur zwei der faulen Kompromisse, die mit den Wirtschaftsverbänden geschlossen wurden, die sich allerdings als nutzlos erwiesen haben oder erweisen werden. Maßnahmen, die ein Nachholen des Hauptschulabschlusses anbieten sind zu begrüßen, führen jedoch noch lange nicht zu einer Lehrstelle. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft regelmäßig den schulischen Ausbildungsstand der Auszubildenden beklagt, ohne selbst für eine entsprechende Lernsituation zu sorgen, in der diese Klientel aufgefangen und angemessen ausgebildet werden könnte – eine Verpflichtung der Wirtschaft gerade in Anbetracht des schulpflichtigen Alters der Auszubildenden muss her! Aber auch staatliche Hilfen wie sozialpädagogische Betreuung in jeder Schulform, also auch der Berufsschule, oder sozialpädagogische Begleitung während der Ausbildung, wie sie in einigen Pilotprojekten begonnen wurde, müssen implementiert werden, um den Ansprüchen dieser Klientel gerecht zu werden. Natürlich muss auf der anderen Seite auch das Bildungssystem modernisiert werden, jedoch können sich Unternehmen mit Verweis auf die Schule nicht aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung ziehen und müssen Ausbildung neue Räume gewähren, die über die letzten Jahre leider mehr und mehr eingeschränkt wurden. Das Bild eines/r komplett ausgebildeten, flexiblen und anspruchslosen ArbeiterIn muss aus den Köpfen der Unternehmen verschwinden. Die Wirtschaft muss entsprechend mit der Ausbildungsplatzumlage aufgefordert werden, zusätzlich zu regulären auch besondere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, die einer fördernden und an die Auszubildenden angepassten Lernsituation genügen. Das hierfür benötigte Ausbildungspersonal muss entsprechend fachlich und pädagogisch geschult werden. Neben diesen Ausbildungsplätzen müssen Wirtschaft und Staat ebenfalls dafür Sorge tragen, dass mindestens eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung gezahlt und darüber hinaus eine unbefristete Anstellung der/des Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung sicher gestellt wird. Als besonders zu fördernde Bevölkerungsgruppe, deren Zukunft erst aufgebaut werden muss und die die Freiheit zu einer individuellen beruflichen Entwicklung haben muss, dürfen U25-KlientInnen nicht genau denselben Integrationsbedingungen wie die Ü25-Klientel unterliegen. Der Fokus muss klar auf einer Integration in Ausbildung liegen, welcher durch die o.g. Ausbildungsförderstellen gestützt wird. Ferner kann jedoch auch hier eine angepasste Form des Integrationsassessments (s. Punkt 1) zur beruflichen Orientierung angewandt werden. Sollte eine abgeschlossene Ausbildung bereits vorliegen, müssen Weiterbildungsmöglichkeiten geprüft und unterstützt werden. Ein Regelbezug von ALG II ist für unter 25-Jährige nur im Ausnahmefall möglich und muss durch verstärkte Integrationsbemühungen so kurz wie möglich gehalten werden, darf jedoch in keinem Fall durch Kürzungsandrohungen zur Grundlage für Sanktionen werden (s. Punkt 7). Junge Menschen dürfen nicht schon vor dem Beginn ihres beruflichen Lebens in soziale Sicherungssysteme abgeschoben und damit an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Sie müssen stärker als bisher gefördert und im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gehalten werden. 

10) Mehr ArbeitnehmerInnenrechte für ArbeitsvermittlerInnen

Ein Betreuungsverhältnis von 1:250 – Befristete Verträge – Umsetzungsnot der Vorgaben der Arbeitsagentur (z.B. Sanktionszahlen) – keine oder eine wirkungslose MitarbeiterInnen-Vertretung: All das ist Alltag für die SachbearbeiterInnen der ARGEn bzw. der im SGB II genannten Vermittlungsorganisationsformen. Oft fehlt sogar die nötige Ausbildung, um überhaupt mit der Klientel Beratungsgespräche führen zu können. ARGE- MitarbeiterInnen, die ihren Beruf mit viel Engagement betreiben und den BedarfsempfängerInnen wirklich helfen wollen – beispielsweise durch Verzögerung von Sanktionen oder aufwendige Vermittlungs- und Beratungsarbeit – werden zwischen persönlichen Grenzen und dem systemischen Druck der Agentur zerrieben. Insgesamt miserable Zustände, die v.a. den Menschen schadet, denen eigentlich geholfen werden soll: den ALG II – BezieherInnen. Die Ansprüche, die bei der Umsetzung der Hartz IV – Reform formuliert wurden, können in keinster Weise umgesetzt werden. Die Agentur für Arbeit selbst ist eine Institution, die ihre MitarbeiterInnen unter miserablen Umständen arbeiten lässt. Runter mit der Fallzahl – hoch mit den Angestelltenzahlen: Dies gilt als Fundament für eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung, da nur so eine tatsächliche Beratung und Betreuung gewährleistet werden kann. Mehr Zeit für Beratung: Vorgaben oder Anhalte, wie lange ein Beratungsgespräch dauern darf, darf es nicht geben. Professionelle Ausbildung und Vorbereitung auf den Berufsalltag: Sozialpädagogische Einflüsse in der Arbeit mit und der Beratung von Langzeitarbeitslosen sind nicht zu übersehen. Diese müssen sich auch in der Ausbildung, Berufsvorbereitung und ständigen Weiterbildung (z.B. Sozial- Trainings) bemerkbar machen. Eine reine Verwaltungsausbildung, wie sie vielfach vorliegt, ist bei weitem nicht hinreichend. Zudem ist eine regelmäßige Supervision einzuführen. Komplettüberarbeitung der Betreuungsstufenmodelle und der damit zusammenhängende Verfahrensweise: HilfeempfängerInnen werden im Beratungsgespräch in vier Betreuungsstufen eingeteilt, die sich auf die Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt beziehen (Interationsfern – Stabilisierungsbedarf – Förderungsbedarf – Integrationsfähig). Jedoch sind solche Modelle nur dann sinnvoll, wenn sie wissenschaftlich fundiert und durchlässig gestaltet sind, sowie die MitarbeiterInnen angemessen darin geschult wurden. Dazu müssen die SachbearbeiterInnen ebenso eine professionelle soziale Ausbildung genossen und genug Zeit für Beratungsgespräche haben, um HilfeempfängerInnen in solche Betreuungsstufen überhaupt einteilen zu können. Die derzeitige vorschnelle Einteilung ist keineswegs hinreichend oder zielführend. Zudem muss der in einem Integrationsassessment (s. Punkt 1) festgelegte Integrationsplan Vorrang vor einer Betreuungsstufeneinteilung haben, wenn diese nicht sogar durch die Einführung des Integrationsassessments hinfällig wird. Keine befristeten Arbeitsverträge mehr: Die ArbeitsvermittlerInnen selbst andauernd in einer unsicheren Arbeitssituation zu belassen, ist nicht hinnehmbar. Dies hat weitreichende negative Auswirkungen auf ihre Arbeit. Befristungen in deren Arbeitsverträgen müssen der Vergangenheit angehören. 

11) Öffentliche Schulungen und Aufklärung über die derzeitigen

Verfahrensweisen in der Arbeitsvermittlung und Rechtsansprüche vonLangzeitarbeitslosen

Viele BedarfsempfängerInnen sind wenig bis gar nicht über ihre Rechte innerhalb des Vermittlungsprozesses informiert. Zudem stellen die erwarteten bürokratischen Zusammenhänge und Vorgänge eine meist hohe Hürde dar. Diesem Umstand kann durch gezielte Information der BedarfsempfängerInnen entgegen gewirkt werden. Dazu müssen öffentliche Aufklärungsveranstaltungen durch die Bundesagentur für Arbeit implementiert werden, so dass mögliche Vorbehalte und Wissenslücken innerhalb der Bevölkerung abgebaut werden können (siehe „Faulenzerdebatte“). Bei diesen Veranstaltungen können auch Projekte und Maßnahmen vorgestellt werden, die als Förderinstrumente der Arbeitsmarktintegration dienen. Hinzukommend, dass besondere Veranstaltungen für Unternehmen angeboten werden können, so dass für die Leistungsfähigkeit der Klientel geworben und auch hier die Akzeptanz erhöht wird. 

12) Privatvermögen / Besitzstandswahrung

Privatvermögen und -eigentum dürfen nicht durch eine Lebenskrise wie Arbeitslosigkeit bedroht werden. Die aktuelle Verfahrensweise innerhalb des SGB II geht bis hin zum Verkauf von Lebensversicherungen unter Wert. So gerät die fragile soziale Stabilität der BedarfsempfängerInnen noch weiter ins Wanken, sie werden noch einmal zusätzlich diskriminiert. Die Schuldenspirale wird weiter angekurbelt. Mit dieser Verfahrensweise muss Schluss sein! So müssen auch im ALG II – Bezug das Privateigentum und der bisherige Lebensstandard (bis zu einem bestimmten Punkt) gesichert bleiben, also eine gewisse Besitzstandswahrung in Kraft treten. Hierzu gehört auch die Abschaffung von Zwangsumzügen, die beispielsweise dadurch hervorgerufen werden, dass die schon vor der Arbeitslosigkeit bezogene Mietwohnung nicht der derzeitigen Bewilligungsnorm entspricht und aufgrund dessen von der zuständigen Behörde nicht oder nicht vollständig unterstützt wird. Dies wird zu einer gefährlichen Schuldenfalle für die Betroffenen. Auch Wohneigentum muss über den bisherigen Grenzen gesichert bleiben. Eine eventuelle Schuldentilgung des Hauskredits darf nicht zur Schuldenfalle werden, wobei die Agentur für Arbeit unterstützend tätig werden muss. Arbeitslosigkeit darf keinen sozialen Abstieg bedeuten! 

13) Abschaffung der Bedarfsgemeinschaften

Die derzeitige Verfahrensweise im Hinblick auf die Einteilung der HilfeempfängerInnen in Bedarfsgemeinschaften und damit der Beschneidung der einzelnen Ansprüche muss abgeschafft werden. Durch eine solche Einteilung wird eine gegenseitige Abhängigkeit innerhalb eines Haushaltes erzeugt, die dem Bild einer modernen, emanzipierten Gesellschaft zuwider läuft und eine Diskriminierung von Frauen weiter vorantreibt. Vermögen und Einkünfte innerhalb eines Haushaltes sind zu trennen. Den damit zusammenhängenden Veränderungen insbesondere für Familien muss mit geeigneten Mitteln entgegnet werden, so dass vor allem eine ausreichende Versorgung der Kinder sichergestellt ist. BedarfsempfängerInnen unter 25 müssen spätestens mit der Volljährigkeit die Möglichkeit haben auszuziehen und ihr eigenes Leben innerhalb einer eigenen Wohnung aufzubauen. Durch die derzeitige Verfahrensweise werden sie im Falle eines Auszugs aus dem elterlichen Haushalt zu Nesthockern degradiert und entmündigt (z.B. aufgrund der Weigerung des kommunalen Trägers zur Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung), was nicht länger hinnehmbar ist. Auch wenn ein Regelbezug für diese Altersgruppe nur im Ausnahmefall erfolgen sollte (s. Punkt 9), dürfen sie im Falle des Bezuges keinesfalls in o.g. Weise diskriminiert werden. Eine Unterstützung für das Führen einer eigenen Wohnung muss hier genauso wie beim Ü25-Klientel erfolgen (s. Punkt 3). Zudem dürfen Kinder und Jugendliche (U25) in keinster Weise für die Arbeitslosigkeit ihrer Eltern zur Verantwortung gezogen werden, schon gar nicht monetär. Ein Fall von Arbeitslosigkeit in der Familie darf nicht zur Negativ- Stigmatisierung oder gar zur Armutsfalle für die ganze Familie werden. 

14) Streichung der Bezeichnung „KundIn“

Die Bezeichnung der HilfeempfängerInnen als „KundInnen“ ist aus dem Sprachgebrauch der Agentur für Arbeit und allen Institutionen der Arbeitsvermittlung zu streichen, da dieser Begriff einen Dienstleistungsprozess suggeriert, der bei Weitem nicht dem in Aussicht gestellten Beratungs- und Vermittlungsprozess entspricht. Darüber hinaus wird durch die Anwendung der neoliberalen Sprache im Arbeitsvermittlungsbereich die nicht hinnehmbare Projektion des kapitalistischen Systems auf die sozialen Sicherungssysteme offenbart. Fortan ist stattdessen die Bezeichnung „KlientIn“ zu gebrauchen.