Antragsteller*innen

Maximilian Weis

Zur Weiterleitung an

SPD-Landesverband, SPD- Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, MSAGD Rheinland-Pfalz

Antragstext

Vorbemerkungen

Auch wenn Themen wie der Demographische Wandel, Gesundheitsversorgung, Pflege und gutes Leben im Alter scheinbar uns als jüngere Generation noch nicht oder nur teilweise betreffen, sind dies essentielle Faktoren, die unsere Zukunft nachhaltig beeinflussen.

Vor allem auf Rheinland-Pfalz, als eher ländliche geprägtes Bundesland, kommen jetzt und in den nächsten Jahren viele Herausforderungen zu. Ärztemangel, fehlende medizinische Versorgung und unzureichende Mobilität – vor allem älterer Menschen – sind hier nur beispielhaft zu nennen.

Wir betrachten die Gesundheitsvorsorge und medizinische Versorgung als einen Grundpfeiler des Aufgabenspektrums des Staates auf all seinen föderalen Ebenen. Eine entsprechende finanzielle Ausstattung, die eine breite Versorgung und den neusten Stand der Technik und Forschung garantiert, ist dafür unerlässlich.

In Deutschland werden im Jahr 2050 doppelt so viele ältere wie jüngere Menschen leben. Gleichzeitig steigt die Zahl der über 80-Jährigen auf etwa 10 Millionen an; heutzutage gehören knapp 5 Millionen Menschen zu dieser Altersgruppe. Rheinland-Pfalz liegt mit einem Rückgang von 17,5 Prozent zwar unter dem bundesweiten Durchschnitt, dennoch wird sich die Alterung auf fast alle Bereiche unserer Gesellschaft und unseres alltäglichen Lebens auswirken.

Es gilt zu unterstreichen, dass wir mit dem Solidarprinzip der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung über ein gerechtes und bewährtes System verfügen, das es gilt in seiner Breite weiterzuführen und auf alle Berufsgruppen zu erweitern.

Der vorliegende Antrag möchte diverse Herausforderungen kurz skizzieren und vielfältige Ansätze zur Lösung bieten.

2. Situation der ärztlichen Versorgung auf dem Land – Eine Bestandsaufnahme

Die ärztliche Versorgung auf dem Land ist Stand 2015 als stark gefährdet bis nicht mehr gesichert anzusehen. Dörfer in Rheinland-Pfalz haben meist in 15 Kilometer Umkreis keine Arztpraxis. Diese Situation stellt vorallem Rentner mit Problemen der Mobilität vor eine große Herrausforderung. Die perspektivische Entwicklung zeichnet ein noch besorgniserregenderes Bild. Hausarztpraxen im ländlichen Ram (Eifel, Hunsrück, Westerwald,…) bleiben vakant. Prognosen gehen davon aus, dass mehr als ⅓ der Artzpraxen in manchen Regionen nicht wieder besetzt werden. Das ist bei einer steigenden Altersstruktur der Hausärzte eine alarmierende Entwicklung. Kritisch ist hierbei vor allem nicht die geringe Anzahl an Hausärzten in RLP, sondern vielmehr auch die regionale Verteilung und das starke Gefälle zwischen Stadt und Land.

3. Mangelnde ärztliche Versorgung auf dem Land – Gründe und Lösungsansätze

Gründe für die mangelnde ärztliche Versorgung auf dem Land und die perspektivische Unterversorgung mit Landarztpraxen liegen sowohl vor, während als auch nach dem Studium. Der Landarztmangel hat vielfältige Gründe.

3.1. Vor dem Studium – Zugangsmöglichkeiten zum Medizinstudium flexibilisieren

Hohe Zugangshürden zum Medizinstudium, Numerus Clausus, aktuell 14 Wartesemester. Das ist Realität für Abiturient*innen und anders qualifizierte Menschen, die sich zu einem Medizinstudium berufen fühlen. Flammendes Interesse an der Materie, berufliche Erfahrung im medizinischen Bereich (Pflege, Notfallmedizin, FSJ, …) und andere Qualifikationen, wie der zwischenmenschlichen Kompetenzen, sind bei der Auswahl scheinbar nebensächlich. Das Medizinstudium, bzw. die Zulassung zu diesem, basiert nicht auf dem Willen möglichst gute Ärzt*innen hervorzubringen, sondern Studierende zuzulassen, die aufgrund der wenig aussagekräftigen Leistungen im Abitur vermutlich größere Chancen haben das lernintensive Studium zu bewältigen und erfolgreich abzuschließen.

Wir müssen den Studienbewerber*innen, die den Numerus Clausus nicht erfüllen ein ausgereifteres System anbieten, mit dem sie durch fachliche Leistung und Engagement den Weg ins Studium finden können. Hierbei kann der Einfachheit halber der Abiturschnitt weiterhin als Basis genommen werden, dieser soll dann allerdings verstärkt durch Leistungen, die vom Bewerber erbracht werden (z.B. Ausbildungen, Praktika, Qualifikationen, Erfahrungswerte), herabgesenkt werden. Die Wartezeit im Wintersemester 15/16 ist mit 14 Semestern unhaltbar geworden. Deswegen soll der große Fokus zudem darauf liegen, mehr Studienplätze zu schaffen um die Konkurrenzsituation zu entspannen und den gestiegenen Ärzt*innenbedarf nachhaltig zu decken.

3.2. Im Studium / nach dem Studium

Die Gründe, aus denen sich Medizinstudierenden in der Spezialisierung während ihres Studienganges gegen die Allgemeinmedizin und eine spätere Hausarztpraxis entscheiden, sind ebenso vielfältig. Es ist vorallem die Bürokratie die eine Hausarztpraxis mit sich bringt und der Einfluss der Krankenkassen und der KV. Zitat eines Idar-Obersteiner Hausarztes: “Man trägt das Risiko eines Privatunternehmers, ist aber Angestellter der KV”. Der Einfluss der Krankenkassen lässt sich in einem weiteren Zitat zusammenfassen “Die Krankenkassen, melden sich ein Jahr nach der Behandlung und sagen mir ich hätte meinen Patienten zu “üppig” behandelt und verlangen Rückzahlungen, der Patient kann bis dahin schon verstorben sein ob die Behandlung notwendig war kann man nichtmehr nachweisen.” Diese gravierenden Negativpunkte werden natürlich auch den Studierenden während Praktika vermittelt und sind genug Anlass, sie dazu zu bringen, stattdessen eine Stelle in einer Heilanstalt zu forcieren.

Es ist nicht damit getan, die Studierenden dazu zu ermutigen mehr Praktika in Hausarztpraxen zu absolvieren, weil sie dort merken, dass die Arbeitbedingungen und auch der Verdienst eines Hausarztes nicht so gut sind, wie in einem Krankenhaus oder in anderen Fachgebieten. Wir fordern aus diesen Gründen vorallem das Problem an der Wurzel zu packen und die Arbeitsbedingungen eines Hausarztes zu verbessern, wie in (3.3.) erläutert. Wenn man Studierende dazu ermutigt in schlechten Bedingungen Praktika zu absolvieren wird es keinen nennenswerten Zuwachs an Landärzt*innen geben, mit besseren Rahmenbedingungen kommt dieser Zuwachs automatisch. Verpflichtende Praktika in Hausarztpraxen werden vielfach gefordert und sind unseres Erachtes daher nur In Verbindung mit verbesserten Arbeitsbedingungen langfristig sinnvoll. Den jungen Medizinstudent*innen zu zeigen welche Vorteile das Leben und Arbeiten in ländlichen Regionen hat, kann hierdurch erreichtwerden.

3.3. Arbeit als Hausärzt*innen attraktiv und zeitgemäß gestalten

Hohe Verdienstmöglichkeiten, attraktiveres Arbeitsumfeld, geringere Arbeitsbelastung und flexiblere Tätigkeitsgestaltung. Das alles sind (prinzipiell nachvollziehbare) Gründe, sich im Studium für andere Spezialisierungen zu entscheiden als die Allgemeinmedizin. Das Schließen von Praxen und das dadurch erhöhte Arbeitspensum einzelner Ärzt*innen ist kaum zu leisten und für junge Mediziner*innen mit dem Wunsch nach Familie kaum realisierbar. Vollzeitjob, ständige Rufbereitschaft und geringere Verdienstmöglichkeiten, sind Faktoren,

die vor allem junge Mediziner*innen davon abhalten als Hausärzt*innen, vor allem auf dem Land, tätig zu werden. Eine eigene Praxis ist, wie bereits angesprochen, zudem mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, das einer Familiengründung oftmals im Weg steht oder diese erschwert. Lösungen bieten hier zeitgemäße Arbeitsmodelle für Hausärzt*innen, die eine Flexibilisierung der Arbeit ermöglichen. Teilzeitpraxen, Medizinische Versorgungszentren und weitere Modellprojekte bieten hierfür Lösungsansätze, jedoch nur mit der entsprechenden Anbindung und Ausgestaltung des ÖPNV. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss auch für Ärzt*innen möglich sein. So könnten jungen Ärzt*innen ein garantierter Kita-Platz angeboten werden, da in der Ansiedlung einer Praxis ein öffentliches Interesse besteht. Eine Förderung und Weiterentwicklung solcher Modellprojekte sollte fokussiert werden. Des weiteren sollte darüber nachgedacht werden, junge Ärzt*innen bei der erstmaligen Einrichtung und Ausstattung einer Praxis und bei Anstellung von Praxispersonal finanzielle wie organisatorisch zu unterstützen, wie auch Start-ups in der ersten Zeit des Aufbaus, z.B. durch zinsgünstige Darlehen unterstützt werden. Es gilt, die Einstiegshürde aufgrund von hohen Anfangsinvestitionen deutlich zu minimieren. Dabei können insbesondere Kommunen und Kreise eine wichtige Rolle übernehmen und durch die Bereitstellung von Praxisräumen und Infrastruktur in der Verbindung mit flexiblen und fairen Vermietungsmodellen ihrer Vor-Ort Betrachtung gerechtwerden.

Gleichzeitig müssen neuen Kooperationsformen und Modelle der praxisinternen Verwaltung und Buchhaltung gefunden werden. Viele junge Ärzt*innen sind mit den hohen bürokratischen und kaufmännischen Anforderungen zu Beginn der Praxisübernahme überfordert, da es kein Teil des Studiums ist und diese somit erst im Arbeitsalltag damit konfrontiert werden. Ärzt*innen sollen jedoch ihre Zeit vor allem den Patient*innen widmen.

3.4. Kompetenzerweiterung Rettungsberufe – Monopolstellung des Arztes schwächen

Der Arzt besitzt in Deutschland eine starke Monopolstellung was das Verschreiben und Verabreichen von Medikamenten betrifft. Es steht außer Frage, dass nur der Arzt während seiner Ausbildung die Qualifikation erlangt, Medikamenteneinstellungen vorzunehmen. Trotzdem zeigen Rettungsdienst und Krankenhäuser ein erfolgreiches System der Kompetenzerweiterung: Rettungsassistent*innen und Notfallsanitäter*innen dürfen unter genau vorgegebenen Umständen Medikamente in einer genau vorgegebenen Dosierung verabreichen (SOP´s). In Krankenhäusern dürfen sich Krankenschwestern durch Ärzte ermächtigen lassen, was sie dazu befähigt auf Anweisung und in Notsituationen Medikamente zu verabreichen. Wir fordern solche “Ermächtigungen” auf weitere medizinische Berufe wie z.B. Ambulante Dienste einer Arzthelferin zu erweitern um die Ärzte zu entlasten und die medizinische Versorgungslage auf dem Land zu stabilisieren. In vielen Fällen ist in Bereitschaftszentralen gar keine Arztindikation vorhanden. Diese “Einsätze” könnten dann von anderem medizinischen Personal z.B. Rettungassistenten übernommen werden. Hierzu zählen außerdem Tätigkeiten wie beispielsweise der Verbandswechsel. Die Ermächtigungen können selbstverständlich nur nach einer Prüfung der Kenntnisse erteilt werden. Wir, die Jusos Rheinland-Pfalz, befürworten hier ausdrücklich den Vorstoß der Landesregierung durch die “Versorgungsassistent*innen in der Hausarztpraxis” (VERAH) verschiedene Tätigkeiten delegieren zu können, um so für verschiedene Tätigkeiten die Anwesenheit eines Arztes nicht verpflichtend einhalten zu müssen.

4. Bürgerversicherung / Zwei-Klassen-Medizin

Wir fordern weiterhin eine Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin. Es soll eine Behandlung nach Notwendigkeit und nicht nach Geldbeutel erfolgen. Bei Notfällen darf es keine mehrstündige Wartezeit bis zur Behandlung geben. Das ausgereifte Konzept der Bürger*innenversicherung ist dabei die richtige Antwort und muss bei innerparteilichen und öffentlichen Diskussionen wieder mehr in den Vordergrund gebracht werden. Die privaten Versicherten, in der Regel auch finanzstärkeren Patient*innen, müssen in das Solidarsystem

integriert und so an den gesamtgesellschaftlichen Kosten beteiligt werden. Dazu zählen auch die Beamtinnen und Beamten.

5. Alternativenzur Schulmedizin → Kostenerstattungalternative Heilmethoden

Viele Krankheiten unserer Zeit finden ihren Ursprung in der Psyche, viele Heilpraktiker bieten dafür erfolgereiche Placebobehandlung durch homöopathische Mittel an. Auch Ergo- und Kunsttherapeuten bieten in den Augen vieler Patient*innen vielversprechende Behandlungen gegen Depressionen und Burnouts an. Wir fordern das diese Behandlungen vollständig in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden. Hierdurch kann es in der Folge zu einer Entlastung der Ärzt*innen in den wenigen Landpraxen kommen. Die zu leistenden medizinische Versorgung der ländlichen Bevölkerung wird so auf viele Schultern verteilt.

Im Zusammenhang mit einer solchen Erweiterung des Leistungskataloges der KVen muss der Schutz der unterschiedlichen Berufsbezeichnungen unbedingt eingehalten werden. Nur Berufe mit geschützter Berufsbezeichnung, die eine entsprechende Ausbildung voraussetzt, können in ein solches System integriert werden.

6. Moderne Konzepte und Modellprojekte als Versorgungshilfe

Wir müssen unsere digitale Gesellschaft nutzen, um die immer weniger werdenden Ärzt*innen im ländlichen Raum auszugleichen. Eine Kontaktierung von ausgebildeten Ersthelfer*innen in Notfällen kann leben retten, denn oft sind Minuten und Erstmaßnahmen entscheidend. Auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur, zur besseren Kommunikation zwischen Krankenhäusern und Beratung von Ärzt*innen untereinander, unabhängig vom Ort, würde bewirken, dass Fachspezialist*innen helfen können.

Zusammenfassend fordern wir:

  • Zugangshürden zum Medizinstudium abbauen, und Studienangebote/ -plätze ausbauen -Eigentümerschaft von Hausarztpraxen
  • Förderung und Weiterentwicklung familienfreundlicher und zeitgemäßer Arbeitsmodellefür Hausärzt*innen
  • Ausweitung der Kompetenzen von anders qualifiziertem medizinischen Personal (Monopolstellung des Arztes aufbrechen um die Versorgung zu sichern )
  • Prüfung einer Ausweitung der Leistungskatalogeaufalternative Heilmethoden
  • Schutz der Berufsbezeichnung ALLER alternativer Heilberufe deren Leistungen künftig erstattungsfähig sein sollen
  • innerparteilich und öffentlich die Diskussion zur Bürgerversicherung zwecks Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin wieder verstärkt anregen
  • Modellprojekte wie VERAH, Gemeindeschwester Plus und Projekte der Telemedizin sind unbedingt weiter zu verfolgen und verstärkt zu fördern
  • Konzepte moderner Ersthelfer*innen (bspw. First Responder) fördern und regionale Gründungen anregen
  • In Zusammenarbeit mit Infrastrukturprojekten die flächendeckende Breitbandversorgung weiter fördern. telemedizinsche Modellprojekte bedürfen gut ausgebauter Netze