Antragsteller*in

Jusos Rheinland-Pfalz

Zur Weiterleitung an

Juso-Bundeskongress, SPD-Landesparteitag, SPD-Landtagsfraktion, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion

Antragstext

Wir fordern die Einrichtung einer Möglichkeit auch als Selbstmelder*in ein Anti-Aggressions-Training (AAT) absolvieren zu können, bei dem die Kosten vom Land getragen werden. Hierfür veranschlagen wir vorläufig einen Topf von 300.000 € jährlich, welcher nach Etablierung an den Bedarf angepasst werden muss.

Begründung:

Anti-Aggressions-Trainings sind soziale Trainingskurse, in denen mit stark auffälligen Gewaltstraftäter*innen delikt-, defizit- und ressourcenorientiert gearbeitet wird. Die Dauer des AAT beträgt etwa 5-6 Monate mit mehrstündigen Gruppensitzungen pro Woche.

Die Rückfälligkeit in Bezug auf einfache sowie schwere und gefährliche Körperverletzung betrug in dem erfassten Zeitraum von 2004-2013, 50-60% innerhalb von 9 Jahren nach der ersten Verurteilung (vgl. Strafrechtspflege in Deutschland, 7. Auflage 2019, S.67). Im Jahr 2020 wurden in Rheinland-Pfalz 2.564 Verurteilungen aufgrund von Gewaltdelikten vorgenommen (vgl. Strafverfolgungsstatistik 2020 Rheinland-Pfalz, S.16). Von dem Anteil der Rückfälligkeit in Deutschland ausgehend, ist in Rheinland-Pfalz mit bis zu 1.500 Menschen zu rechnen, die in den nächsten 9 Jahren rückfällig werden. Auch wenn die Anzahl der Gewaltdelikte jährlich sinkt, ist die Rückfallquote deutlich zu hoch. Das AAT kann diesbezüglich ein entscheidender Baustein bei der Bekämpfung von Rückfälligkeit sein. Bei Betrachtung der in der Rückfallforschung getätigten Erhebungen durch Prof. Dr. Ohlemacher in 1987-1997, lässt sich eine deutlich niedrigere Rückfallquote von nur noch 37% nach Abschluss von AATs feststellen, von welchen 53% als deliktschwächer verortet wurden (vgl. Weidner und Gall, Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik, 2022).  Eine Studie der Katholischen Fachhochschule Mainz zur Evaluation des AAT, beziffert den Anteil der rückfälligen Kursteilnehmer*innen auf ein Drittel (vgl. Evaluation des Anti-Aggressivitäts-Trainings und des Coolness Trainings in Mainz 2007, S.16). Somit lässt sich sagen, dass das AAT ein Baustein der tertiären Gewaltprävention sein kann und effektiv bei der Senkung der Rückfallquote ist.

Für eine Kostenübernahme durch die Justiz oder aber durch das Jugendamt braucht es eine entsprechende Auflage nach einer Verurteilung. Doch nicht alle Gewaltstraftäter*innen bekommen einen entsprechenden sozialen Trainingskurs als Weisung. Ebenfalls gibt es Menschen, die schon vor einer Verurteilung feststellen, dass sie ein Problem mit gewalttätigem Verhalten haben. Diese Menschen brauchen ebenfalls die Möglichkeit an einem AAT teilnehmen zu können. Theoretisch kann jede*r an einem AAT teilnehmen, allerdings betragen die Kosten 2500-3000€ pro Kurs. Dies schreckt immer wieder Menschen ab und verhindert die Teilnahme an einem AAT.

Deswegen fordern wir, dass das Land für die Kosten aufkommen muss, um Menschen dabei zu unterstützen an ihrer Gewaltproblematik zu arbeiten und damit sowohl die Rückfallquote zu senken als auch die Anzahl der Gewaltstraftaten. Dies ginge einher mit der Senkung von Kosten in Justiz, Strafverfolgung und Inhaftierung. Letzteres allein lässt sich mit 118,12€ pro Tag und pro Person beziffern (vgl. Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 12. Dezember 2011; Aktenzeichen Z A 4 1451/6 II Z5 741/2011).

Aktuell gibt es keine offiziellen Zahlen über die Anzahl der Selbstmelder*innen in Rheinland-Pfalz, da jeder Träger seine eigenen Zahlen erhebt und diese nicht zentral gesammelt werden. Zudem sind die Kosten, die genaue Dauer des AATs und der Zahlungszeitpunkt nicht einheitlich. Dies alles variiert von Träger zu Träger.

Die veranschlagten 100.000€ ergeben sich aus einer Schätzung, die auf inoffiziellen Zahlen von Trägern aus Ludwigshafen und Mainz beruht.