Antragsteller*in

N.N.

Zur Weiterleitung an

N.N.

Antragstext

Die Konferenz möge beschließen:

Anlässlich des fünften Jahrestages der verheerenden Anschläge vom 11. September 2001 verurteilen die Jusos Rheinland-Pfalz jegliche Art terroristischer Akte gegen andere Menschen, gleich welcher Nationalität, Religionszugehörigkeit oder politischer Ausrichtung. 

Zugleich sprechen sie sich gegen die im Zuge der Terrorabwehr von westlichen Regierungen erlassenen Gesetze aus, die hart erkämpfte bürgerliche Grundrechte wie das Recht auf richterliche Anhörung oder das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie den Rechtsstaat aushöhlen. 

Unter Folter erzwungene „Geständnisse“ mutmaßlicher Angehöriger terroristischer Vereinigungen erachten die Jusos Rheinland-Pfalz als ebenso unzulässig wie das Festhalten von Verdächtigen auf rechtsfreiem Raum und ohne die Erlaubnis, einen Anwalt zu konsultieren, wie von den USA zur Zeit in Guantánamo praktiziert. 

Sie stellen keine geeignete politische Antwort auf die bestehenden Gefahren dar, sondern schüren im Gegenteil zusätzlichen Hass auf „die westliche Welt“ in den arabischen Ländern und tragen so mit zur Rekrutierung neuer potentieller Attentäter bei. 

Die rheinland-pfälzischen JungsozialistInnen befürworten eine transparente Informationspolitik der deutschen Behörden sowie eine strafrechtliche Verfolgung Terrorverdächtiger innerhalb der festgelegten Grenzen des Rechtsstaates, um die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sowie die anderer Staaten vor einem terroristischen Anschlag bestmöglich zu schützen. 

Übertriebene Panikmache unter der Bevölkerung und einen Generalverdacht gegen alle Muslime oder Araber lehnen sie dagegen entschieden ab! Dagegen erachten es die Jusos Rheinland-Pfalz als wichtig, die Ursachen islamistischen Terrorismus zu bekämpfen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang die wachsende Perspektivlosigkeit junger Menschen in den arabischen Ländern und den muslimischen Gemeinden Europas, die, durch eine hohe Arbeitslosigkeit und eine schlechte allgemeine wirtschaftliche Lage bedingt, viele erst in die Arme fundamentalistischer „Heilsbringer“ treibt.

Begründung:

Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon in New York und Washington, D.C. waren der schwerste Anschlag, den Terroristen bis dato verübten. Tausende unschuldige Menschen in den betroffenen Gebäuden und in den als Waffen missbrauchten Passagiermaschinen wurden am 11. September 2001 getötet. Der 11. September, von islamistischen Fundamentalisten aus dem Umfeld von Osama Bin Ladens verübt, stellt auch in seiner medialen Reichweite einen nie da gewesenen Fall dar. Die Bilder der einstürzenden Türme des World Trade Centers gingen live über die Welt und konnten so ihre dramatische Wirkung in allen Wohnzimmern entfalten. 

Mit der von Osama Bin Laden 1998 auferlegten Fatwa, in der er die Muslime zum „Jihad“ aufrief – zum Heiligen Krieg gegen alle Christen und Ungläubigen – hat er sich als ernst zu nehmender Verhandlungspartner für alle Zeiten disqualifiziert. Menschen, die lediglich Hass, die Zerstörung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Tod anders Gläubiger predigen, verurteilen die Jusos Rheinland-Pfalz auf das Schärfste! 

„Propaganda der Tat“ oder: Terrorismus als Kommunikationsstrategie

Terrorismus ist kein neues Phänomen. So wurde der Begriff „la terreur“ bereits während der Französischen Revolution geprägt. Das wesentliche Element ist die „Propaganda der Tat“. Dies bedeutet, dass terroristische Aktivitäten immer darauf ausgerichtet sind, politische Ziele durch die Ausübung oder die Androhung von Gewalt mit einem hohen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit durchzusetzen – Terrorismus als Kommunikationsstrategie, bei der unschuldige Opfer oftmals nicht nur als Kollateralschäden, sondern als Garantie dafür dienen, dass die verbundene „Botschaft“ möglichst breite Kreise erreichen wird. 

Dabei variieren die politischen Ziele der terroristischen Gruppen erheblich. Einige, wie die IRA oder die ETA, verfolgen autonomistische oder separatistische Ziele. Sie kämpf(t)en für eine höhere Selbstbestimmung ihrer ethnischen Minderheit oder einen eigenen Staat. Die sozialrevolutionäre deutsche RAF und die Roten Brigaden in Italien dagegen versuchten, gesellschaftliche, wirtschaftliche und wirtschaftliche Strukturen zu ändern und damit eine ideologische Neuausrichtung zu erreichen. 

Als neueste Form ist seit den achtziger Jahren der religiös motivierte Terrorismus hinzugekommen, dem unter anderem die islamistisch-fundamentalistische al Qaida Osama Bin Ladens zugerechnet wird. Diese Gruppen unterscheiden sich von den vorherigen vor allem in der wahllosen Opferauswahl: Ihre Angriffe richten sich nicht gegen einzelne „Vertreter“ des Systems, sondern gegen eine große Gruppe von Menschen (meist „Andersgläubige“). Auch sind sie seit den 90er Jahren nicht mehr auf eine bestimmte Region oder ein Land begrenzt, sondern agieren überregional, im Falle von al Qaida sogar international. 

Nach dem Psychiater und Terrorismusexperten Dr. Frederick Hacker ist es das erklärte Ziel von Terroristen, „einzuschüchtern und durch Einschüchterung zu herrschen und zu kontrollieren. Sie wollen beeindrucken. Sie treten vor einem und für ein Publikum auf und bemühen sich um Beteiligung der Zuschauer.“  Die Anschläge des 11. Septembers waren so sorgfältig gestaltet, dass sie die Aufmerksamkeit der elektronischen Medien und der internationalen Presse auf sich ziehen würden. Dieses „Angebot“ wurde von den Fernsehanstalten bereitwillig angenommen. 

Verbunden mit der ungeheuren Ausschlachtung persönlicher Schicksale und der perversen Jagd nach den dramatischsten Livebildern wurde besonders in den ersten Tagen und Wochen nach dem Anschlag in den westlichen Ländern eine düstere und totale Endzeitstimmung produziert, die in keiner Relation zu den tatsächlichen Auswirkungen der Tat stand – „Apokalypse Now“, gesendet rund um die Uhr, ohne Aussicht auf Entkommen. 

Die fatalen Reaktionen auf 9/11 

Es ist ein Irrglaube, zu denken, verschärfte Sicherheitsgesetze würden die Gefahren eines neuerlichen terroristischen Anschlages gänzlich ausmerzen. Allein in einem totalitären Überwachungsstaat mit vollkommener Kontrolle über alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Medien und das ganze öffentliche und private Leben wäre dies möglich. 

Aufgabe einer Regierung (und ihren Behörden) in einer freiheitlichen Demokratie wie der Bundesrepublik Deutschland kann es daher nur sein, innerhalb der Grenzen des Rechtsstaates verdächtige Personen zu überwachen und bei einer konkreten Gefahrenlage einzugreifen. Daneben muss sie die Bevölkerung aber auch über die immer bestehenden Risiken aufklären, die in unserer Gesellschaft der „Preis“ der Freiheit sind. 

Mit übertriebener Panikmache spielt sie dagegen in die Hände der Terroristen, deren erklärtes Ziel es gerade ist, unsere demokratische Grundordnung zu zerstören und die sich über alle Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens hinweg setzen. 

Bereits mit dem neuen Luftsicherheitsgesetz, von dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily 2005 initiiert, wurde in der Bundesrepublik versucht, Menschenleben gegeneinander aufzurechnen. Dies ist absolut unzulässig! Auch die Aussage des SPD(!)-Ministers in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel, „wer (von den Terroristen, d. Verf.) den Tod liebt, kann ihn haben“, hat in und außerhalb seiner eigenen Partei zu recht großes Kopfschütteln ausgelöst. 

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – das kann und darf in unserer Gesellschaft nicht zur ultima ratio werden!

Katastrophaler waren jedoch die Reaktionen der US-amerikanischen Administration auf die Anschläge in ihrem Land. Verständlicherweise schockiert über das Geschehene, wurden in der Folgezeit von der Regierung Bush mit Hilfe des Kongresses und Senats Gesetze erlassen, die sich in sehr dunkelgrauen Zonen des Rechtsstaates bewegen und die über ihr eigentliches Ziel, der Verhinderung eines weiteren Anschlages, weit hinaus schießen. (Randbemerkung: Die Vorlagen zum National Patriot Act, in dem die neuen Gesetze verankert sind, waren lange vor dem 11. September 2001 in neokonservativen Think Tanks ausgearbeitet worden. Ein Wink des Schicksals, das sich nun die Möglichkeit bot, sie aus der Schublade zu nehmen…) 

Mit der Schaffung eines rechtsfreien Raumes in Guantánamo Bay auf Kuba hat die US-Regierung eindeutig gegen die Genfer Konvention verstoßen. Nach ihr steht allen Menschen das Recht auf eine richterliche Anhörung und auf einen Anwalt zu. Es ist daher scharf zu verurteilen, dass des Terrorismus verdächtige Gefangene mehrere Jahre unter diesen menschenunwürdigen Bedingungen und ohne einen wirklich konkreten Verdacht festgehalten werden!

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? – Kein Generalverdacht gegen Araber und Muslime!

„Männlich, zwischen 18 und 30 Jahre alt, arabisches Aussehen, Studierender der Naturwissenschaften, regelmäßiger Besuch einer Moschee? Sehr verdächtig! … Liebe ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Herzlich Willkommen beim Instrument der Rasterfahndung. 

Falls bei Ihnen eine Übereinstimmung in mehreren dieser Punkte gefunden werden konnte, müssen wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass sie in dringendem Verdacht stehen, mit einer terroristischen Vereinigung zu sympathisieren oder mindestens mit fundamentalistisch-islamistischem Gedankengut. 

Falls Sie sich wundern, warum andere Fahrgäste ängstlich nach unten schauen, sobald Sie den Linienbus betreten – auch in Teilen der Bevölkerung liegt leider ein Generalverdacht gegen Sie vor!“

Die teilweise hysterisch geführte Debatte um angebliche oder tatsächlich existierende studentische Terrorzellen verkennt, dass die meisten an deutschen Universitäten eingeschriebenen arabischen Studierenden nicht ins Land kamen, um sich einer terroristischen Vereinigung anzuschließen oder um in Deutschland Anschläge zu verüben. Sie möchten einfach nur studieren! Sie bleiben ohne konkreten Anhaltspunkt in einem Raster hängen; begründet lediglich durch eine zufällige teilweise Übereinstimmung mit den Eigenschaften von bereits identifizierten Terroristen. Die Folge dieses explizit oder implizit ausgesprochenen Generalverdachtes: Ausgrenzung. Eine verantwortungsvolle und nachhaltige Integrationspolitik sieht anders aus!  

Doch nicht nur gegenüber den muslimischen Gemeinden in Europa und den USA herrscht diese einseitige Sichtweise: Die Berichterstattung der Medien suggeriert allzu oft das Bild, die gesamte arabische Welt bestünde aus potentiellen Attentätern, die lediglich auf einen Anruf Osama Bin Ladens oder einer seiner Schergen warten, um ihr bislang bürgerliches Schläferleben aufzugeben und sich und Unschuldige bei der nächsten Gelegenheit in die Luft zu jagen. 

Nicht jeder Muslim ist ein Islamist! Und nicht jeder Islamist ist ein Terrorist…

Da ist zum einen zu unterscheiden zwischen Islam und Islamismus

Islam bedeutet die freiwillige und völlige Hingabe an den Willen Allahs und wird in seiner ursprünglichen Form als Religion des Friedens verstanden; Islam leitet sich aus dem arabischen salaam (Frieden) ab, Muslim bedeutet „der sich Gott Hingebende“. In den meisten muslimischen Ländern gibt es ein säkulares Staatswesen, das heißt, die Trennung von Staat und Religion.

Islamisten dagegen sehen Religion, Recht und Politik als Einheit. Ihr zentrales Anliegen ist, den Islam, so wie sie ihn verstehen, zur Grundlage und Richtschnur allen Denkens und Handelns zu machen und auf diese Weise individuelles Verhalten und öffentliche Ordnung, Wirtschaft, Recht, Politik und Kultur alleine auf den Islam zu gründen.

Die politische Bewegung des Islamismus entstand 1928 mit der Gründung der Muslimbruderschaft in Ägypten. Ihr Hauptziel war der Kampf gegen westliche Invasion. In den arabischen Ländern des Nahen Ostens erlangten sie allerdings vor allem durch ihr ausgeprägtes soziales Engagement große Beliebtheit unter der größtenteils armen Bevölkerung. In den von ihr gegründeten und betriebenen Schulen, Sportvereinen und anderen sozialen Treffpunkten können sie bis heute praktisch „nebenbei“ ihre Ideologie verbreiten. (Diese Strategie verfolgen übrigens auch die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Palästina sehr erfolgreich!)

Die muslimische Revolution im Iran 1979 verschaffte der Bewegung zusätzliches Selbstbewusstsein. Zunehmende wirtschaftliche Probleme und politische Ohnmacht gegenüber den Supermächten verstärkten diese Entwicklung, und so hat sich der politische Islamismus mittlerweile in fast allen islamischen Ländern fest etabliert. 

Zum anderen ist Terrorismus dabei nur eine angewandte Strategie der Islamisten, um ihr Ziel- den Regimesturz und die Etablierung eines islamistischen Staates – zu erreichen. In ihrem Selbstverständnis sehen sich sie immer als Opposition zu den bestehenden Verhältnissen bzw. den „Herrschenden“. So bestimmt hauptsächlich der Kampf gegen das bestehende Regime im eigenen Landihr Handeln. In den meisten Fällen wird dies mit gewaltfreien Mitteln versucht. 

Falls dies nicht gelingt, kann es zu einer Brutalisierung kommen, und radikale Splittergruppen nehmen den Kampf mit terroristischen Mitteln auf, so zum Beispiel Ansar al-Islam im kurdischen Teil des Irak oder al Gama´a al Islamiyya in Ägypten. Seit den 90er Jahren versuchen einige Gruppen vermehrt, überregional Anschläge zu verüben, so vor allem al Qaida und ihre Unterorganisationen.

Fazit: Weder Relativierung noch Panikmache!

Das „Potential“ solcher Gruppen innerhalb der arabischen Bevölkerungen wird auf etwas unter 1% geschätzt. Dies ist ein durchaus Besorgnis erregender Wert. Eine sinnvolle Strategie der dadurch bedrohten westlichen Welt kann jedoch nicht darin bestehen, mit demütigenden Bildern aus Guantánamo oder Abu Ghuraib den Stolz von Araberinnen und Arabern mit Füßen zu treten! Dies schürt lediglich zusätzlichen Hass gegen die „westliche Welt“ sowie ihre „Wasserträger“ in den arabischen Staaten und wird immer mehr junge Menschen in die Arme der gewaltbereiten Islamisten treiben.

Die Debatte um die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ in Berlin hat allzu sehr verdeutlicht, dass die Angst vor möglichen Anschlägen bürgerliche Grundrechte, die in Jahrhunderten hart erkämpft wurden, in ihren Grundfesten erschüttern lässt. Doch darin liegt die eigentliche Gefährdung der Demokratie! Das allzu schnelle Loslassen von heute selbstverständlichen Freiheiten, ob nun von Theaterintendantinnen, Regierungen, PolitikerInnen oder den „normalen“ Bürgerinnen und Bürgern, sowie die damit verbundene Aushöhlung der BürgerInnenrechte in den westlichen Demokratien ist der eigentliche Skandal seit den Anschlägen des 11. Septembers. 

Ein Generalverdacht gegen alle arabischen Menschen wirkt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Denn er missachtet und untergräbt die durchaus vorhandenen säkularen, westlich orientierten Bewegungen in den arabischen Ländern und macht jede Friedensinitiative innerhalb dieser Länder von vorneherein zunichte!   

Zuletzt können die Terroristen nur durch Verbreitung der Nachrichten über den Terror und die Gräueltaten unter einem möglichst großen Publikum die maximale Hebelwirkung erzielen, die sie benötigen, um den von ihr gewollten fundamentalen politischen Wandel durchzusetzen.

Wir Jusos Rheinland-Pfalz fordern daher einen entspannteren Umgang der Politik mit dem Thema Terrorismus sowie eine ausgewogene Berichterstattung der Medien