Antragssteller*in

N.N,

Zur Weiterleitung an

SPD-Landesvorstand, SPD-Bundesvorstand, SPD-Landtagsfraktion RLP, Landesgruppe der SPD RLP im Bundestag

Antragstext

Die Landeskonferenz möge beschließen:

Die Jusos Rheinland-Pfalz fordern den SPD-Landes- und Bundesvorstand, die SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz und die SPD-Bundestagfraktion dazu auf,

1. die bestehenden Finanzierungsstrukturen im Kampf für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu sichern,

2. diese Strukturen sowohl auf Landes-, auf Bundesebene, als auch auf europäischer Ebene auszubauen beziehungsweise sich dafür einzusetzen, insbesondere durch Aufstockung der finanziellen Mittel, 

3. diese finanziellen Mittel nicht dadurch zu minimieren, indem Gelder für den Kampf gegen Linksextremismus abgezweigt werden,

4. eine langfristige und kontinuierliche Förderung von Projekten für Demokratie und gegen Rechtsextremismus möglich zu machen, sich aber auch darüber hinaus mit anderen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, wie Handeln gegen Rechtsextremismus wirksamer und effektiver werden kann.

1. Die Rechten auf dem Vormarsch – Finanzierung von Projekten gegen Rechts auf dem Rückzug?

Einzug in die Parlamente

Mit dem Einzug der NDP in das Landesparlament von Mecklenburg-Vorpommern erreicht eine sich schon länger andeutende Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt: Die rechtsextreme Szene zeigt sich zunehmend professionalisiert und angepasst. Sie polarisiert nicht mehr nur in hohem Maße, sie weiß sich geschickt in die Köpfe der Mitte unserer Gesellschaft einzunisten.

Rechtsextreme Parteien sitzen mittlerweile in vier Landesparlamenten, zahlreichen Bezirksparlamenten und kommunalen Parlamenten. Der so genannte „Kampf um den organisierten Willen“, der ursprünglich als vierte Säule der strategischen Ausrichtung der NPD gedacht war, scheint vielerorts leider erfolgreich. Die Absprachen der NPD mit der DVU 2004 bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, die zunächst geplante Bündelung der Kräfte in Rheinland-Pfalz mit der „Resolution von Remagen“ 2004, die dann glücklicherweise so nicht funktionierte (beide Parteien, sowohl Republikaner als auch NPD traten bei den Landtagswahlen 2006 letztlich mit eigenen Listen an), sind nur zwei Beispiele für koordiniertes Handeln und die strategische Bündelung der rechtsextremen Kräfte in Deutschland.

NPD, Kameradschaften und „no-go-areas“

Eine Bündelung und zunehmende Koordinierung der Kräfte findet auch zwischen NPD und den so genannten „freien Kameradschaften“ statt. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich das Konzept der „National befreiten Zonen“ genauer anschaut. Die NPD bekennt sich mittlerweile offen zu diesen Zonen und leugnet die strategische Verbindung zu den Kameradschaften nicht. Diese fungieren zunehmend als verlängerter Arm der rechten Parteien, um den „Kampf um die Straße“ weiter voranzutreiben. So gibt es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern so genannte „no-go-areas“, in denen Kameradschaften und NPD Kommunen verschiedene Dienstleistungen anbieten, wie Bierbänke und Partyzelte für Dorffeste zur Verfügung stellen, ohne dass dies von der Öffentlichkeit bewusst wahrgenommen beziehungsweise moniert wird.

Auch die Verbindung von Kameradschaften und NPD im Zusammenhang mit Übergriffen auf SPD-Wahlhelfer anlässlich der Landtagswahlen 2006 in Berlin sind nicht von der Hand zu weisen. Oft haben auch Führungskader der NPD eine Vergangenheit in Kameradschaften beziehungsweise sind früher schon als rechtsextreme Aktivisten auffällig geworden. Eine eindeutige Trennung von Partei und Kameradschaft ist also nicht möglich. Sie ist sogar auch öffentlich von NPD-Funktionären nicht gewollt, wie ein Fernsehbeitrag der ARD über die Rechten in der Sächsischen Schweiz zeigt. Hier gibt ein Funktionär, unter anderem Mitglied eines Stadtparlamentes, zu, Mitglieder einer mittlerweile verbotenen Kameradschaft zum „Schutz“ einer Veranstaltung der NPD eingesetzt zu haben.

Unsichere Zukunft für Finanzierung von Projekten gegen Rechtsextremismus

Während die rechtsextremistische Szene sich mehr und mehr professionalisiert, stocken die Bemühungen um eine Sicherstellung langfristiger Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte gegen Rechtsextremismus und für Toleranz und Demokratie immer wieder. So laufen Programme wie Civitas, Entimon und Xenos Ende des Jahres aus. Erst die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern (7,3 % der Stimmen für die NPD) lassen die Bemühungen wieder verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. 

Bei Projekten für Demokratie bzw. gegen Rechtsextremismus, die sich aus den benannten Töpfen finanzieren und die bereits Teile ihrer Strukturen institutionalisiert haben (beispielsweise eine Geschäftsführung hauptamtlich eingestellt haben) , fällt es angesichts einer nur kurzfristigen Finanzierungssicherheit schwer, kontinuierlich gegen Rechts zu arbeiten. Ein Großteil der Arbeitsstunden der Geschäftsführungen beschränken sich oft darauf ihr eigenes Fortbestehen zu sichern, indem sie immer wieder jedes Jahr versuchen müssen, neue Finanzierungsmöglichkeiten aufzutun. Ein langfristiges und kontinuierliches Arbeiten ist so nicht möglich. 

Die CDU dräng, wie immer darauf, den Kampf gegen den Extremismus generell zu führen, d.h. für die CDU konkret Gelder vom Rechtsextremismus-Topf in einen neuen Topf für den Kampf gegen Linksextremismus zu geben.

Wir Jusos lehnen diese Art der Verharmlosung von Rechtsextremismus ab und fordern die SPD-Bundestagfraktion auf, auch in Zukunft zu verhindern, dass solche Versuche fruchtbaren Boden finden! 

2. Das Netzwerk für Demokratie und Courage- Beispiel für ein erfolgreiches Projekt

Bei Sicherstellung und Institutionalisierung von finanziellen Strukturen würden zahlreiche Organisationen, Projekte und Netzwerke profitieren, die bereits gute Arbeit, mit den leider zu geringen Mitteln, leisten.

Das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) ist hier ein besonderes Projekt und weist bereits einen hohen Vernetzungs- und Organisationsgrad auf. Deshalb unterstützen wir Jusos in Rheinland-Pfalz das Netzwerk ausdrücklich, werden uns weiterhin als TrägerIn aktiv an der zukünftigen Gestaltung beteiligen und fordern die SPD- Landtagsfraktion und die Landesregierung auf, alles für den Erhalt und die Stärkung des Netzwerkes mögliche zu tun!

Demokratie und Courage stärken um Rechtsextremismus zu schwächen!

Die Besonderheit des NDC liegt auf der positiven Definition des Projektes. AdressatInnen der politischen Bildungsarbeit des Netzwerks sind nicht etwa überzeugte rechtsextreme Ideologen sondern DemokratInnen oder Unsichere. Sie gilt es zu stärken, um dem nationalsozialistischem und menschenfeindlichem Weltbild keine Chance zu geben!

Ausgangslage 

Ein Großteil der Zeit verbringen junge Menschen in der Schule oder im Betrieb. So sind Schulen und Betriebe im Besonderen, aber auch LehrerInnen und AusbilderInnen als KooperationspartnerInnen und Verbündete zu gewinnen, um effektive Maßnahmen gegen Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung zu ergreifen. Das Ziel des Projektes ist es, gemeinsam außerschulische Jugend- und Bildungsarbeit anzubieten, die schwerpunktmäßig arbeitsmarktbezogene Themen mit antirassistischer und demokratischer Arbeit verbindet. Ausgehend von den Prinzipien einer antirassistischen Bildungsarbeit in Schulen, Betrieben und Ausbildungsstätten, will das Projekt eine tolerante und offene Kultur fördern, die sich gegen Vorurteile, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stellt und das Demokratieverständnis der Jugendlichen stärkt.

Ehrenamtliche TeamerInnen leben Courage vor

Seit der Gründung des Netzwerks in Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 sind über 140 TeamerInnen ausgebildet worden. Diese sind seitdem ehrenamtlich für das NDC tätig. Sie führen die Projekttage durch, organisieren verschiedene Informationsveranstaltungen und Infostände, konzipieren und entwickeln neue Projekttage und evaluieren in regelmäßigen Abständen ihre Arbeit.

Waren es zunächst nur TeamerInnen aus den Reihen der KooperationsparterInnen, finden zunehmen auch zuvor nicht gesellschaftspolitisch aktiv gewesene junge Erwachsene den Weg zu den Teamschulungen. Während der einwöchigen Schulungen erhalten die TeilnehmerInnen eine kompetente und umfassende Ausbildung in Rhetorik und Präsentationstechniken und werden auf den Umgang mit Konflikten und Gruppenarbeiten in Schulklassen vorbereitet. Zudem müssen sich die zukünftigen TeamerInnen in die Inhalte und Ziele der Projekttage A-C einarbeiten.

Junge Menschen kommen zu jungen Menschen, um fernab vom klassischen Frontalunterricht die SchülerInnen mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt der Projekttage zu stellen.

Die Projekttage des NDC

Die Projekttage „Für Demokratie Courage zeigen“ haben zum Inhalt, die demokratische Kultur und den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen zu stärken. Das Netzwerk will Jugendlichen und jungen Erwachsenen Mut machen, nicht weg zu sehen, wenn andere rassistische Vorurteile haben und Gewalt gegenüber Mitmenschen ausüben. Es sollen Wege aufgezeigt werden, wie ein gewaltfreies Miteinander von Kulturen, Meinungsunterschiede und Konflikten, möglich ist. Jährlich werden etwa 150 Projekttage durchgeführt, mehr sind finanziell derzeit nicht möglich.(PT’en s. Anhang)

Meinung der bisherigen TeilnehmerInnen und öffentlich Wahrnehmung

Bisher wurden über 4000 Jugendliche in RLP erreicht.

Basierend auf einer umfassenden wissenschaftlichen Evaluation der Projekttage durch die Universität Mainz zeigt sich, dass die Konzeption und die Methodik in die richtige Richtung gehen. Ein Großteil der der Jugendlichen, die an den Projekttagen teilgenommen haben, sind sehr zufrieden. So geben knapp 90% der befragten SchülerInnen an, dass die Projekttage Mut machen, die eigene Meinung zu äußern und dass die TeilnehmerInnen gute Anleitungen erhalten, wie man im Alltag couragiert handeln kann. Bestätigung für die Arbeit des Netzwerks sind auch mehrere gewonnene Preise und Auszeichnungen, wie beispielsweise ein Preis im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“.

Das Netzwerk auf Bundesebene-„coporate identity“

Gegründet wurde das Netzwerk ursprünglich 1998 in Sachsen anlässlich des Einzugs der NPD in den sächsischen Landtag. Mittlerweile gibt es das Netzwerk in fast allen Bundesländern. Die Vernetzung der Landesnetzstellen untereinander drückt sich beispielhaft am angeglichenen Design der Internet-Auftritte und der Konzeptidentität der Projekttage/Inhalte aus. Konzepthoheit liegt bei der Landesnetzstelle Sachsen, die, wie bereits erwähnt, Initiator des Netzwerkes war.

Die Netzwerk-TrägerInnen sind je nach Land unterschiedlich. So findet man angefangen von der DGB-Jugend, den LandesschülerInnenvertretungen über uns Jusos, die AWO-Jugend, etliche Jugendorganisationen, die alle das gleiche Ziel eint: Den Nazis und Faschisten, die unsere demokratische Grundordnung bedrohen, elementare Menschenrechte beschmutzen, den Nährboden zu entziehen und die zu stärken, die für Demokratie und Menschenrechte einstehen.

3.Zusammenfassung:

  • Zivilgesellschaftliche Strukturen und bürgerliches Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus finden wir auf allen Ebenen. Als erfolgreiches Beispiel sei das NDC genannt.
  • Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist zunächst mal ein Kampf für unsere Demokratie. Eine Stärkung derer, die gewillt und mutig genug sind, Courage zu zeigen, bedeutet gleichzeitig eine Schwächung derer, die unsere Demokratie in ihren Wurzeln bedrohen.
  • Um die Wurzeln unserer Demokratie zu stärken bedarf es nicht nur des Engagements vieler Ehrenamtlicher, sondern ebenso einer langfristigen und kontinuierlichen Förderung von Projekten, beispielsweise durch Aufstockung der finanziellen Mittel in den jeweiligen Haushalten.

Wer diese finanziellen Mittel dadurch kürzen will, dass er Mittel gegen Linksextremismus davon abzweigen möchte, der verkennt die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht, wertet rechte Bedrohung insgesamt ab