Antragsteller*in
N.N.
Zur Weiterleitung an
Innenpolitische SprecherInnen der SPD-Bundestagsfraktion, sowie der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz
Antragstext
Die Landeskonferenz möge beschließen:
Verantwortungsvolle sozialdemokratische Politik darf sich dieser Diskussion weder verschließen, noch darf sie das Feld den sicherheitspolitischen „Falken“ in- und außerhalb der Partei überlassen! Jusos und SPD müssen mit eigenen Vorschlägen und Positionen aktiv an die Öffentlichkeit treten. Ausgehend von unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gilt es in den nächsten Monaten und Jahren, ein zukunftsfähiges Konzept zum Umgang mit islamisch fundamentalistischem Terrorismus zu erarbeiten. Dies muss vor allem folgende Aspekte beachten:
Es muss eine differenzierte und besonnene Analyse über Ursachen, Ziele und Instrumente des islamstischen Terrorismus geführtwerden!
Anhand dieser Analyse müssen alle weitergehenden Entscheidungen und Maßnahmen in Bezug auf den islamistischen Terrorismus getroffen werden. Es ist jedoch unmoralisch, der Bevölkerung durch eine immer weitergehende Verschärfung der Sicherheitsgesetze ein falsches subjektives Gefühl von Sicherheit vermitteln zu wollen. Klar ist, dass es eine absolute Sicherheit vor terroristischen Anschlägen nicht geben kann!
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit muss bei allen Maßnahmen beachtet werden!
Bei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz handelt es sich um ein aus den Grundrechten hergeleitetes Prinzip. Danach muss staatliches Handeln, insbesondere solches, dass in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreift, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das Zweck-Mittel-Verhältnis bekommt insbesondere bei sicherheitsrelevanten Eingriffen eine besondere Bedeutung, da diese ihrem Wesen nach typischerweise in die Grundrechte eingreifen. Es ist deswegen eine besonders genaue Abwägung erforderlich.
Es muss eine Evaluierung bisher ergriffener Maßnahmenerfolgen!
Eine Evaluierung bisher ergriffener Maßnahmen von Seiten der Bundesbehörden fehlt bislang, sowohl in der öffentlichen als auch in der internen Auswertung. Statt eine immer weitere Verschärfung der Sicherheitsgesetze einzufordern, sollen die bereits bestehenden Sicherheitsgrenzen in Bezug auf ihre Verhältnismäßigkeit (Eingriff in die Bürgerrechte) überprüft werden.
„Ja“ zum „Präventionsstaat“ – aber zu einem, der diesen Namen wirklichverdient!
Statt einen Generalverdacht gegen alle potentiellen „Gefährder“ auszusprechen und damit eine Politik der Desintegration und Ausgrenzung voranzutreiben, muss in Deutschland endlich eine kohärente Integrationspolitik gerade gegenüber den Migrantinnen und Migranten mit muslimischer Religion betrieben werden. Effektive Prävention bedeutet zum einen, mit den muslimischen Verbänden und Gemeinden zusammen zu arbeiten, die sich von religiös fundamentalistischem Gedankengut eindeutig distanzieren und diese Form des muslimischen Glaubens nicht praktizieren – dies ist bei den allermeisten der Fall. Zum anderen bedeutet sie, der kulturellen Realität in Deutschland Rechnung zu tragen und diesen das Recht einzugestehen, ihre Religion offen und öffentlich auszuüben. Wer Präventionsmaßnahmen gegen Terrorismus will, der muss die dickste Wurzel und den Nährboden des Terrorismus bekämpfen: Die ungerechte Verteilung von Gütern und Wohlstand in der Welt. Hier muss eine verstärkte, bessere Entwicklungszusammenarbeit betrieben werden und der bestehenden Ungerechtigkeit entgegengewirkt werden.
Klare gesetzliche Kompetenzen und Tatbestände
Der Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Kompetenzen im Bereich des Kriminaljustizsystems deutlich voneinander getrennt sind. So stehen wir für eine Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörden. Der Einsatz der Bundeswehr ist unter den bereits jetzt umfassenden rechtlichen Möglichkeiten ausreichend geregelt. Die Eingriffsregelungen von Polizei und Sicherheitsbehörden sind deutlich abzugrenzen. Eine Ausweitung des präventiven Bereichs zur Umgehung der Anforderungen des repressiven Bereichs lehnen wir grundsätzlich ab. Tatbestände strafrechtlicher Natur müssen so formuliert sein, dass sie hinreichend bestimmbar sind. Die Definitionsmacht liegt hier nicht bei Polizei oder Gericht, sondern bei dem Gesetzgeber. Ein Tatbestand der „Verschwörung“ könnte dieser Anforderung nicht genügen.
Begründung:
Nahezu täglich bereichern neue Vorschläge im „Kampf“ gegen den internationalen islamistischen Terrorismus die öffentliche Diskussion. Ob Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, die Speicherung biometrischer Daten, der Zugriff auf Maut- Daten, die Verwendung von Foltergeständnissen oder gar das gezielte Töten von Terroristen – die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Die Begründungen lauten immer gleich: „Neue Bedrohungen“ erforderten auch neue Möglichkeiten des Rechtsstaates, diesen zu begegnen. Und man müsse eine „saubere rechtliche Grundlagen schaffen“. Viele Vorschläge dienen sicherlich der Prävention und der effektiven Strafverfolgung bei der Bekämpfung der realen Gefahr, die von Anschlägen mit terroristischem Hintergrund ausgeht. Oftmals brechen sie aber auch bewusst rechtsstaatliche Tabus und gehen gar weit über die Grenzen freiheitlicher Demokratie hinaus. Das Sicherheitsrecht des Grundgesetzes steht damit in jedem Fall vor dem größten Umbau seiner Geschichte.
Antagonismus Freiheit – Sicherheit?
Die freiheitlich-liberale Demokratie gehört zu den größten Errungenschaften der Moderne. Viele Menschen mussten im Laufe der Jahrhunderte im Kampf für BürgerInnenrechte ihr Leben lassen, in vielen Ländern dauert dieser noch heute an. BürgerInnenrechte wie das Recht auf freie Meinungsfreiheit, das Recht auf richterliche Anhörung dürfen daher auch bei der Bekämpfung von Terrorismus nicht beschnitten werden. Ein deutsches „Guantánamo“ , in denen Geständnisse unter Androhung oder gar Ausübung von Folter zustande kommen, sind in diesem Kontext unter allen Umständen zu verurteilen!
Sicherlich gilt auch das, was der Journalist Peter Carstens etwas ketzerisch in der FAZ schrieb: „Nicht von Terroristen ermordet zu werden ist ja auch ein Bürgerrecht“. Und in der Tat haben die Bürgerinnen und Bürger zu Recht die Erwartung an den Staat und seine ausführenden Organe, dass er gegen kriminelle und gewalttätige Bestrebungen im Land mit seinen ihm zur Verfügungen stehenden rechtsstaatlichen Mitteln vorgeht. Dies fängt bei kleinen Delikten wie Diebstählen oder Betrügereien an und verliert bei der Bekämpfung von Terrorismus nicht an Gültigkeit. In einer multipolaren, unübersichtlicher gewordenen Welt steigt die Sehnsucht nach Ordnung, und damit einher geht ein erhöhtes Sicherheitsverlangen der Bürgerinnen und Bürger.
Die beiden Grundrechte „Freiheit“ und „Sicherheit“, die sich nur vermeintlich in einem ständigen Spannungsverhältnis befinden, müssen daher bei jeder Entscheidung klug und besonnen abgewogen werden.
Aussagen wie: „Der Staat darf dem Bürger nicht als `schlapper Staat´ erscheinen“ (Minister Schäuble in einem Interview) sind in diesem Kontext nur kontraproduktiv. Hier ist es reine Auslegungssache, was man unter einem „starken Staat“, den sich Herr Schäuble wünscht, versteht. Ist es der starke, ja, totalitäre Staat, der seine BürgerInnen rund um die Uhr bewacht, dafür allumfassende Sicherheit gewährleisten kann? Oder ist es die libertäre Demokratie mit starken BürgerInnenrechten, die es ihnen erlaubt, in Freiheit und Selbstbestimmung zu leben, Gefahr für Leib und Leben aber nicht ausschließen kann? Müßig, dies an dieser Stelle zu diskutieren. Dennoch dürfen diese Fragen in der öffentlichen Diskussion nicht unbeantwortet bleiben.
Und doch: Es bleibt die existenzielle Frage, wie viel Freiheit, Sicherheit oder auch Unsicherheit sich eine Gesellschaft auch in Zeiten der Bedrohung durch international agierende Terroristen leisten kann, will und vor allem muss, soll ihre liberal- freiheitliche Ausrichtung nicht in ihren Grundfesten erschüttert werden.
Verantwortungsvolle sozialdemokratische Politik darf sich dieser Diskussion weder verschließen, noch darf sie das Feld den sicherheitspolitischen „Falken“ in- und außerhalb der Partei überlassen! Es kann nicht sein, dass unsere Politik darin besteht, bei jedem Papier, das das Bundesinnenministerium verlässt, laut „Nein!“ oder mal verhalten „ja, ok“ zu rufen. Stattdessen müssen wir mit eigenen Vorschlägen und Positionen aktiv an die Öffentlichkeit treten. Ausgehend von unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gilt es in den nächsten Monaten und Jahren, ein zukunftsfähiges Konzept zum Umgang mit islamistischem Terrorismus zu erarbeiten. Dies muss vor allem folgende Aspekte beachten:
Eine differenzierte und besonnene Analyse über Ursachen, Ziele undInstrumente des islamistischen Terrorismus.
Bei Terrorismus handelt es sich keineswegs um eine „neue Bedrohung“. Über Jahrhunderte hinweg hat es viele terroristische Gruppen mit ganz unterschiedlichen Motiven und Gefährdungspotentialen gegeben. Dies ist bei der aktuell vorherrschenden Form – dem islamistisch-fundamentalistischen Terrorismus – besonders hoch. Bedingt durch die religiös motivierte Ideologie, die Selbstmord zum Märtyrertum hochstilisiert, und durch den technologischen Fortschritt kam es bereits zu schweren Anschlägen mit hohen Opferzahlen. Dennoch ist eine hysterisch geführte „Angst-essen-Seele-auf“-Debatte auch angesichts real vorhandener Bedrohung destruktiv und spielt den Terroristen nur in die Hände. Stattdessen sollte in der Öffentlichkeit eine differenzierte und besonnene Analyse über Ursachen, Ziele und Instrumente des islamistischen Terrorismus erfolgen. Anhand dieser Analyse müssen alle weitergehenden Entscheidungen getroffen werden. Es ist jedoch unmoralisch, der Bevölkerung durch eine immer weitergehende Verschärfung der Sicherheitsgesetze ein falsches subjektives Gefühl von Sicherheit vermitteln zu wollen. Klar ist, dass es eine absolute Sicherheit vor terroristischen Anschlägen nicht geben kann!
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit muss bei allen Maßnahmen beachtetwerden!
Die (Un-) Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen gegen terroristische Bestrebungen wird am Beispiel „Anti-Terror-Datei“ besonders anschaulich. Bei dieser Datenbank, 2006 beschlossen, werden alle in Deutschland zu analysierenden extremistischen Erscheinungsformen erfasst und gespeichert. Hintergrund: Kampf gegen Terrorismus. Es gibt jedoch keine Zweckbindung an islamistischen Extremismus, so dass die Datenbank im Prinzip auch für rechts-, links- oder sonstigen Extremismus genutzt werden kann. Die Grunddaten, die gespeichert werden, sind: Namen, Falschnamen, alle Anschriften, Geschlecht, Geburtsdatum, -ort, -staat, aktuelle und frühere Staatsangehörigkeit, Merkmale, Lichtbilder, Sprachen, Fallgruppen und Pässe. Bei „tatsächlichen Anhaltspunkten“ abrufbar: Herkunft, alle Kommunikationsmöglichkeiten und -anschlüsse, Reisebewegungen, Konten, Schließfächer, Arbeitsstelle, Bildung, Familienstand, Religionszugehörigkeit, Fahrzeuge, Einschätzungen und Bewertungen der jeweiligen Behörden (Freitextfeld), auch Kontakt- und Begleitpersonen, Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden, …
Hier ist der Weg zum Orwellschen „Gläsernen Menschen“ tatsächlich nicht mehr weit.
Daher muss die Frage bei allen diskutierten Maßnahmen lauten: Dienen diese tatsächlich (nur) dem Vorgehen gegen potentielle islamistische Terroristen? Oder wird hier versucht, durch die Hintertür einen weiteren Schritt in Richtung Überwachungsstaat zu gehen?
Es muss eine Evaluierung bisher ergriffener Maßnahmenerfolgen
Eine Evaluierung bisher ergriffener Maßnahmen von Seiten der Bundesbehörden fehlt bislang, sowohl in der öffentlichen als auch in der internen Auswertung. Statt eine immer weitere Verschärfung der Sicherheitsgesetze einzufordern, sollten bereits eingeführte auf ihre Wirksamkeit überprüft werden: Haben sie tatsächlich dazu beigetragen, Anschläge mit terroristischem Hintergrund zu verhindern?
„Ja“ zum „Präventionsstaat“!
… aber zu einem, der diesen Namen wirklich verdient. Statt einen Generalverdacht gegen alle potentiellen „Gefährder“ auszusprechen und damit eine Politik der Desintegration und Ausgrenzung voranzutreiben, muss in Deutschland endlich eine kohärente Integrationspolitik gerade gegenüber den Migrantinnen und Migranten mit muslimischer Religion betrieben werden. Dazu zählt zum einen das Recht auf freie Religionsausübung. So ist es nur begrüßens- und wünschenswert, dass vermehrt aus muslimischen Gemeinden der Wunsch geäußert wird, ihre Religion in größeren Moscheen und zentraleren Lagen auszuüben. Dies bedeutet nicht, dass das Leben in deutschen Städten nun von den Rufen der Imame zum Gebet geprägt ist oder dass statt Kirchtürme nun Minarette das einstig idyllische Stadtbild dominieren. Auch hier gilt: Statt Angst vor dem Untergang der abendländischen Kultur zu schüren, gilt es, den Blick auf die positiven Aspekte zu richten: Die muslimischen Gemeinden erteilen der Diskussionen um Parallelgesellschaften eine klare Absage, indem sie aus ihrem „Hinterhofdasein“ in der Ausübung ihrer Religion aktiv heraus möchten.
Dies ist keine verklärende Vorstellung einiger Sozialromantiker, sondern die logische und gerechte Konsequenz kultureller und sozialer Realität in diesem Land. Deutschland ist implizit längst zu einem Einwanderungsland geworden ist und dies muss sich endlich auch explizit im Umgang mit den EinwanderInnen widerspiegeln!
Zum anderen führt der Generalverdacht, den Teile der Politik und der deutschen Öffentlichkeit gegen muslimische oder arabische Menschen aussprechen, dazu, dass „Parallelgesellschaften“ sich verfestigen oder gar erst entstehen. So führt Bundeskriminalamt (BKA) in seinem Herbstgutachten aus dem Jahr 2006 bis zu diesem Zeitpunkt 220 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund auf. Eine durchaus Besorgnis erregende Zahl. Erstaunlich dabei ist, dass keines dieser Ermittlungsverfahren auf einen Hinweis aus dem arabisch- muslimischen Bevölkerungsteil der Bundesrepublik zurückgeht. Hier stellt sich die Frage, wo präventive Maßnahmen eigentlich ansetzen müssen. Auch dass deutsche Sicherheitsbehörden bis heute ein Zugangsproblem zu den Moscheen haben, in denen nachweislich so genannte „Hassprediger“ ihre Grundgesetz-feindlichen Ideologien verbreiten, und in deren Dunstkreis potentielle islamistische Attentäter rekrutiert werden, deckt die Versäumnisse der Terrorismusbekämpfung und – eindämmung auf.
Effektive Prävention bedeutet somit zum einen, mit den muslimischen Verbänden und Gemeinden zusammen zu arbeiten, die sich von islamistischem Gedankengut eindeutig distanzieren und diese Abart des muslimischen Glaubens nicht praktizieren– was die allermeisten tun. Zum anderen bedeutet sie, der kulturellen Realität in Deutschland Rechnung zu tragen und diesen das Recht einzugestehen, ihre Religion offen und öffentlich auszuüben.