Antragsteller*in
N.N.
Zur Weiterleitung an
Innenpolitischen SprecherInnen der SPD-Bundestagsfraktion sowie der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz
Antragstext
Die Landeskonferenz möge beschließen:
Die gesetzlichen Grundlagen für einen Einsatz der Bundeswehr sind hinreichend. Es bedarf keiner verfassungsrechtlichen Novelle. Die Erfahrungen aus der Geschichte verpflichten uns zu einer strikten Trennung von Bundeswehr und Polizei. Der Einsatz im Inneren kann nur in den schon bestehenden Gesetzesrahmen zulässig sein.
Die rechtliche Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr während des G8-Gipfels war nicht gegeben. Aus diesem Grund kritisieren wir den Einsatz auf das schärfste.
Begründung:
In den vergangenen Monaten ist immer wieder der Einsatz der Bundeswehr im Inneren diskutiert worden. Innenminister Schäuble (CDU) hat hierzu kontinuierlich den Weg der öffentlichen Äußerung gewählt. Dabei hat er nicht davor gescheut auch Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat damit unter Druck zu setzen. Buchstäblich gipfelte diese Diskussion in den probehaften Einsatz der Tornados und anderer Mittel der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm.
Schon jetzt gibt das Grundgesetzt einige Möglichkeiten die Bundeswehr auch im Inneren einzusetzen. Für die Arbeit der Streitkräfte im Inneren beinhaltet das Grundgesetz zwei Ermächtigungsgrundlagen: Art. 87a und Art. 35. Art. 87a GG regelt grundsätzlich die Aufgabe der Streitkräfte. Dies ist die Verteidigung, also die Abwehr eines Angriffs von Außen. Liegt ein Verteidigungsfall gemäß Art. 115 a I 1 GG vor, so darf die Bundeswehr nach Art. 87a III GG auch im Inneren eingesetzt werden. Dies ist im Falle des sogenannten „äußeren Notstand“ der Fall. Die Bundeswehr darf dann zivile Objekte schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung übernehmen. Ein solcher Verteidigungs- oder Spannungsfall (art. 115a I 1 GG) war im Falle des G8-Gipfels sicherlich nicht gegeben.
Nach Art. 87a II GG dürfen Streitkräfte darüber hinaus nur dann eingesetzt werden, wenn es die Verfassung ausdrücklich zulässt. Hierin kommt die grundsätzliche Trennung von militärischer und polizeilicher Gewalt zum Ausdruck. Zudem kann die Bundeswehr nach Art. 87a IV GG zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung durch Anordnung der Bundesregierung als Unterstützung für die Polizei und den Bundesgrenzschutz eingesetzt werden. Dies nennt man den „inneren Notstand“. Auch in diesem Fall ist die Einsatzmöglichkeit der Bundeswehr begrenzt. Sie beschränkt sich auf den Schutz ziviler Objekte und die Bekämpfung von organisierter und militärisch bewaffneter Aufständiger. Die Streitkräfte sind in einem solchen Fall nur Ultima Ratio und dürfen nur als äußerstes Mittel eingesetzt werden (Art. 91 II GG). Über den Einsatz entscheidet die Bundesregierung. Bundesrat und Bundestag können allerdings den Einsatz der Bundeswehr einschränken.
Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf den Einsatz von Streitkräften im Inneren. Dies heißt, dass nur ein Einsatz der Bundeswehr unter die in Art. 87a GG formulierten Grenzen gestellt ist. Die Vorraussetzungen eines solchen Einsatzes hat das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz vom 15. Februar 2006 noch einmal bestätigt16. Ein Einsatz der Bundeswehr ist eine Verwendung der Streitkräfte als in der Regel bewaffnetes Verwaltungsorgan. Danach setzt ein Einsatz die Ausübung eines hoheitlichen Zwangs voraus. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Bundeswehr schlicht-hoheitlich tätig wird.
Der Tiefflug der Tornados hat auf die Demonstranten eine einschüchternde Einwirkung gehabt. Sie wurden damit unter psychischen Druck gesetzt. Eine Zwangsausübung ist hier jedenfalls anzunehmen. Wie es sich bei den Tornados verhält, die in ausreichender Höhe geflogen sind, mag das Gericht zu klären wissen. Die Mindestflughöhen finden ihre rechtliche Begründung nicht in dem Einschüchtern von Personen, sondern in vielen anderen Erwägungen, unter anderem den immissionsrechtlichen Erfordernissen. Sie können nicht als Grenze des Einschüchterungsmerkmal herangezogen werden, da der Sinn und Zweck dieser Regelungen nicht mit dem beeinträchtigten Recht übereinstimmt. Von dem Überflug der Tornados entstand der Eindruck, man sei in einem Krisengebiet und man müsse sich vor dem Einsatz der Bundeswehr als Gegner der Demonstranten fürchten. Dies dürfte bei den Menschen auf den Demonstrationen der Eindruck gewesen sein. Viele Leute werden die Demonstration jedoch auch gemieden haben, da sie aufgrund des militärischen Agierens sich derart eingeschüchtert fühlten, dass sie sich erst gar nicht auf eine solche Demonstration trauten. Vielleicht war das auch so gewollt. Wenn man jedoch einen Einsatz bejaht, würde das Handeln jedoch an den weiteren Vorraussetzungen des Art. 87a GG scheitern. Ein Verteidigungsfall lag jedenfalls unfraglich nicht vor.
Selbst wenn man nicht zu dem Schluss käme, dass hier ein Einsatz im Sinne des Art. 87a GG vorliegt, kann die Bundeswehr trotzdem nach Art. 35 GG tätig werden. Art. 87a GG stellt ein „lex specialis“ zu Art. 35 GG da. In Art. 35 GG ist die allgemeine Rechts- und Amtshilfe geregelt. Grundsätzlich ist Amtshilfe unter allen Behörden des Bundes und der Länder möglich. Die Bundeswehr ist auch eine Behörde in diesem Sinne. Unter Amtshilfe versteht man die Vornahme von Handlungen in rechtlicher oder tatsächlicher Art durch eine andere Verwaltungsbehörde zur Unterstützung der ersuchenden Verwaltungsbehörde. Aufgrund der immanten Ausschlussregelung in Art. 87a II GG kann sich ein solches Tätigwerden der Bundeswehr nur auf verteidigungsfremde Hilfeleistungen beziehen, also zumeist technische, organisatorische oder personelle Hilfe.
Nach Art. 35 II 2, III GG kann die Bundeswehr im Falle eines regionalen bzw. überregionalen Katastrophenschutzes Hilfe leisten. Dies bezieht sich auf Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle. Auch hier ist allerdings das Tätigwerden der Bundeswehr subsidiär-. Eine Hilfeleistung kann nur dann in Frage kommen, wenn die Katastrophe noch andauert, schon geschehen ist oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch bevorsteht. Ein rein präventives Tätigwerden ist nicht zulässig. Die Hilfe muss sich auf solche Mittel beschränken, die auch der Polizei originär zur Verfügung stünden. Die Verwendung von militärischen Kampfmitteln ist hier nicht möglich.
Grundsätzlich ist der Einsatz der Bundeswehr auch bei Suchaktionen möglich. Wärmebildsuchen sind nicht nur bei der Opfersuche, sondern auch bei der Suche nach Tätern zulässig. Hier würde die Bundeswehr grundsätzlich schlicht hoheitlich tätig. Die Bundeswehr ist hierzu jedoch erst dann nach Art. 35 GG grundsätzlich in der rechtlichen Zulässigkeit, wenn die Länderpolizeien oder der Bundesgrenzschutz nicht in der Lage sind diese Aufgaben mit der eigenen Ausrüstung zu bewältigen. Es ist hier allerdings zu fragen, ob der Einsatz der Bundeswehr zum Zwecke der Aufzeichnung von Wärmebildern insofern zulässig war, als dass es hier nicht um die Auffindung eines konkreten Täters ging, sondern lediglich um die Aufzeichnung allgemeiner Informationen. Solche observierende Maßnahmen obliegen der Polizei. Dies kann sie auch mit den herkömmlichen Mitteln (Hubschraubern oder Flugzeuge) durchaus bewältigen. Dies ist schon bei kleinen Demonstrationen möglich und wird häufig auch zur Beobachtung bestimmter Strömungen und Gruppenbildungen innerhalb der Demonstranten verwendet. Es bleibt die Frage, ob hier wirklich die Ressourcen der Polizei erschöpft waren und
Zusätzlich liegt in den konkreten Fällen eine militärische Zwangsausübung vor und somit wären schon der rechtliche Rahmen des Art. 35 GG überschritten.
Der Bundeswehreinsatz im Inneren ist schon jetzt nach den Regelungen des Grundgesetzes möglich. Dies kann allerdings aus guten, historischen Gründen nur in engen Grenzen stattfinden. Grundsätzlich soll die Sicherheit und Ordnung innerhalb Deutschlands durch die Polizei ermöglicht werden. Die Verteidigung ist Aufgabe der Bundeswehr. Darüber hinaus kann es keinen derartigen Einsatz geben, es sei denn, er ist mit den Grenzen des Art. 35 GG vereinbar. Kein Mensch hätte ernsthaft darüber diskutiert, wenn deutsche Soldaten im Wege der Amtshilfe der Polizei bei der Vermeidung oder Eindämmung von Fluten zur Seite geträten wäre. Hier wurde jedoch bewusst eine verfassungsrechtliche Grenze durchbrochen. Dies erscheint aus den historischen Erfahrungen als äußerst unangemessen. Wenn die Polizei technisch oder personell nicht in der Lage ist, den Staat gegen Gefahren zu schützen, hat die Politik solche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wahrnehmung der Aufgaben durch die Polizei ermöglichen. Eine Verfassungsänderung wäre hier der falsche Weg.