Antragssteller*in

N.N.

Zur Weiterleitung an

N.N.

Antragstext

Die Landeskonferenz möge beschließen:

Die Landtagsfraktion wird aufgefordert im Rahmen der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Erwachsenenstrafvollzug und Jugendstrafvollzug durch die Länder den Gedanken des „Wegsperrens“ nicht als Hauptziel zu begreifen. Für den Bereich des Erwachsenenstrafvollzug soll der Gedanke der Resozialisierung mit den weiteren vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Strafzielen im Einklang gebracht werden. Der Jugendstrafvollzug muss dagegen unter der Idee der Förderung des jungen Menschen geführt werden. Eine eventuelle Überprüfung der Förderziele und –maßnahmen wird ebenfalls unterstützt.

Begründung:

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 2006 ist dem Gesetzgeber die Pflicht auferlegt worden für den Jugendstrafvollzug eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Des Weiteren wurde durch die Föderalismusreform den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Strafvollzuges übertragen. Es liegt also an den Ländern entsprechende Regelungen für den Strafvollzug, also auch für den Jugendstrafvollzug, zu schaffen.

Einige Länder haben bereits erklärt, dass Sie im Falle des Jugendstrafvollzuges das Wegsperren als Hauptziel definieren möchten. Mit dem ursprünglichen Erziehungsgedanken hat das dann nichts mehr zu tun.
Für den Jugendstrafvollzug gibt es derzeit noch kein eigenes Gesetz. Es bestehen nur wenige gesetzliche Regelungen bezüglich des Jugendstrafvollzuges. Die einzigen eigenständigen Regeln sind §§ 85 II 91 f., 114 f Jugendgerichtsgesetz.

Der § 91 JGG konstituiert den Erziehungsgedanken des Jugendstrafvollzuges. Danach soll der Jugendliche zu einem rechtschaffenen und verantwortungsbewussten Lebenswandel geführt werden. Dabei sollen vor allem nach § 91 II JGG Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesübung und sinnvolle Beschäftigung in der freien Zeit Grundlagen der Erziehung sein. Es ist äußerst fraglich, ob diese Zielvorstellungen noch mit der Werte- und Orientierungsbewegung, wie auch mit dem Lebensstil des 21. Jahrhunderts vereinbar ist. Es ist ohnehin sehr fraglich, ob Erziehung der richtige Begriff ist. Unter Erziehung versteht man regelmäßig einen Prozess der Einflussnahme der unmittelbaren Umwelt, so zum Beispiel Familie oder auch Schule. Dieser Prozess wird jedoch durch Strafe und Gefängnis eher gehindert. Aus diesem Grund wird empfohlen den Begriff der Erziehung durch die Förderung des jungen Menschen zu ersetzen.

Gerade die mangelnde Reife rechtfertigt den Jugendstrafvollzug. Es ist also Ziel den Jugendlichen „wieder auf die grade Bahn“ zu bringen. Da jedoch Erziehung eher Aufgabe von Familie und persönlichem Umfeld ist, wäre hier der Begriff der Förderung deutlicher. Wichtig ist, dass der Mensch in seiner Entwicklung gefördert werden soll.

In den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften über den Jugendstrafvollzug gibt es –bis auf wenige Ausnahmen- keine Mitwirkungsrechte des Insassen an der Erziehung. Der Jugendliche wird somit zum Objekt der staatlichen Erziehung. Ungeachtet der Frage der Vereinbarkeit mit Art. 1 I GG, die ja für den gesamten Bereich des Strafvollzuges gilt, ist es äußerst fraglich, ob dies zu dem gewünschten pädagogischen Erfolg führen kann. Zwar ergibt sich aus § 1 I KJHG, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu seiner eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, jedoch darf das nicht als eine Pflicht des Erzogenwerdens verstanden werden. Dennoch hat ein Jugendlicher Recht auf eine Förderung –und das muss auch für den Jugendstrafvollzug gelten.
Eine Erziehungsstrafe würde dann gegen die Menschenwürde verstoßen, wenn „der mit der gesetzgeberische Idee vorgegebene Sinn und Zweck einer Norm auf Dauer schlechthin nicht in die Tat umgesetzt werden kann“. Die neueren kriminologischen Erkenntnisse fallen hier eher negativ aus. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Jugendstrafvollzug an sich erzeigungsfeindlich ist. Es gibt jedoch einzelne Anstalten, in denen die Zustände verfassungswidrig sind oder deren Verfassungsmäßigkeit zumindest fraglich erscheint. Ein Insasse hat hier die Möglichkeit Verfassungsbeschwerde gemäß § 23 ff EGGCG einzulegen.
In § 93 II JGG ist der Gedanke des offenen Vollzug aus § 3 StVollZG normiert. Der Vollzug kann demnach gelockert und unter Umständen in freien Formen durchgeführt werden. Richtlinie ist auch hier der Erziehungsgedanke. Es kann aus pädagogischen Gründen gerade im Jugendstrafvollzug Sinn ergeben, den Vollzug frei zu gestalten. § 91 IV JGG enthält die nebensächliche, aber nicht unwichtige Bestimmung, dass Beamte des Jugendstrafvollzuges eine Ausbildung genossen haben müssen, die zur Erfüllung des Erziehungsgedanken geeignet ist. Gerade im Jugendstrafvollzug ist es wichtig, dass die Vollzugsbeamten die Fähigkeit besitzen sich mit dem Inhaftierten auseinander zusetzen. In der Rechtswissenschaft und insbesondere in der Politik wird immer wieder über eine Herabsenkung der Jugendstrafmündigkeit diskutiert. Eine Minderheit diskutiert jedoch auch über eine Ausdehnung des Jugendstrafvollzuges auf 24-Jährige. Kriterium ist hierfür vor allem die mangelnde Reife nach § 205 I Nr. 1 JGG. Diese ist dann anzunehmen, wenn der Heranwachsende nach einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit und der Umweltbedingungen dem Jugendlichen gleichzustellen ist. Insbesondere der spätere Eintritt ins Berufsleben, die veränderten Familienverhältnisse, die Wert und Orientierungslosigkeit, Migration- und Integrationsprobleme und gesellschaftliche Veränderungsprozesse lassen eine Diskussion über die Ausweitung des Heranwachsendenalters mit dem Erwachsenenstrafvollzug als Regelbestimmung für gerechtfertigt erscheinen.

Zusammenfassend kann man feststellen, das Grundlage und Idee –und Grund- des Jugendstrafvollzug ist, dass man dem Jugendlichen und dem Heranwachsenden eine Reife unterstellt, die noch nicht der eines Erwachsenen entspricht. Gerade deswegen ist die Förderung eines Jugendlichen oder auch eines Heranwachsenden von zentraler Bedeutung. An diesen grundsätzlichen Normierungen muss auch in Zukunft festgehalten werden. Der Jugendstrafvollzug kann nur dann Sinn ergeben, wenn er in der Annahme vorgenommen wird, dass ein Jugendlicher durch den Vollzug in seiner Entwicklung zu einem eigenverantwortlichen, normtreuen Leben gefördert wird.

Der Gedanke der Resozialisierung im Erwachsenen Strafvollzug wurde durch das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt und auch durch das alte StVollZG nach Maßgabe der Regeln gewährleistet. Grundsätzlich darf dieses Strafziel jedoch nicht alleine gesehen werden, sondern auch andere –general-präventive- Erwägungen können im Strafvollzug berücksichtigt werden. Diese sind dann allerdings in einen Ausgleich zu bringen. Die gesetzlichen Regelungen des StVollZG haben hierzu schon eine hinreichendes gesetzliches Fundament gegeben. An diesen grundsätzlichen Gedanken des StVollZG soll weiter festgehalten werden. Resozialisierung und Erziehung bzw. Förderung sind zentrale Leitprinzipien des Strafvollzuges. Sie müssen es auch bleiben.