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N.N.

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N.N.

Antragstext

Die aktuelle rentenpolitische Debatte ist geprägt von der Diskussion um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Mit der Rente mit 67 wird schlicht versucht die Defizite von der Ausgabenseite der Rentenversicherung her zu mildern. Langfristig ist dies keine tragfähige Lösung. Eine solche muss vor allem an der Einnahmenbasis der Sozialversicherung ansetzen. Hierzu wollen wir einen Aufschlag machen und insbesondere die erste Säule der Alterssicherung – die allgemeine Rentenversicherung – in die Betrachtung ziehen und hier konkrete Vorschläge zur Reform des Systems liefern. Hier liefert die die schweizerische Rentenversicherung interessante Anknüpfungspunkte.

Die Alterssicherung in Deutschland ruht auf drei Säulen: Der allgemeinen öffentlichen Rentenversicherung, der privaten Zusatzversicherung (‚Riester-‚ und ‚Rüruprente‘) und der betrieblichen Altersvorsorge. Ziel der Alterssicherung ist es Altersarmut zu verhindern und Teilhabe am Wohlstandsniveau der Gesellschaft auch im Alter sicher zu stellen (dynamische Komponente der Alterssicherung). Darüber hinaus spiegelt der individuelle Zahlbetrag der Rente den jeweiligen Einkommensstatus des ehemals Erwerbstätigen im Zeitverlauf wider.

Ihr wichtiges Ziel – die Verhinderung von Altersarmut – erreicht die Alterssicherung in Deutschland aber immer weniger. Altersarmut in Deutschland hat zugenommen. Die größte Gefahr im Alter arm zu sein haben Menschen mit geringen Erwerbseinkommen und vor allem Frauen. Für Menschen mit geringen Einkommen kommen die zweite und dritte Säule der Alterssicherung nur kaum oder gar nicht zum Tragen. Das erzielte Erwerbseinkommen reicht nicht aus, um zusätzlich für die private Altersvorsorge zu sparen. Hinzukommen immer öfter unstetige Erwerbsbiographien mit zunehmenden Zeiten von Arbeitslosigkeit. Frauen sind von dieser Entwicklung, durch die immer noch bestehende Doppelbelastung gerade im Reproduktionsbereich, doppelt benachteiligt. Altersarmut hat zunehmend ein weibliches Gesicht.

Ziel der allgemeinen Rentenversicherung muss in Zukunft deswegen viel stärker sein, Altersarmut effektiv zu verhindern, anstatt „Einkommensversicherung“ zu sein.

Ein effektiver Reformvorschlag, der diese Zielkategorien am ehesten erreicht, ist die Umgestaltung des deutschen Rentenversicherungssystems, ähnlich dem der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Diese Rentenversicherung kennt, im Gegensatz zur deutschen Variante keine Jahresarbeitsentgeltgrenze – also Beitragsbemessungsgrenze, dafür aber eine Mindest- und eine Maximalrente.

Dieser Reformvorschlag setzt vor allem an der Einnahmenbasis der Rentenversicherung an, um das wachsende Defizit der Versicherung effektiv zu verringern. Die bisherigen Reformen (Schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters, demographische Faktoren etc.) haben dagegen lediglich an der Ausgabenseite des Systems angesetzt und greifen erstens im Zeitverlauf nicht stabil genug und führen zweitens zu individuellen Kürzungen des Rentenzahlbetrages, derjenigen die noch im Berufsleben stehen und mithin in den meisten Fällen nicht mehr privat ausgleichbar sind. Dies kann als ein Hauptkritikpunkt der Rente mit 67 aufgeführt werden. Die älteren ArbeitnehmerInnen nehmen die Reform zurecht als Kürzung ihrer Rentenzahlung auf, die sie nicht mehr kompensieren können. Eine Reform auf der Ausgabenseite, die mit einem entsprechendem Zeithorizont konzipiert ist, sollte aber gerade letzteres vermeiden.

I Allgemeine Rentenversicherung

In Deutschland ist die Rentenversicherung als Pflichtversicherung für abhängig Beschäftigte organisiert. Selbstständige unterliegen größtenteils nicht der Versicherungspflicht. Beamte sind ausgenommen. Beiträge werden in Höhe von 19,9% bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 66.000 € (55.800€ – Ost) paritätisch von ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn abgeführt. Die Beitragsbemessungsgrenze sorgt dafür, dass die durchschnittliche Beitragsbelastung von 9,95% für EinkommensbezieherInnen über 66.000 € kontinuierlich sinkt. So beträgt die durchschnittliche Belastung für Jahreseinkommen von beispielsweise 100.000 €nur noch etwa 6,6% – bei 200.000 €nur noch etwa 3,3% usw.

Versicherte erwerben für Erwerbszeiten Anwartschaften, die sich in den persönlichen Entgeltpunkten widerspiegeln. Erzielt ein/e ArbeitnehmerIn in einem Jahr genau den festgestellten Durchschnittsverdienst (in 2009 also 30.879 €), so ergibt sich ein Entgeltpunkt in Höhe von eins. Die Höhe des jeweiligen Jahresentgeltpunktes ergibt sich zur Relation des eigenen Einkommens zum Durchschnittsverdienst. Der maximale Punktwert ergibt sich aus der Relation der Beitragsbemessungsgrenze zum Durchschnittsverdienst und liegt derzeit bei etwas über zwei. Somit kennt auch das deutsche System de facto eine Maximalrente, wenn auch nicht über die Festlegung eines maximalen Auszahlungsbetrag, sondern über die Obergrenze der Entgeltpunkte, die in der Höhe der Rentenberechung einen entscheidenden Faktor darstellen. Eine Obergrenze für den Rentenzahlbetrag ist also nicht systemfremd.

II Altersarmut

Zur Armutsdefinition in Industriestaaten sind zwei Varianten maßgeblich. Für die Weltgesundheitsorganisation WHO gilt als arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens des jeweiligen Landes zur Verfügung hat. Die Europäische Union definiert als arm, wer weniger als 60 % des Medianeinkommens des Heimatlandes zur Verfügung hat. Armut wird also als relative Armut definiert und nicht an einer absoluten Einkommenshöhe festgemacht.

Um die Einkommenslage der nicht erwerbstätigen Bevölkerung zu beurteilen, wird vielfach auf die sogenannte Eckrente zurückgegriffen. Die Eckrente ist eine fiktive Rente, die einer/m Versicherten gewährt würde, wenn er über 45 Versicherungsjahre hinweg stets ein Entgelt in Höhe des Durchschnittsentgeltes aller Versicherten erzielte und dementsprechende Beiträge geleistet hätte.

Dabei wird außer acht gelassen, dass durch Arbeitslosigkeit, Mini-Jobs, (schein-) selbständige Tätigkeiten, Kindererziehungs- und Ausbildungszeiten etc. die Grundlagen einer Eckrente in der Realität kaum erfüllt werden – ganz zu schweigen von der zu erreichenden Lohnhöhe. Die für die Eckrente erforderlichen 45 Beitragsjahre erreichen zudem lediglich rund ein Viertel der Männer und nur etwa jede zwanzigste Frau. Zur Beurteilung der Einkommenssituation der RentnerInnen ist die Heranführung der Eckrente also nicht zielführend.

Beispielsweise betrug die Eckrente im Jahr 2006 1.066 Euro in den alten und 939 Euro in den neuen Bundesländern. Allerdings erhielten rund die Hälfte der Männer und 95 Prozent der Frauen eine Rente von weniger als 1.000 Euro im Monat. Die durchschnittliche Rente von Frauen betrug 2006 gar nur 473 Euro im Monat. Die Anzahl der RentnerInnen, die zusätzlich zur Rente die bedarfsorientierte Grundsicherung nach SGB XII beantragen müssen, steigt kontinuierlich.

Vor diesem Hintergrund warnte die OECD schon 2007 vor zunehmender Altersarmut in Deutschland. Deutschland liegt bei den Renten für GeringverdienerInnen unter den 30 OECD-Ländern an letzter Stelle, hieß es in einer 2007 veröffentlichten OECD- Vergleichsstudie.

Diese Situation hat sich in den letzten Jahren eher verschärft, denn verbessert. Die Bundesregierung geht in ihrem Sozialbericht von 2009 davon aus, Altersarmut durch die Grundsicherung zu beseitigen. So heißt es wörtlich: „Altersarmut ist in Deutschland kaum anzutreffen. Die vor wenigen Jahren etablierte Grundsicherung im Alter, die maßgeblich zur Beseitigung verschämter Altersarmut beigetragen hat, muss nur von wenigen Renterinnen und Rentnern in Anspruch genommen werden.“ Diese Haltung kann man, angesichts gerade der Situation vieler Rentnerinnen, zum einen mit Realitätsverlust beschreiben und zum anderen mit der Aufgabe des Ziels, dass die solidarische Rentenversicherung auch in Zukunft Altersarmut verhindern kann.

So erhielten 2008 rund 768.000 Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Gegenüber 2003, dem Jahr der Einführung, erhöhte sich damit die Zahl der HilfebezieherInnen um rund 329.000 Personen oder 75 Prozent (Quelle VDK). Grundsicherung wird aber lediglich auf Antrag gewährt. Sie wird nicht automatisch bei Bekanntwerden der schwachen Einkommensposition gezahlt. Aus diesem Grund gehen viele Organisationen von einer nicht unerheblichen „Dunkelziffer“ an Personen aus, die keine „Sozialhilfe“ beantragen wollen und deswegen keine Grundsicherung beziehen, obwohl deren Einkommensverhältnis dies nötig machen würde.

Der Paritätische (Wohlfahrtsverband) geht davon aus, dass im Jahr 2030 10% der RentnerInnen von Altersarmut betroffen sein werden und somit auf die Grundsicherung angewiesen sein werden. Bei Altersrenten (ohne Zuschläge wie Kindererziehungszeiten) von bis zu über 29.000 Euro im Jahr, die gerade auch durch die Beiträge von Gering- und Mittelverdienern, finanziert wird, ist diese Entwicklung höchst ungerecht. Gerade da die durchschnittliche Belastung der SpitzenverdienerInnen, dank der Beitragsbemessungsgrenze, kontinuierlich sinkt. Hier findet also Umverteilung zu Gunsten höherer Einkommen statt.

III Das schweizerische System der Alterssicherung als Vorbild?

Das System der Alterssicherung in der Schweiz ist ebenfalls auf drei Säulen gestützt. Die erste ist dabei die öffentliche Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die eine Pflichtversicherung für Jedermann und -frau darstellt. Daneben besteht ein verpflichtendes System sogenannter Pensionskassen, die der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland nahekommen. Die dritte Säule ist eine freiwillige, steuerlich geförderte, private Altersvorsorge.

Die AHV ist dabei eine Pflichtversicherung, in der alle Schweitzer Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte und Selbstständige) einzahlen. Die Besonderheit des Beitragssystems ist, das keine Beitragsbemessungsgrenze existiert. Das bedeutet, dass die Einkommen vollständig verbeitragt werden. Selbstständige haben ab einem Jahreseinkommen von 54800 SFr (etwa 37.434 €) einen Beitrag in Höhe von 7,8% zu entrichten. Bleibt das Einkommen unter dieser Grenze variiert der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (AHV, Invalidenversicherung und die Erwerbsersatzodnung (Arbeitslosenversicherung)) in Abhängigkeit des erzielten Einkommens in mehreren Stufen ab 5,116%.

Derzeit liegt der Beitragssatz, den ArbeitgeberInnen und abhängig beschäftigte ArbeitnehmerInnen paritätisch bezahlen, bei je 4,2% des Bruttolohns. Also 5,75% niedriger als der in Deutschland zu zahlende Beitrag. Die Mindestrente für die vollen Beitragsjahre liegt bei 13.680 Schweizer Franken im Jahr (umgerechnet etwa 9.345 Euro). Die maximal zu erzielende Rente liegt bei jährlich 27.360 SFr (etwa 18.689 Euro). [Stand 01.01.2010 Quelle: Informationsstelle AHV/IV] So liegt die Mindestrente, die Schweizer RentnerInnen unabhängig von ihrem erzielten Erwerbseinkommen erhalten, mit etwa 779 € monatlich, um mehr als das Doppelte über dem in Deutschland geltenden Regelsatz der Grundsicherung aus §§ 41 ff. SGB XII
(derzeit 359 €).

IV Eine
solidarische Rentenversicherung für Alle

Finanzierungsgrundlagen
Die Finanzierungsprobleme der Alterssicherung in Deutschland sind nicht nur der demographischen Entwicklung geschuldet. Vielmehr gibt es nicht nur in der Rentenversicherung akute Einnahmeprobleme. Dies liegt vor allem daran, dass die Beiträge nur bei abhängiger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gezahlt werden. Diese Beschäftigungsverhältnisse geraten aber immer stärker durch prekäre Beschäftigung und niedrigere Lohnabschlüsse unter Druck.

Die massive Ausweitung von Mini- und Midijobs haben zwar Arbeitslosigkeit mit abgebaut – die Einnahmensituation der Sozialversicherungen haben sie aber nachhaltig geschwächt. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse hat sich verringert.

Problematisch für die Finanzierungsgrundlage der Sozialversicherung ist vor allem auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Diese bleiben immer deutlicher hinter der Entwicklung der anderen Einkommen zurück. Dies zeigt auch schon die Entwicklung der Lohnquote – also dem Verhältnis von Löhnen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – die deutlich sinkt. Die Sozialversicherungen verzichten vollständig auf Beitragseinnahmen von Selbständigen oder aus Vermögenseinkommen, die aber immerhin seit 2006 einen höheren Anteil als die Löhne und Gehälter des BIP ausmachen.

BürgerInnenversicherung
Rente

Die Einführung einer „BürgerInnenversicherung Rente“ ist dabei im Bereich der Alterssicherung am ehesten sachlogisch einzuführen. Es gibt, anders als bei der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), keine diskretionären Anreize das solidarisch finanziert System zu verlassen, da im Bereich der allgemeinen Rentenversicherung keine Versicherungspflichtgrenze besteht und mithin kein paralleles privates Vollversicherungssystem neben dem öffentlichen Angebot existieret.

In einem ersten Schritt in Richtung Bürgerversicherung Rente wird die Versicherungspflicht sukzessive auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet. Selbständige und Freiberufler werden in die Versicherungspflicht aufgenommen. Für Selbstständige und Freiberufler, deren Jahreseinkommen unter 40.000 € liegt wird ähnlich dem Schweizer System ein gestaffelter, geringerer Beitragssatz festgelegt, der in verschiedenen Einkommensbereichen bis zum Normalsatz ansteigt. Auch die schrittweise Aufnahme von BeamtInnen ist eine logische Konsequenz des Gedanken einer BürgerInnenversicherung. Überführt man nur neu eingestellte BeamtInnen in die allgemeine Rentenversicherung, erübrigen sich hohe Rentenzahlbeträge aus dem System, ohne vorherige Einzahlungen geleistet zu haben. Dies war ein immer wiederkehrender Kritikpunkt in der Debatte.

Ein zentraler Reformschritt ist die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze, die zu einer Ausweitung der Beitragsgrundlage führt. Mit diesem Schritt kann der Beitragssatz zur Rentenversicherung unmittelbar abgesenkt werden. Die durchschnittliche Belastung sinkt aber nicht mehr für hohe Einkommen – sie bleibt konstant über den kompletten Einkommensbereich. Die Umverteilung zu Gunsten hoher und höchster Einkommen kann somit wirkungsvoll unterbunden werden. Ganz im Sinne der Zielsetzung Altersarmut zu verhindern, wird, ungeachtet der erzielten Erwerbseinkommen, ein Minimum für den Rentenzahlbetrag eingeführt. Dieser hat sich, nach 40 Versicherungsjahren, an einer anerkannten Größe des Existenzminimums zu orientieren. Die sachlich beste juristische Definition liefert hier die Pfändungsfreigrenze (§ 850c ZPO). Mithin wären dies zurzeit 989,99 €pro Monat. Eine Inflationsanpassung, um das Realeinkommen dieser RentnerInnen zu sichern, wird mittels der Pfändungsfreigrenze ohnehin alle zwei Jahre, gemäß der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags durchgeführt. (Siehe hierzu § 32a Absatz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und § 850c Absatz 2a ZPO). Diese Anpassung würde der relativen Armutsdefinition zu genügen, nach der der Mindestzahlbetrag somit nachrangig auch einer ‚Dynamisierung‘ gemäß der Einkommensentwicklung unterliegt.

Im Gegensatz zu Beitragsjahren, in dem einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen wird, erfassen Versicherungsjahre auch Zeiten in den durch Arbeitslosigkeit, Aus- und Fortbildungen, Kindererziehung oder Pflege, keine versicherungspflichtigen Einkünfte erzielt werden.

Auf die Festlegung eines maximalen Auszahlungsbetrags kann verzichtet werden, da eine festzulegende Obergrenze des persönlichen Entgeltpunktes für ein Jahr, die individuelle Rente zielgenauer festlegt. Es ist denkbar, den maximalen Wert eines Jahresentgeltpunktes, der aus Einkommen erzielt wird, auf 2,0 festzulegen – die bereits bestehenden Zu- und Abschläge, zum Beispiel für Kindererziehungszeiten, bleiben davon unberührt.

Die bestehende Dynamisierung der Rentenhöhe wird weiterhin über die Festlegung des aktuellen Rentenwerts erreicht. Durch die gewonnenen umfänglichen, finanziellen Spielräume ist die die dämpfende Wirkung des demographischen Faktors zu überdenken, bzw. zumindest abzumildern.

Ein Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt bleibt auch in Zukunft für die „versicherungsfremden“ Leistungen, wie der Hinterbliebenenversorgung, folgerichtig und somit bestehen. Seine Höhe dürfte jedoch die der jetzigen Situation deutlich unterschreiten.

Die Debatte um ein fixiertes Renteneintrittsalter hat sich in der Vergangenheit als wenig zielführend erwiesen. Das Lebensalter spiegelt immer weniger das jeweilige „Erwerbsalter“ wieder, da Berufs- und Ausbildungsbiographien heute viel differenzierter sind. Ein festgelegtes Renteneintrittsalter lässt die notwenige Flexibilisierung des Systems zu wenig zu. Es muss gewährleistet sein, dass ein/e ArbeitnehmerIn mit 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen kann. Für Menschen, die in besonderen Berufen überdurchschnittlichen körperlichen oder psychischen Belastungen ausgesetzt sind, könnten Zuschläge über Entgeltpunkte gewährt werden um so einen früheren Renteneintritt ohne die gefürchteten Renteneinbußen zu ermöglichen. Welche Berufsgruppen hier einzubeziehen wären, ist letztlich eine politische Entscheidung, die aber objektiviert werden könnte, indem nur diese Gruppen in Betracht kommen, in denen die Beschäftigten im statistischen Mittel deutlich weniger als 45 Beitragsjahre aufweisen. In einem zweiten Schritt werden weitere Einkommensarten zur Rentenversicherung verbeitragt. Es ermangelt jeder logischen Grundlage, warum lediglich Arbeitseinkommen zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme herangezogen werden sollten und beispielsweise Kapital- und Mieteinkünfte frei von Sozialbeiträgen bleiben. Personen müssen gemäß ihrer individuellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Sozialsysteme herangezogen werden.

Ein kleines Beispiel verdeutlicht die Unzulänglichkeit des jetzigen Systems: Person I erzielt ein Einkommen aus unselbständiger Arbeit in Höhe von monatlich 5.000 €. Diese Person zahlt Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 475 €.

Person II erzielt ein Einkommen aus unselbständiger Arbeit in Höhe von monatlich 1.000 € und erhält zusätzlich 4.000 € aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Diese Person zahlt Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 95 €.

Obwohl die beiden Personen objektiv dieselbe finanzielle Leistungsfähigkeit besitzen, werden der solidarischen Finanzierung der Rentenversicherung im Fall II 380 € an personenbezogenen
Beiträgen entzogen.

Um einen möglichst geringen Aufwand zur Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge zu verursachen, werden die Beiträge bei der jährlichen Einkommensteuer veranschlagt. Hier müssen Einkünfte aus alle sieben Einkommensarten veranlagt werden Die Rentenversicherung, ist wie alle anderen Sozialversicherungen, auf monatliche Einzahlungen angewiesen ist. Da auch die Einkommensteuer monatlich gezahlt wird, ergibt sich hier kein Bruch in der Beitragslogik. Mit der Einkommensteuer zu hoch veranschlagte monatliche Beitragsabschläge werden schlicht in der Steuererklärung verrechnet.

Um das jährliche Volumen der Rentenversicherung von etwa 242 Milliarden Euro zu schultern, stehen, wenn man Selbständige einbezieht und Vermögenseinkommen heranzieht, (2008) zusätzliche 1.675 Milliarden Euro zur Verfügung, die verbeitragt werden könnten. Gegenüber „lediglich“ 1.225 Milliarden Euro Entgelte der ArbeitnehmerInnen, die bislang (mit einer Beitragsbemessungsgrenze) die Finanzierung der Rentenversicherung alleine tragen mussten, ist das eine Verdoppelung der Beitragsbasis und ein mehr an echter sozialer Gerechtigkeit.

Betriebliche und private Altersvorsorge

Da Politik im Grunde davon abgerückt ist, dass die erste Säule der Alterssicherung Lebensstandardsicherung gewährleisten kann, ist eine Vorsorge zumindest auf betrieblicher Ebene geboten und unter bestimmten Bedingungen auch sozialpolitisch zu begrüßen.
Derzeit führt die Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge zu sozialpolitisch problematischen Ergebnissen. Die staatliche, progressive Förderung ist selektiv. Je höher das Einkommen und unter sonst gleichen Bedingungen, je größer die Möglichkeit zur privaten Vorsorge ist, desto größer ist die staatliche Unterstützung mittels Steuervergünstigung etc. Aber lediglich 53% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten hatten Ende 2007 eine betriebliche Versorgungszusage3. Prekär Beschäftigte, deren Anteil an allen Beschäftigten stak zugenommen hat, haben in den allerseltensten Fällen eine solchen betrieblichen Versorgungsanspruch. Eine flächendeckende Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bei der dich die Arbeitgeber entsprechend beteiligen und gerade auch untere Einkommensgruppen erreicht, ist hier Vorraussetzung für weitere staatliche Subvention. Ähnlich der Situation in der Schweiz, in der die betriebliche Alterssicherung gesetzlich obligatorisch ist, wäre eine Umsetzung in Deutschland geboten.

Die betriebliche Altersvorsorge führt bislang auch zu einer stetigen Schlechterstellung der Einnahmebasis der Allgemeinen Rentenversicherung. Durch das Konzept Umwandlung von gezahltem Lohn in Rentenansprüche werden der Rentenversicherung beitragspflichtige Einkommen entzogen. Der zur betrieblichen Altersvorsorge einbehaltene Lohn wird schlicht nicht mit Beiträgen zur Sozialversicherung belegt. Diese Form der Vergünstigung muss beendet werden, indem wieder Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt werden muss. Wenn der Staat die betriebliche Alterssicherung als gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit ausmacht, muss die Subvention aus Steuermitteln und nicht aus Beiträgen finanziert werden.

Weder bei betrieblichen, noch bei privater Altersvorsorge ist der Frage nach Brüchen in der Erwerbsbiografie (z.B. Arbeitslosigkeit, Erziehungszeiten, etc.) ausreichend Rechnung getragen. Brüche führen zumeist zu großen Verlusten in den Vorsorgeansprüchen für den jeweiligen Betroffenen. Eine solidarische Möglichkeit zur Schließung, bzw. Abfederung dieser Lücken wäre geboten, vorausgesetzt alle Erwerbstätige sind durch die Systeme erfasst. Die Absicherung bei Erwerbsminderung oder für Hinterbliebene ist bei der privaten Altersvorsorge noch mangelhafter ausgestaltet.

3 Siehe FES WiSo Diskus – August 2010

Besonders problematisch ist die fehlende Beteiligung der ArbeitgeberInnen an den Kosten der privaten Altersicherung und die damit einhergehende Aufbrechung der paritätischen Finanzierung der Alterssicherung.

Staatlich subventionierte private Vorsorge

Ab dem Jahr 2000 kam es zu einer entscheidenden Wende in der Rentenpolitik, die von rot-grün 2001 und 2004 in gesetzgeberische Maßnahmen realisiert wurde. Im Diktum der Marktliberalisierung überlies man nun die Alterssicherung in Teilen den kapitalgedeckten Verfahren der privaten Versicherungswirtschaft. Alleiniges Ziel war die Deckelung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 20% in 2020 bzw. 22% in 2030. Eine wissenschaftliche Begründung für diese Grenzen gibt es nicht. Sie wurden schlicht politisch willkürlich gesetzt.

Die Rürup Kommission ging ihrer Zeit von einer Kapitalverzinsung von 4% aus. Dieses Renditeziel wurde aber schlicht nur in seltenen Fällen erreicht – in der Regel bleiben die Renditeraten unter der Marke von 4%. Man muss also nicht einmal die aktuelle Finanzkrise ins Feld führen, um auf diese Eklatante Fehleinschätzung hinzuweisen. Der Staat subventioniert, mittels Steuerverzicht, die ArbeitnehmerInnen, die bis zu 4% ihres Bruttolohns bei der privaten Versicherungswirtschaft anlegen. Dies ist nichts anderes als eine Seitenzahlung an die private Versicherungsgesellschaft, die äußerst kritisch zu bewerten ist. Öffentliche Rentenversicherungsträger dürfen keine dieser Produkte auflegen, obwohl per se dazu im Stand sind und, im Gegensatz zur privaten Konkurrenz, keinen Gewinnanteil an der Anlage einbehalten müssten. Also für die ArbeitnehmerInnen günstiger wären.

Aufbrechen der Parität zu Lasten der ArbeitnehmerInnen

Betrachtet man die Kosten der Alterssicherung genauer stellt man zudem fest, dass die Reform hinzu Riester-Rentenmodellen die ArbeitnehmerInnen mehr kostet als

Alternativformen, wie die innerhalb der klassischen ersten Säule beschrieben werden. Betrachtet man die angestrebten 22% Versicherungsbeitrag, die paritätisch von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen zu je 11% erbracht werden und zählt die 4% des Bruttolohns der ArbeitnehmerInnen, der für geförderte Riesterprodukte erbracht wird, in die Betrachtung ein, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Der faktische Beitragssatz für die Alterssicherung der ArbeitnehmerInnen beträgt somit 15%, der der ArbeitgeberInnen lediglich 11%. Betrachtet man zudem, dass die gewährten Steuersubeventionen selbst zum größten Teil durch die Einkommensteuerpflichtigen finanziert werden, ist der Umverteilungseffekt noch negativer.

Diese Reformen führten nicht nur zu einer Individualisierung der Alterssicherung und somit zu einer Individualisierung eines gesamtgesellschaftlichen Risikos – sondern auch zu einer Einseitigen Besserstellung der Arbeitgeberposition. Angesichts der geführten Standortdebatte und allen Auswüchsen um Lohn(neben)kosten, scheint dies nur allzu offensichtlich Ausfluss eines neoliberalen Mainstreams gewesen zu sein. Das Versprechen hierüber das Ziel Lebensstandardsicherung billiger als im Umlageverfahren zu erreichen, hat sich als Schimäre erwiesen.

Volkswirtschaftlich gesehen ergeben sich zudem durch den künstlichen Impuls auf die Sparquote, je nach Modellrechnungen, erhebliche negative Effekte auf das Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, da die private Binnennachfrage im großen Maße geschwächt wird. Folgen die bei der Einführung der kapitalgedeckten Komponenten in die Alterssicherung nicht hinreichend bedacht wurden.

Zudem bewirken (teil-) privatisierte, kapitalgedeckte schlicht eine Erhöhung des Kapitalvolumens, welches teilweise weltweit nach renditeträchtigen Anlageformen sucht und dabei immer riskantere Geschäfte eingeht. Die Konsequenzen einer solchen Entwicklung konnten wir nicht zuletzt in den Folgen der internationalen Finanzkrise
beobachten.

In einem ersten Schritt ist auf jeden Fall die paritätische Beteiligung der ArbeitgeberInnen an der Finanzierung der Alterssicherung wieder herzustellen. Die ArbeitgeberInnen haben sich über geeignete Maßnahmen an den Kosten der privaten Alterssicherung zu beteiligen. Angesichts der schlechten Zielerfüllung, gemessen am Stand der Lebensstandardsicherung und der negativen, volkswirtschaftlichen Effekte einer teilprivatisierten, kapitalgedeckten Alterssicherung, spräche vieles dafür die Programme auslaufen zu lassen und keine neuen Verträge mehr zu subventionieren.

Wir Jusos wollen eine solidarische Alterssicherung, die alle Menschen gleichermaßen vor dem Risiko der Altersarmut schützt und Lebensstandardsicherung immer noch teilweise erreicht werden kann. Diese solidarische Versicherung muss solidarisch finanziert werden. Hier wollen wir eine breite Debatte in Partei und Gesellschaft anstoßen – breiter als ‚nur‘ über die Frage des Renteneintrittsalters. Mit unseren Beschlüssen weißen wir einen Weg in eine Möglichkeit, wie das Rentensystem zukunftsfest gestaltet werden kann und das fernab von politischen Kampfbegriffen, wie dem der
Generationengerechtigkeit.