Antragsteller*in

N.N.

Zur Weiterleitung an

SPD-Landesparteitag

Antragstext

Die Landeskonferenz möge beschließen:

Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sieht vor, eine flächendeckende und verdachtsunabhängige Aufzeichnung aller Verbindungsdaten der Kommunikation sämtlicher Bürgerinnen und Bürger in Deutschland einzuführen. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, ob es das Telefon, Handy, E-Mail oder Internet betrifft. Jeder wird so extrem in seiner Privatsphäre beeinträchtigt und das Stichwort gläserner Bürger würde Realität werden.

Wir die Jusos Rheinland fordern daher, das gesamte Gesetzesvorhaben zu stoppen. Es ist falsch auf Kosten der bürgerlichen Rechte die Jagd nach Terroristen voranzutreiben. Es ist falsch den Weg zu einem Überwachungsstaat durch solche Gesetze zu ebnen.

Es ist falsch durch fadenscheinige Terrorabwehrmaßnahmen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken. Spätestens wenn dieser Punkt erreicht ist, gestehen wir dem Terrorismus ein, dass er Erfolg hat.

In letzter Zeit ist zu beobachten, dass unter Innenminister Schäuble die Vorratsdatenspeicherung als erster Schritt gesehen wird, auch den sogenannten Bundestrojaner durchzusetzen. Denn sind erst einmal alle Verbindungsdaten aufgezeichnet, lässt sich so einfach herausfinden in welchen Adressbereichen man einen solchen Trojaner installieren muss, um fündig zu werden. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Privatsphäre die Brügerinnen und Bürger dann noch haben.Das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, dass dadurch diesen Generalverdacht kommuniziert wird, ist nicht das eines demokratischen Rechtstaates. Ein allgemeines Grundmisstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern prägt auch die Stimmung der Bevölkerung in negativer Weise und läuft Gefahr sich besonders gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Muslime und Ausländer zurichten.

1. Frage nach derAngemessenheit

Die Speicherung aller Verbindungsdaten der Kommunikation völlig unbescholtener Bürgerinnen und Bürger stellt einen schweren Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Wer wann mit wem von welchem Ort aus kommuniziert hat – dies zu wissen berührt den Kernbereich privater Lebensumstände sowie Geschäftsgeheimnisse. Es ist bisher in keiner Weise überzeugend dargelegt, dass die Speicherung solch sensibler Daten in Fällen, in denen nicht einmal ein Anfangsverdacht vorliegt, angemessen ist. Ein Generalverdacht läuft zu dem unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuwider. Denn schuldig ist nur der, dem man seine Schuld nachweisen kann. Da ist es nicht gerechtfertigt alle Menschen der BRD zu verdächtigen.

2. Gefahr desMissbrauchs

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat öffentlich vor einem möglichen Missbrauch der Daten gewarnt, die bei zahlreichen Telekommunikationsunternehmen und Internetprovidern gespeichert werden sollen. Schon die Befürchtung von Missbrauch schreckt von unbefangener Telekommunikation ab, auf die Menschen in Notlagen (z.B. bei Gesundheits-, Ehe- oder Drogenproblemen) ebenso angewiesen sind wie die demokratische Gesellschaft insgesamt (z.B. Schutz von Informanten der Presse als Voraussetzung der Aufdeckung öffentlicher Missstände).

3. Kosten-Nutzen-Analyse

Die Vorratsdatenspeicherung verursacht nach Angaben der Wirtschaftsverbände erhebliche Kosten für die Anschaffung und den Betrieb der notwendigen Technik. Diese Kosten gehen letztlich zu Lasten der Verbraucher und der Steuerzahler und stehen damit beispielsweise nicht mehr für gezielte Projekte zur Kriminalprävention zur Verfügung. Bisherige Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung und die Möglichkeit, in Verdachtsfällen auf kurzzeitig gespeicherte Verbindungsdaten (bspw. „Quickfreeze“) zurück zu greifen, haben sich in der Praxis als ausreichend erwiesen. Bei einem begründeten Verdacht und mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl ist es schon heute möglich die Daten der letzten 90 Tage einsehen zu können. Das Missverhältnis zwischen Aufwand und möglichem Ergebnis ist augenfällig.

Bei ca. 80 Millionen Menschen die hier in Deutschland leben, würde allein schon jeden Tag eine so riesige Datenmenge anfallen, dass deren Auswertung Monate dauern würde.

4. Zweifel an der Pflicht zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Namhafte Experten weisen darauf hin, dass für die EU-Richtlinie, die mit dem Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung umgesetzt werden soll, keine Ermächtigungsgrundlage besteht. Die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres muss über die „Dritte Säule“ erfolgen, in der nur einstimmige Entscheidungen getroffen werden können. Irland hat deswegen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt mit dem Ziel, die Richtlinie für unwirksam erklären zu lassen. Eine vorherige Umsetzung wäre vorauseilender Gehorsam, der uns unter Umständen teuer zu stehen kommen könnte. Diese Klage sollte zumindest abgewartet werden. Außerdem verstößt die Richtlinie nach Meinung namhafter Experten gegen die im Europarecht verankerten Grundrechte.

Wir fordern die Parteien daher auf, die Umsetzung der allgemeinen Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten auszusetzen und zunächst in einem offenen Dialog mit ihren Mitgliedern und den Bürgern die Risiken der Vorratsdatenspeicherung zu erörtern. So sehr wir uns eine wirksamere Bekämpfung des Terrorismus wünschen, so wenig möchten wir durch unüberlegtes Handeln neue Gefahren heraufbeschwören und die freiheitlichen Grundrechte einschränken, derenVerteidigung gerade das Ziel des Kampfes gegen Terrorismus und andere Feinde einer demokratischen und offenen Gesellschaft ist!