Antragsteller*in

N.N.

Zur Weiterleitung an

Innenpolitischen SprecherInnen der SPD-Bundestagsfraktion, sowie der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz

Antragstext

Die Landeskonferenz möge beschließen:

Freiheit ist für uns die Grundlage und die Idee einer friedlichen Gemeinschaft. Sie zu schützen obliegt dem Staat als unabhängigen Dritten im Sinne eines Gesellschaftsvertrages. Sicherheit steht ihr nicht entgegen, sondern ist Bestandteil dieser Freiheit. Sicherheit kann nur dort entstehen, wo die Freiheit des Einzelnen durch die Freiheit des Anderen begrenzt ist und eine gemeinsame Verpflichtung zur Achtung der Freiheit des jeweilig anderen Grundlage ist. Freiheit ist die Grundlage  für ein sicheres Zusammenleben. Freiheit ist für uns Jusos aber auch immer Freiheit im positivistischen Sinne. Also die Freiheit von beispielsweise materieller Not. Aus diesem Freiheitsbegriff erwächst die Grundlage für gerechtere Umverteilung in unserer Gesellschaft. Es ist Aufgabe des Staates dies zu gewährleisten.

Staatliche Maßnahmen haben sich an diesem Prinzip zu orientieren.

Begründung:

Der 11.09.2001 hat auch in Deutschland tiefe Spuren hinterlassen. Zwei Flugzeuge rasten in die beiden Türme des World Trade Centers und brachten diese zu Fall. 3600 Menschen kommen bei diesem Anschlag um ihr Leben. Die Welt hält den Atem an. In den folgenden Wochen beherrscht Angst vor erneuten Anschlägen die politische Diskussion. Freiheit mutet in dieser Zeit mehr einer sozialromantischen Utopie an. Sicherheitspolitiker nutzen die „Gunst“ der Stunde um ihre kriminalpolitischen Gedankengänge in die Wirklichkeit zu übertragen. Es folgen sechs Jahre innenpolitischer Diskussion. Sicherheitsgesetze werden ausgeweitet und Bürgerrechte eingeschränkt.

Im Mittelpunkt steht dabei immer die Diskussion um das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit zueinander. Ein hochrangiger Innenpolitiker lässt schon wenige Wochen nach dem Anschlag die These Humboldts verkünden, Sicherheit sei Vorraussetzung der Freiheit. Ungeachtet ließ er dabei wohl, unter welchen Umständen Wilhelm von Humboldt zu dieser Erkenntnis kam. Der Aufklärer lebte in einem imperialen, undemokratischen Staat. Die Willkür des Staates führte zu einer extremen Unsicherheit für seine Bürger: Einsperren, Strafen und Verurteilen oblag der Laune des Staates. Aus diesem Grund forderte Humboldt Bürgerrechte zum Schutz der Bevölkerung vor dem Staat ein.

In der Diskussion in den letzten Jahren wird dieser Sicherheitsbegriff oft missbraucht oder umgekehrt. Es geht nunmehr darum, den Staat Eingriffsbefugnisse zu geben, um den Bürger zu schützen. Der Erweiterungsanspruch des Sicherheitsbegriffes liegt nicht mehr im unmittelbaren Interesse des einzelnen Bürgers, sondern vielmehr in dem über den Staat vermitteltem Interesse des Bürgers. Der Bürger wird nicht mehr vor dem Staat geschützt, sondern der Staat schützt nunmehr den Bürger.

Um das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit zu klären müssen die unterschiedlichen Bedeutungsinhalte geklärt werden.

Freiheit findet im Grundgesetz vor allem in Art. 2 Abs. 1 Ausdruck. Sie ist die Fähigkeit, sich und über sich selbst zu bestimmen. Freiheit ist die Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Sie besteht auch in der Anerkennung der Freiheit des anderen. Sie ist Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung. Freiheit und Gleichheit bedingen einander und sind untrennbar miteinander verbunden. Eine wechselseitige Freiheit ist die Grundvoraussetzung des Rechts, der Mitmenschlichkeit und des verträglichen Gemeinwesens. Absolute Freiheit heißt, vor nichts und niemanden Angst haben zu müssen. Angst erzeugt immer eine Situation des Drucks und der Unterdrückung und schließt eine Freiheit aus. Freiheit dient aber auch dazu, sich abzugrenzen: Der Freiraum ist jener Bereich, in dem sich der Einzelne – losgelöst von der ihn umgebenden Umwelt – entfalten kann. Natürlich kann es zu einem Spannungsverhältnis zwischen Recht und Freiheit kommen. Aus diesem Grund ist die im Grundgesetz garantierte Freiheit auch nur soweit gewährleistet, solange sie nicht in die Rechte anderer eingreift.

Kants Formel von der Freiheit lautete: „Freiheit ist Idee, aber auch Bedingung des praktischen Zusammenlebens in einer Gesellschaft in einem Staat. Sie nimmt somit eine zentrale Rolle im Staatsgefüge ein. Nicht Sicherheit wird durch Freiheit legitimiert. Die Idee der Freiheit legitimiert den handelnden Staat.

In der Zeit der Aufklärung galt es die Zwänge der Sicherheit zu überwinden. Jean- Jacques Rousseau formulierte „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten“. Die Ketten sollten gesprengt werden, jedoch nur soweit, als dass es in einem Gemeinwesen möglich ist. „Politische Freiheit bedeutet nicht, dass man machen kann, was man will. In einem Staat kann Freiheit lediglich bedeuten, dass man zu tun vermag, was man wollen soll, und man nicht zu tun gezwungen wird, was man nicht wollen soll.“, so Montesquieu in seiner Schrift „Vom Geist der Gesetze“13. Er unterscheidet zwischen der Freiheit, die dem Mensch wegen seines Menschseins eigen ist und der Freiheit, die jedem Menschen in Bezug auf der Gesellschaft zuzubilligen ist.

Die Kernbotschaft der Aufklärung war die Unterstellung, dass der Mensch seine eigene Würde hat. Teil und Ausdruck dieser Würde ist insbesondere der eigene Wille. Diese Freiheit vermag sich jedoch nur in Bezug auf die Gesellschaft entfalten. Die Freiheit findet ihre Grenzen dort, wo die Freiheiten eines anderen Menschen betroffen sind. Es ist die Freiheit des Anderen. Dieser Freiheitsbegriff meinte eine echte Freiheit innerhalb einer Gesellschaft, und verabschiedet sich von der Freiheit des eigenen Willens eines egozentrischen Wesens. Wenn man diese richtige Freiheit anerkennt, erhält man die Sicherheit, die zur Entfaltung im Denken und Handeln benötigt wird. Wie Humboldt kommt auch Montesquieu zu dem Ergebnis, die Freiheit bestehe in der Sicherheit. Sicherheit sei nichts anderes als eine ausbalancierte Freiheit aller. Nicht die Sicherheit ist die Grundlage für die Freiheit, sondern aus der Freiheit aller erwächst die Sicherheit des einzelnen.

Kant sah in der Freiheit den eigentlichen Grund des menschlichen Daseins. Danach ist der Mensch sein Zweck an sich. Diese Freiheit kommt im freien Willen zum Ausdruck. Dies erfordert jedoch auch die Anstrengung der täglichen Betätigung dieser Freiheit. Die Probleme und Herausforderungen, die die Menschen zu lösen haben, nur miteinander gelöst werden. Dies erfordert die praktische  Vernunft. Möchte man sich die Würde erhalten, müsse man von dieser Gedankenfreiheit praktischen Gebrauch machen.

Unfraglich stoßen diese Auffassung an die Grenzen der Tatsächlichkeit. Immer wieder kommt es zu Grenzüberschreitungen zwischen der Freiheit des einen und der Freiheit des anderen im alltäglichen Leben. Das Menschenbild der beginnenden Aufklärung lässt sich mit dem Gedanken Hobbes malen: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf15. Aufgrund dieses negativen Menschenbildes ging Hobbes davon aus, dass sich durch Gewalt das Recht des Stärkeren durchzusetzen vermag. Der Mensch befände sich bei der zügellosen Auslebung seiner Freiheit in dem sog. Naturzustand. Dieses Menschenbild beruht auf der Annahme, dass Konflikte innerhalb menschlicher Beziehungen ubiquitär sind. Hobbes versuchte allerdings Strategien zu entwickeln um die Mittel der Konfliktlösung gerecht zu verteilen. Dabei spielt das Recht eine wesentliche Rolle.

Ausguss der Aufklärung ist die insbesondere von Rousseau und Lock entwickelte Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Zunächst war dieses Konstrukt rein gedanklicher Natur, also „eine Erfindung der Freiheit“. Der Einzelne gibt einen Teil seiner Freiheit an einen neutralen Dritten ab, damit dieser im Falle einer Grenzenschreitung durch einen anderen den Einzelnen schützen kann. Der Dritte hat dabei dies Aufgabe  einen interessengerechten Ausgleich zwischen den beiden Widerstreitern zu finden. Dieser Verzicht auf die eigenen Rechte erfolgt freiwillig und ist somit auch wieder ein Ergebnis der Freiheit. Der von Hobbes gezeichnete Naturzustand wandelt sich in einen Zustand des Rechts. Gewalt kann nach diesem Zustand nur mit ausgeglichenen Mitteln bewirkt werden.

Kant wies dabei darauf hin, dass die Ausübung dieser Gewalt nicht entgegen dem Willen der „Erfinder“ eingesetzt werden dürfe. Sie fände ihre Legitimation lediglich in der freien Willenerklärung des Einzelnen und könne nur darauf beschränkt sein, diesen zu schützen.

Der Unterschied zwischen der amerikanischen Revolution und der französischen macht diesen Unterschied noch einmal deutlich. Während der amerikanische Verfassungsgeber, und hier sei unterstellt, dass eine Verfassung im rechtstaatlichen Sinne der Verkörperung des Gesellschaftsvertrages am nächsten kommt, gingen von der Freiheit als Grundlage für die Verfassung aus, während die Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Sicherheit in dem Verständnis der französischen Revolution erst erkämpft oder konstruiert werden müssen. Anders als in der amerikanischen Verfassung gab es nichts, über das der Souverän nicht verfügen dürfte. Dabei unberücksichtigt blieben die Befürchtungen Kants. Auch der demokratische Souverän verliert das Maß, wenn er in der Ausübung seiner Macht ungezügelt ist. Schon bald wurden die Grundwerte der Revolution in Freiheit umformuliert.

Freiheit ist die Grundlage unseres Staates. Auch aus diesem Grund steht das bekannteste Grundrecht an erster Stelle: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der Staat findet die Legitimation seines Handelns in der Würde des Einzelnen. Um auch in der Debatte um die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen als Gemeinschaft weiter bestehen zukönnen, bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Die Sicherheit der Allgemeinheit kann nicht mit der grundsätzlichen Willensfreiheit (nicht Handlungsfreiheit) des einzelnen abgewogen werden. Die Bedrohung des Staates darf nicht als Kollektivbedrohung betrachtet werden. Es ist auf die Gefahr der Freiheit des Einzelnen abzustellen. Die abstrakte Sicherheit des Volkes ist von der individuellen Freiheit des Einzelnen gedanklich zu trennen. Aufgrund dieses Gedankengangs kann das Objekt staatlichen Schutzes verstanden werden: Die Freiheit des Einzelnen.

Sicherheit kann nicht dazu führen, dass derjenige, der sie erst legitimiert, durch sie geschädigt wird. Bei der Schaffung neuer rechtlicher Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ist die Freiheit des Einzelnen Grundlage und Idee. Die Maßnahmen müssen immer unter diesem Blickpunkt betrachtet werden.