Antragssteller*in

N.N.

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N.N.

Antragstext

Die
Landeskonferenz möge beschließen:

Grundsätze:

  • Migration
    ist an erster Stelle kein Problem, sondern normal. Das gilt auch für die
    Migration nach Deutschland. Deutschland ist ein Einwanderungsland, nicht erst seit gestern.
  • Es gibt nicht zu viele „AusländerInnen“ in Deutschland! Es gibt nicht und gab nie eine „Invasion“ von MigrantInnen nach Deutschland, weder im Bereich der Arbeitsmigration noch bei Asylsuchenden oder AussiedlerInnen.
  • Beim Thema Zuwanderung denken wir nicht als erstes an Probleme, Kriminalität und Wohlstandskonkurrenz, sondern an Vielfalt, Bereicherung und eine selbstverständliche Sache. Bei Flüchtlingen orientieren wir uns zunächst an deren Recht auf Schutz und Hilfe, nicht am Bedürfnis einiger Deutscher, „unter sich“ zu sein.
  • Rassismus der gesellschaftlichen Mitte und Rechtsextremismus sind im Vergleich zu mangelnden Integrationsbemühungen von MigrantInnen die weitaus größeren Probleme in Deutschand!
  • Unser Antirassismus speist sich u.a. aus unserem Engagement für universale, für alle Menschen gültige Menschenrechte. Diese gelten für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, und sie müssen von beiden respektiert werden. Unsere Befürwortung und Akzeptanz von Vielfalt und Multikultur schließt daher die Akzeptanz menschenverachtender und Grundrechte verletzender kultureller Praktiken und Sichtweisen aus. Kulturelle Vielfalt im Rahmen eines menschenrechtlichen Universalismus ist das Leitbild. Mit deutscher „Leitkultur“ hat das nichts zu tun.
  • Die zentrale gesellschaftliche Konfliktlinie ist weiterhin die zwischen Arm und Reich, zwischen Klassen und Milieus, nicht zwischen Aus- und InländerInnen! Darauf müssen wir Jusos in den Integrations- und Migrationsdebatten immer wieder verweisen! Wir müssen uns dagegen wehren, dass mit ausländerInnenfeindlichen rassistischen Parolen von  den tatsächlichen Spannungen und Konflikten abgelenkt wird.

Antidiskriminierung:

  • Die Schlechterstellung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Migrationshintergrundes lehnen wir ab. Unsere Position ist konsequent antirassistisch. Wir verteidigen die Rechte von MigrantInnen in Deutschland.
  • Für eine starke Antidiskriminierungsgesetzgebung, die MigrantInnen u.a. gesellschaftliche Gruppen am Arbeitsplatz und anderswo schützt. Das neue Gleichbehandlungsgesetz ist für deutsche Verhältnisse eine Errungenschaft, nicht nur für MigrantInnen. Jetzt kommt es auf die Umsetzung und eine Verbesserung im Sinne der MigrantInnen an!
  • Schulung von PolizeibeamtInnen, SachbearbeiterInnen in AusländerInnenbehörden und allen Ämtern, die Leistungen gewähren, sowie Sensibilisierung für das Thema Migration. Wer mit MigrantInnen zu tun hat, über Anträge und Leistungen entscheidet oder gar Kontrollen durchführt, muss über ein Mindestmaß an interkultureller Kompetenz, Sensibilität und Empathie verfügen. Das ist derzeit keineswegs gegeben. Schikane und Demütigung von MigrantInnen aufgrund von Inkompetenz und Unwillen von BeamtInnen und Behörden ist inakzeptabel und rassistisch!

Flucht, Asyl, Illegalisierte Einwanderung:

  • Kein Mensch ist illegal! So genannte „illegale Einwanderung“ ist das Produkt einer ausländerInnen- und menschenfeindlichen Einwanderungs- bzw. Abschottungspolitik. Wir setzen uns für die Rechte von illegalisierten MigrantInnen ein. Hätten Deutschland und die EU eine liberalere Einwanderungspolitik, müssten weniger Menschen ihr Schicksal in die Hände von SchleuserInnen legen. Die tausenden Toten an den EU Außengrenzen (Ost- und Mittelmeergrenze) seit Ende des Kalten Krieges (hunderte jedes Jahr) haben die EU und gerade auch Deutschland zu einem großen Teil zu verantworten.
  • Es ist nicht hinnehmbar – gerade für die SPD – , dass Deutschland auf EU-Ebene zu den treibenden Kräften zählt, wenn es um den Aufbau der Festung Europa geht – sowohl bei der Aufrüstung der Außengrenzen (Beitrittsländer, deutsche Ostgrenze, Verhinderung einer auf hohem Niveau harmonisierten Asylpolitik) als auch bei den Ausläufern der Festung Europa im Innern (Flughafenverfahren, Ausreisezentren, Residenzpflicht) und außerhalb der EU (Finanzierung der Grenzaufrüstung z.B. in Gibraltar durch die EU, Lager für Asylsuchende in Afrika).
  • Ziel der Asyl- und Flüchtlingspolitik – ob in Bund oder Land – muss es sein, sich am sozialdemokratischen Grundwert der internationalen Solidarität zu orientieren und den hier lebenden Flüchtlingen eine Lebensperspektive für ein selbst bestimmtes und sozial abgesichertes Leben zu ermöglichen. Wir fordern die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens während der Aufenthaltszeit in Deutschland. Dies umfasst die Gewährung von Wohnraum, finanzielle Mindestversorgung mit Bargeld nicht Sachleistungen -, in der Höhe, die auch Deutsche beanspruchen können, gleiche medizinische Versorgung wie für deutsche Staatsangehörige, Ermöglichung des Schulbesuchs, Sprachkurse, psychologische Betreuung, Zugang zum Arbeitsmarkt.
  • Abschaffung
    des Asylbewerberleistungsgesetzes. Aufstockung der Leistungen. Flüchtlingen steht mindestens der Sozialhilfesatz zu. Sach- sind durch Geldleistungen zu ersetzen. Das Bundessozialhilfegesetz und andere Vorschriften sind so zu ändern, dass Flüchtlinge nicht schlechter gestellt werden als deutsche Anspruchsberechtigte. Sonderzuweisungen aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen
    und Bedürfnisse (wie z.B.) psychologische Betreuung sind ihnen zu gewähren.
  • Zurücknahme
    des Asylkompromisses von 1993. Abschaffung bzw. Aussetzung der
    Drittstaatenregelung, auch auf europäischer Ebene. Wiedereinführung des
    Grundsrechts auf Asyl.
  • Abschaffung
    des Flughafenverfahrens, der Residenzpflicht für Asylsuchende, und von
    Abschiebegefängnissen und Ausreisezentren.
  • Beendigung
    der derzeitigen Abschiebepraxis. Keine Abschiebungen bei Nacht und Nebel und
    keine Trennung von Familien durch Abschiebung.
  • Ersetzen
    der „Kettenduldungen“ durch einen sicheren Aufenthaltsstatus mindestens für
    Familien, die seit drei oder mehr Jahren in Deutschland leben. Grundsätzlich
    sollte es ein Bleiberecht auch für Alleinstehende, Eltern, Kinder geben,
    unabhängig von Erwerbstätigkeit und Bezug von Sozialleistungen.
  • Die
    Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution dürfen in Deutschland nicht
    länger kriminalisiert werden. Sie müssen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und
    die Möglichkeit haben, die TäterInnen vor deutschen Gerichten zur Verantwortung
    zu ziehen!

Arbeitsmigration / Freizügigkeit EU:

  • Wir
    begrüßen grundsätzlich die Freizügigkeit von ArbeitnehmerInnen.
    Arbeitsmigration über Staatengrenzen hinweg ist ein Ausdruck von Flexibilität
    der MigrantInnen und ihrer Bereitschaft, sich auf die Lebens- und
    Arbeitsumstände in ihrer neuen Heimat einzulassen. Wir sehen sie zunächst als Chance
    für MigrantInnen und Aufnahmeländer.
  • Gleichzeitig
    sehen wir das Problem des Drucks auf Löhne und ArbeitnehmerInnenrechte in den
    Zielländern, der dadurch entsteht, dass ArbeitgeberInnen die Chance nutzen,
    MigrantInnen zu schlechteren Bedingungen und niedrigeren Löhnung beschäftigen.
    Sinnvoller als die Freizügigkeitsbegrenzung, wie sie jetzt in der EU gilt, wäre
    allerdings ein Entsendegesetz, das effektiv Mindeststandards für die
    Beschäftigung von ArbeitsmigrantInnen festlegt.
  • Forderungen
    nach Begrenzung der Freizügigkeit, vor allem gegenüber den osteuropäischen
    Ländern, folgen sehr oft einer ausländerInnen- und daher generell
    migrationsfeindlichen Sichtweise. Unser Verständnis für berechtigte Ängste vor
    Arbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit hören dort auf, wo sie in
    ausländerInnenfeindliche und rassistische Ressentiments übergehen.

Internationales / deutsche Außenpolitik / Festung Europa:

  • Deutschland
    sollte auf internationaler Ebene von einem Vorreiter der Festung Europa zu einer Vorreiterin einer vergemeinschafteten, liberalen Migrationspolitik werden.
  • Die Bundesregierung soll in Zukunft auf ihr Vetorecht bei Asylfragen verzichten und nicht länger einer europaweiten Lösung im Interesse der MigrantInnen im Weg stehen. Leitziel einer gemeinsamen EU-Politik muss die (Wieder-) Herstellung des Grundrechts auf Asyl sein.
  • Wir fordern die „Einführung eines europäisch vereinleichten Asylrechts, dass allen Menschen Asyl gewährt, deren Leib und Leben in Gefahr ist, ohne Berücksichtigung der Gründe für die Gefährdung“ (zit. aus C 3, S. 50 des Beschlussbuchs des BUKO 2006).
  • Beendigung militärisch-polizeilicher Gewaltanwendung an den EU-Außengrenzen, inkl. Abriss von Mauern, Sicherheitszäunen und Selbstschussanlagen.

Integration und Staatsbürgerschaft:

  • Aus
    unserer Sicht fügt es der Demokratie großen Schaden zu, dass Millionen von EinwohnerInnen, die seit vielen Jahren in der Bundesrepublik leben oder gar hier geboren sind nur sehr eingeschränkt am politischen Leben beteiligt sein können, weil Ihnen als AusländerInnen das Wahlrecht und elementare Grundrechte vorenthalten werden.
  • Wer in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat, muss alle Rechte erhalten! Dafür darf es keine Voraussetzungen geben, die nicht auch für vermeintliche
    „Abstammungsdeutsche“ gelten!
  • Die deutsche Staatsbürgerschaft solle langfristig vom Abstammungsprinzip gelöst
    werden. Als Schritt dahin ist für die Grundwerte des Territorialprinzips (Staatsbürgerschaft bei Geburt, Definition der Staatsbürgerschaft durch Werte statt durch Abstammung) zu werben. AussiedlerInnen in Deutschland behalten selbstverständlich Ihr Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft.
  • Weitere Vereinfachung des Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft. Die doppelte Staatsbürgerschaft muss grundsätzlich ermöglicht werden.
  • Wir
    fordern das aktive und passiven Wahlrecht auch für dauerhaft in Deutschland lebende Nicht-EU-StaatsbürgerInnen. Das kommunale Wahlrecht wäre dazu ein erster Schritt.

Unterstützung antirassistischer Arbeit / Keine Verharmlosung!

  • Sicherstellung
    einer umfassenden Förderung antirassistischer Arbeit und Projekte. Dies muss zum einen weiterhin Modellprojekte umfassen, zum anderen aber gerade auch bestehende, bewährte Maßnahmen und Projekte wie das Netzwerk für Demokratie und Courage (bundesweit und in RLP).
  • Klare Worte der PolitikerInnen aller Parteien bei rechtsradikalen Parolen, Straf- und Gewalttaten. Achtsamkeit und keine Verharmlosung rechtsradikaler Aktivitäten – auch nicht durch kommunale Verwaltungen aus Angst vor Stigmatisierung und aus
    falsch verstandener Toleranz. Keine Toleranz gegen Rechts.
  • Keine Verharmlosung von Rassismus und Rechtsextremismus durch Gleichsetzung mit „Linksextremismus“, auch und gerade nicht bei öffentlichen Förderprogrammen.

Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz:

  • Die Bilanz
    des Landes Rheinland-Pfalz in der AusländerInnenpolitik ist widersprüchlich. Während die Arbeit der AusländerInnenbeauftragten des Landes und der Rheinland-Pfälzischen Initiative für Integration (RIFI) ebenso positiv zu bewerten sind wie die Unterstützung des Netzwerks für Demokratie und Courage, ist das Land mit Abschiebegefängnis und Ausreisezentrum gleichzeitig Vorreiter
    einer Flüchtlings- und Asylpolitik, die sich gezielt gegen die Betroffenen und gegen Integration richtet.
  • Wir sprechen uns als Jusos dafür aus, dass das Ausreisezentrum Trier und die
    sog.  Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige in Ingelheim geschlossen werden. Beendung des „Modellprojekts“ in Rheinland-Pfalz (Ingelheim, Trier), da es sich dabei um eine gezielte Maßnahmen zur Verhinderung der Aufnahme von Asylsuchenden und zur Verhinderung von Integration handelt, die Rassismus fördert, ImmigrantInnen kriminalisiert und in die Illegalität abdrängt. Für uns als linker
    sozialistischer Jugendverband in der Sozialdemokratie stellt dieser Vorgang eine massive Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze dar.
  • Im Falle der Ausreise aus der Bundesrepublik oder der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland müssen Flüchtlinge Hilfestellungen erhalten. Das von der Landesregierung dazu entwickelte Programm begrüßen wir ausdrücklich, da den Menschen bei der Rückkehr in ihr Herkunftsland eine notwenige Starthilfe und
    Unterstützung gewährt wird. Der Ausbau dieses Programms, eine weitergehende Hilfe über Geldzuweisungen hinaus, etwa in Form von beratender und unterstützender Sozialarbeit, sowie die Vernetzung mit Initiativen für Menschenrechte im Herkunftsland sowie Schulungen der Polizei und anderer MitarbeiterInnen behördlicher, staatlicher Stellen, halten wir allerdings für nötig. Letzteres wird bereits im Rahmen der Bekämpfung von Zwangsprostitution auf Bundesebene praktiziert.
  • Grundsätzlich wissen wir zu würdigen, dass Rheinland-Pfalz seine rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen der Asylgesetzgebung im Sinne der Asylsuchenden ausschöpft. Die von uns
    geforderte Schließung des Ausreisezentrums Trier und der Abschiebehaft in Ingelheim wäre daher nur weiter konsequent.
  • In den Debatten über ein Bleiberecht für Flüchtlinge, wie es unter anderem von Pro Asyl gefordert wird, erwarten wir von der SPD- Landesregierung in Rheinland-Pfalz, dass sie sich für einen sicheren Aufenthaltsstatus, für eine Lebensperspektive und gegen Kettenduldungen stark macht.

Aufgaben der Jusos in der SPD:

  • Die Jusos
    haben auf dem Bundeskongress einen zwei umfassende Grundlagenanträge zu Migration und Integration verabschiedet und wollen auch in den nächsten Monaten intensiver an diesem Thema arbeiten und Positionen entwickeln. Für die Jusos Rheinland-Pfalz wird es wichtig sein, sich mit den darin enthaltenen Positionen auseinander zu setzen und diese ggf. auf die Landesebene und ihr eigenes politisches Handeln runterzubrechen.
  • Die Leitlinien der Bundespartei zur Integrationspolitik vom 10.7.06 begrüßen wir grundsätzlich. Die klaren Positionen zu Integration als beidseitiger Prozess, zur
    Bleiberechtsregelung für Geduldete, zu Ehrenmorden und Zwangsheirat und auch zur Einbürgerung sind sehr fortschrittlich. Dem gegenüber stehen aus unserer Sicht als sehr klare Minuspunkte des Papiers die im Stil der Agenda 2010 gehaltenen Drohungen an MigrantInnen, die sich vermeintlich nicht integrieren wollen („Jene, die sich verweigern, unsere Sprache zu lernen, werden mit Sanktionen rechnen müssen“, „Zuwanderer, die sich Integrationsmaßnahmen verweigern, haben mit Sanktionen zu rechnen“).
  • Plattform der antirassistischen und antifaschistischen Arbeit im Landesverband ist die Landeskommission AntiFA/Inneres. Sie beschäftigt sich inhaltlich unter anderem mit Migration und Integration und koordiniert die Arbeit gegen Rechts. Als TrägerIn dieser immens wichtigen Themen ist sie vom Verband in besonderem Maße zu unterstützen.

Begründung / Erläuterung:

Was ist Migration?

Migration
heißt Wanderung und findet statt, wenn Menschen sich entschließen, ihre Heimat zu verlassen, um ihren Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort zu verlegen. Dass kann aus ganz unterschiedlichen Motiven, und es kann mehr oder weniger freiwillig oder auch gänzlich unfreiwillig passieren. Eher freiwillig findet z.B. Arbeitsmigration statt. Dazu gehört die Migration der so genannten „Gastarbeiter“
nach Deutschland, aber auch die heute im Rahmen der EU ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit geförderte Arbeitsmigration in Teilen Europas. Deutlichstes Beispiel für unfreiwillige Migration ist Flucht, z. B. vor Verfolgung, vor wirtschaftlichen oder natürlichen Katastrophen und vor Krieg.

Dich wichtigsten Migrationsformen nach 1945 sind
Arbeitsmigration, Migration von Familienangehörigen, Flucht, (v.a. freiwillige) Migration ethnischer Minderheiten, Migration von Studierenden, illegale Migration.

Bei Migration ist neben dem Grad der Freiwilligkeit
und Not noch zu unterscheiden zwischen Binnenmigration und
grenzüberschreitender oder internationaler Migration. Spezieller gilt diese Unterscheidung insbesondere für Flüchtlinge. 90% alle Flüchtlinge bleiben in der so genannten Dritten Welt (der größte Teil entfällt auf den asiatischen Kontinent), von den 10%, die ihr entkommen, kommt nur ein kleiner Teil in Deutschland an. Bei einem großen Teil der weltweiten Flüchtlinge handelt es sich um Binnenflüchtlinge, d.h. ihre Migration findet innerhalb der Grenzen
ihres Heimatstaates statt. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass die meisten Flüchtlinge gar nicht die finanziellen Mittel aufbringen können, den europäischen Kontinent zu erlangen. Wenn nicht enden wollende Flüchtlingsströme in die Bundesrepublik an die Wand gemalt werden, ist das nicht nur Augenwischerei, sondern auch rechtspopulistische Brandstiftung.

MigrantInnen und Menschen mit Migrationshintergrund

MigrantInnen
im engeren Sinn sind Menschen, die ihren Herkunftsort verlassen, um sich an einem anderen Ort niederzulassen. Gemeinsam mit Menschen, die schon lange Zeit in Deutschland sind und hier ihren Lebensmittelpunkt haben (z.B. „Gastarbeiter“ seit 30 oder 40 Jahren), aber auch mit ihren Kindern, die hier geboren sind,
können sie als „Menschen mit Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Denn die direkte oder indirekte (über Eltern und FreundInnen) Migrationserfahrung prägt die meisten Menschen und hat Einfluss auf ihre Ansichten, Wünsche, Bedürfnisse und Lebensweisen. AusländerInnen in Deutschland als „ausländische Mitbürger“ zu
bezeichnen, ist irreführend, da ihnen ja im Regelfall die deutsche
Staatsbürgerschaft und damit die vollen Rechte vorenthalten werden. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht hat die Einbürgerung erleichtert, sie ist aber immer noch viel schwerer als in Frankreich z. B.

Migration: An erster Stelle normal und OK

175 Millionen Menschen weltweit leben außerhalb ihrer Herkunftsorte, Tendenz steigend. Es gibt allein 12 Millionen grenzüberschreitende Flüchtlinge (Zahl v. 2004), von denen nur 2% nach Europa kommen (darunter 288.000 Asylanträge in EU, davon 50.000 in BRD in 2003). Der Blick in die Geschichte Deutschlands und der
Welt reicht aus, um zu sehen: Migration ist zunächst einmal ein ganz normales Phänomen. Historisch heißt das: zu allen Zeiten sind große Zahlen von Menschen in allen Teilen der Welt in verschiedene Richtungen gewandert (oder verschleppt worden), in der Regel in der Hoffnung, für sich und ihre Gemeinschaften bessere Lebensbedingungen zu erzielen, aber auch aufgrund von Zwang und Gewalt (z. B. Sklavenhandel). 

Migration ist keine Katastrophe, kein Problem, keine Anormalität an sich, und wenn überhaupt, dann schon gar nicht für die Aufnahmeländer, sonder eher für die MigrantInnen. Sie sind es, die eine Entscheidung fällen, ihre Heimat, inklusive FreundInnen, Bekannte, vertraute Kultur etc. zu verlassen, um an einem anderen
Ort ganz neu anzufangen. Das haben im Prinzip alle MigrantInnen gemeinsam, nur das Ausmaß des Problems, mit dem sie fertig werden müssen, und die Zeit, die sie für eine Entscheidung haben, hängt davon ab, um welche Migrationsform es sich handelt. Flüchtlinge haben wenig Zeit und Entscheidungsfreiheit in sehr engen Grenzen; wer aus Deutschland als ArbeitmigrantInnen in die USA oder nach
England geht, hat hier ganz andere Freiheiten.

Einwanderungsland Deutschland

Auch Deutschland ist Migrationsgebiet. Die Bevölkerung, die sich heute in Deutschland findet, ist u.a. das Produkt historischer Migrationsprozesse. Zum einen haben sich viele Einwanderer hier niedergelassen bzw. wurden hierher eingeladen, nicht erst die „Gastarbeiter“ nach dem 2. Weltkrieg, vgl. z.B. die „Ruhrpolen“. Zum anderen sind viele „Deutsche“ auch zu MigrantInnen geworden, beispielsweise wanderten zwischen 1820 und 1930 fast 6 Millionen Deutsche nach Nordamerika aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die junge BRD Millionen (!) von Vertriebenen und Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten aufgenommen und – erfolgreich – integriert, zu einer Zeit, als sie weitaus ärmer und als Demokratie unerfahrener wahr als heute. Das Beispiel zeigt, dass die Aufnahme und Integration einer hohen MigrantInnenzahl möglich ist, wenn der
politische Wille da ist.

Deutschland ist nicht, etwa wie ein Baum, organisch gewachsen. Genau das hat aber der deutsche Nationalismus, in Abgrenzung zum französischen Nations- und Staatsverständnis, stets behauptet: Zum einen hat man einfach – wider alle historische und aktuelle Migrationserfahrung – behauptet, Deutschland sei kein Einwanderungsland, zum anderen wollte man aber auch keines sein, weil man der – rassistischen – Idee anhing, dass ein idealer Staat einer sei, der eine nicht nur kulturell („Leitkultur“), sondern auch biologisch („Abstammungsgemeinschaft“) homogene, einheitliche Bevölkerung habe (Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung hatte 1979 die BRD als „Einwanderungsland“ bezeichnet, sie blieb aber damals die einzige). Erst vor wenigen Jahren haben SPD und CDU auf
der Ebene der Bundespolitik formal anerkannt, dass Deutschland ein
Einwanderungsland ist, also ein Land, in das erstens kontinuierlich
MigrantInnen kommen, die nicht bald wieder gehen – wie man es bei den Gastarbeitern dachte – und ein Land, das dies auch als Realität akzeptiert. Aus der Akzeptanz und Anerkennung von Einwanderung nach Deutschland erwächst die zuvor weit gehend blockierte Möglichkeit, bei der Migrationspolitik über den Tellerrand der Begrenzung und Abschottung zu schauen und gestaltende Politik zu betreiben. Im Grunde ist das Zuwanderungsgesetz ein Versuch, diese
Möglichkeit zu nutzen – ein Versuch, der aber aus vielen Gründen scharf zu kritisieren ist.

Im Gegensatz zu Deutschland und in vielerlei Hinsicht auch im Gegensatz zu den anderen Ländern Europas, stehen Migrationspolitik und Sichtweise auf Einwanderung in „klassischen“ Einwanderungsländern, d.h. v.a. USA, Kanada und Australien. Während in Europa und gerade in Deutschland Zuwanderung an erster Stelle als Problem gesehen wird, wird sie z.B. in den USA an erster Stelle als Normalität und eher als Chance, nicht nur für die ZuwandererInnen, sondern auch für das Aufnahmeland, wahrgenommen.

Auf der
anderen Seite zeigen die Beispiele der GastarbeiterInnen-Anwerbungen in der deutschen Geschichte, dass die BRD bzw. das deutsche Reich durchaus zu pragmatischer Einwanderungspolitik aus wirtschaftlichen Erwägungen in der Lage waren, wenn man der Ansicht war, dass dies wirtschaftlich notwendig war. Stets war allerdings davon ausgegangen worden, dass sich die Zugewanderten am ökonomischen Bedarf Deutschlands orientieren und wieder „heimkehren“ würden, sobald dieser Bedarf nicht mehr gegeben wäre. Als man nach dem 2. Weltkrieg die „Gastarbeiter“ anwarb, interessierte sich in Deutschland eben deshalb niemand für deren Integration. Das Gastarbeiter-Modell symbolisiert die Natur der deutschen Einwanderungspolitik seit dem 19. Jahrhundert, die grundsätzlich nicht die Integration von MigrantInnen anstrebt. Das AusländerInnen sich integrieren müssten und der Staat dabei zu helfen hat, ist eine relativ neue Entdeckung der deutschen Migrationspolitik. Das europäische Gegenmodell dazu
bildete bereits im 19. Jh. Frankreich, dass MigrantInnen zum Bleiben einlud und ihre Kinder automatisch zu FranzösInnen machte.

Integration – Leit- und Multikultur

Kultur ist ein dynamisches Phänomen, das sich auch ohne Migration ständig wandelt. Wenn MigrantInnen im Zielland ankommen, sind sie gezwungen, sich mit der Kultur zu arrangieren, die sie dort vorfinden. Gleichzeitig stellt Zuwanderung eine Herausforderung für die Bevölkerung dar, die sich schon im Land befindet. Grundsätzlich wirkt sich daher Migration auf beide Gruppen aus, die MigrantInnen und die bereits Ansässigen. Dabei ist der Anpassungs- und Integrationsdruck auf die MigrantInnen ungleich größer, da sie sich in der Minderheit befinden und rechtlich ungleich behandelt werden.

Integration ist daher nicht Anpassung der MigrantInnen an eine „Leitkultur“. Integration ist ein zweiseitiger Prozess. Das ist einmal eine Tatsache. Es ist zum anderen eine Forderung. Erfolgreiche Integration zeigt sich auf zwei Ebenen: Zum einen
darin, dass MigrantInnen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben erfolgreich teilhaben können, zum anderen darin, dass die ansässige Bevölkerung diesen Prozess anerkennt und befürwortet. Eine ausländerInnenfeindliche Haltung der deutschen Bevölkerung (ca. 60% meinen nach Umfragen, dass es generell zu viele AusländerInnen in Deutschland gebe), wird von MigrantInnen verständlicherweise nicht als Einladung zu mehr Integration wahrgenommen.

Erfolgreiche Teilhabe von MigrantInnen hat bestimmte Voraussetzungen, u.a. die Beherrschung der Sprache und bestimmter Regeln und Umgangsformen. Gemessen werden kann der Integrationsgrad beispielsweise an der Teilhabe der MigrantInnen an Bildung und Einkommen (oder weiterer Wohlstandindikatoren). Schaut man sich die Zahlen dazu an, ist klar: Es gibt für einen großen Teil der MigrantInnen Integrationsdefizite. Diese sind aber nicht einseitig den MigrantInnen anzulasten, und die MigrantInnen selbst sind es, die darunter am meisten zu leiden haben.

In der migrationspolitischen Debatte in Deutschland wird den MigrantInnen oft generell eine fehlende Anpassungswilligkeit unterstellt. Dabei wird oft eine Leitkultur vorausgesetzt, bei der klar sei, wie eine Anpassung an sie auszusehen habe. Rassismus und AusländerInnenfeindlichkeit in Deutschland werden in der Debatte
gleichzeitig weitgehend ausgeblendet, so dass selbst die Bild-Zeitung die Lage integrationsunwillige MigrantInnen auf eine offene und tolerante Gesellschaft stoßen würden, die ihnen diese Integration leicht machen würde. In Wirklichkeit existiert ein deutlich fehlender Integrationswille seitens der Deutschen selber, z.B. bei der Wohnraumplanung. So genannte  „Ghettobildung“, wo sie nicht nur rassistisch herbei geredet wird, wird so gezielt bzw. fahrlässig produziert. Sie wird zudem durch Mittelschicht-Deutsche gefördert, die Stadtteile mit hohem MigrantInnenanteil meiden. Gerade soziale Brennpunkte bedürfen einer verbesserten Aufmerksamkeit im stadtplanerischen Aufgabenbereich.

Migrationsraum / Festung Europa, Deutsche und Europäische Migrationspolitik

Migrationspolitisch steht die EU für eine widersprüchliche die Position: Während Migration im Innern (EU-Raum, Binnenmarkt) grundsätzlich gefördert und erleichtert wird, unternehmen die EU und ihre Mitgliedstaaten intensive Bemühungen, um Migration von außen in den EU-Raum mit aufwendigen Mitteln zu verhindern. Bei der Osterweiterung wurde dieser Gegensatz jedoch – unter deutscher,
sozialdemokratischer Führung – aufgeweicht. Obwohl die Beitrittsländer jetzt zur EU gehören, wurde eine Begrenzung der Freizügigkeit für ihre ArbeitnehmerInnen bis 2011 vereinbart.

Während des Kalten Krieges genossen „Schleuser“ ein hohes Ansehen, nämlich dann, wenn sie als „Fluchthelfer“ MigrantInnen über die Westgrenze des Ostblocks halfen. Permanent hat man den kommunistischen Staaten vorgehalten, dass sie keine Reisefreiheit gewährleisteten. Zurecht hätten die BürgerInnen des Ostblocks
erwarten können, dass ein Ende des Kalten Krieges Freizügigkeit für alle mit sich bringen würde. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich Europa und gerade Deutschland jedoch von ihrer historischen Verantwortung verabschiedet. Während die Ostblock-Grenzen Menschen Menschen an der Auswanderung hindern sollten, zielen die von Deutschland stark forcierten EU-Grenzen darauf, Einwanderung
abzuhalten. Für die Grenzabschottung der EU nach außen wie auch für ihren Widerspruch zwischen Migrationsförderung und –Verhinderung steht heute v.a. das Schengener abkommen, 1985 als Abkommen einzelner Regierungen gestartet und seit 1999 Bestandteil des EU-Rechts. Es koppelt die Freizügigkeit im EU-Innern mit der Aufrüstung der EU-Außengrenzen und der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, u.a. mit der Einführung von Datenbanken über MigrantInnen.

Deutschland schottet wie andere europäische Länder seine Grenzen für Flüchtlinge und Asylsuchende ab. Dies findet zum einen auf der rechtlichen Ebene (z.B. Asylkompromiss von CDU und SPD 1993, Schengener Abkommen), zum anderen durch das Handeln von Polizei und Behörden statt. Das hat auch tödliche Folgen: An den deutschen Ostgrenzen starben zwischen 1993 und 2005 mind. 121 Menschen bei
dem Versuch, nach Deutschland einzuwandern. An allen deutschen Außengrenzenergeben sich zusammen 162 Tote im gleichen Zeitraum (Mindestens 80 Menschen starben darüber hinaus 1993-2005 bei rassistischen Übergriffen (Quelle: www.anti-rar.de/doku/titel.htm)).

Deutsche Asylpolitik / Asylkompromiss von SPD und CDU

Mit dem Asylkompromiss zwischen SPD und CDU, der eine Grundgesetzänderung möglich machte, ging die Bundesrepublik von einem relativen liberalen zu einem sehr restriktiven und unliberalen Asylrecht über. Bis zur Änderung des Grundgesetztes hieß Artikel 16a GG: „politisch verfolgte genießen Asylrecht“, was jedoch schon damals fehlerhaft war, da es u.a. nichtstaatliche (Taliban) und geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund ausschloss. Seit dem
Asylkompromiss wird der GG-Artikel jedoch von ausführlichen Ausführungen dominiert, wer sich auf dieses Recht nicht berufen könne. Durch das Konzept „sicherer Drittstaaten“, wozu alle Nachbarländer erklärt wurden, kann seitdem niemand mehr Asyl in Deutschland erhalten, unabhängig vom Fluchtgrund, der oder
die auf dem Landweg einreist. Da der Vorwurf des „Asylmissbrauchs“, nicht nur rassistisch, sondern auch falsch ist, folgt daraus zwar ein dramatischer Rückgang der AsylbewerberInnenzahlen, gleichzeitig jedoch eine Zunahme von Versuchen, Deutschland illegal zu erreichen, sowie eine Konzentration von Asylsuchenden auf den Luftweg. Die Bundesrepublik fängt Asylsuchende, ebenfalls seit 1993, an den Flughäfen mittels eines „Flughafenverfahrens“ ab, dass beschleunigte Fallprüfung und Ausweisung ermöglichen soll, also eine Maßnahme
zur gezielten Verhinderung von Integration darstellt.

Der Asylkompromiss war mit der seit den 80er Jahren zunehmenden Zahl von Asylsuchenden in Deutschland begründet worden. Die Grundgesetzänderung war die zentrale Antwort von SPD und CDU auf die rassistischen Gewalttaten nach der Wiedervereinigung. Der Asylkompromiss konnte von Rechtsextremen daher als Erfolg Ihrer Politik verbucht werden, den Ihnen letztlich die SPD unter Björn
Engholm ermöglicht hatte, die sich bis kurz zuvor gegen die entsprechende Forderung der CDU/CSU gewandt hatte. Es handelt sich um eines der traurigsten Kapitel in der jüngeren Geschichte der deutschen Sozialdemokratie.

Illegalisierung und illegale Zuwanderung

Als
„illegale Einwanderer“ werden jene MigrantInnen bezeichnet, die sich ohne Aufenthaltserlaubnis in einem Land aufhalten. Wer „illegal“ ist und wer nicht, ist liegt daher zunächst in der Definitionsmacht des Aufnahmestaates. Restriktive Einwanderungs- und Asylgesetze und Praktiken wie Abschiebehaft und Ausreisezentren treiben Menschen in die Illegalität. Illegalität ist zunächst ein Problem der betroffenen MigrantInnen. Sie sind bei der Einreise (Abhängigkeit von SchleuserInnen, Lebensgefahr bei Einreiseversuch und an Grenzen) und beim Aufenthalt (Gesundheitsversorgung, Sicherung des Lebensunterhalts) enormen Risiken und ständiger Unsicherheit ausgesetzt. Im Gegensatz zu tausenden „schwarz“ arbeitenden Deutschen, die damit ihr Einkommen aufbessern, findet hier „Schwarzarbeit“ – wenn überhaupt – aus Mangel an Alternativen statt. 

Staatsbürgerschaft

Bis zur Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts 1999 galt in Deutschland ein weitgehend reines Abstammungsprinzip, während in den meisten vergleichbaren westlichen Ländern (v.a. Frankreich, Großbritannien, USA) das Territorialprinzip bzw. Mischformen bestehen. Mit der dahinter stehenden Annahme, DeutscheR sei, in wessen Adern deutsches Blut fließe, und der automatischen Folge, dass Millionen Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben oder gar hier geboren sind, die Staatsbürgerschaft vorenthalten wird, ist das
Abstammungsprinzip als Grundlage des Staatsbürgerschaftsrechts strukturell rassistisch. Die rot-grüne Bundesregierung hat die Geltung des Abstammungsprinzips aufgeweicht und in das Staatsbürgerschaftsrecht Elemente des Territorialprinzips eingeführt. Dadurch werden u.a. Einbürgerungen erleichtert und eine (vorübergehende) doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht. Nichtsdestotrotz liegt der besondere Charakter der deutschen Diskussion darin, dass Einbürgerung als Abschluss des Integrations- und Anpassungsprozesses von MigrantInnen betrachtet wird, während sie etwa nach dem Verständnis in Frankreich und den USA an deren Anfang steht. Entsprechend hoch sind die Hürden, die in Deutschland zur Einbürgerung diskutiert und aufgebaut werden. Der Baden-Württembergische Integrationstest ist dabei ein besonders offen
rassistisches und zugleich absurdes Beispiel.

Zuwanderungsgesetz 2004

Mit dem Zuwanderungsgesetz haben die beiden großen deutschen Parteien anerkannt, dass es sich bei Deutschland um ein Einwanderungsland handelt. Das ist ein grundsätzlicher Fortschritt. Nichtsdestotrotz ist das Zuwanderungsgesetz in vielerlei Hinsicht in Frage zu stellen. Es handelt sich in erster Linie um ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Es bleibt nicht nur weit hinter den Forderungen von antirassistischer Organisationen (u.a. Pro Asyl) zurück, sondern auch hinter denen von weiten Teilen der deutschen Wirtschaft, die eine Liberalisierung der Einwanderungsgesetzgebung befürwortet.

Antidiskriminierung

In
Deutschland gab es bis vor kurzem keine explizite Antidiskriminierungsgesetzgebung, aufgrund der MigrantInnen (u.a. Gruppen) oder ihre InteressenvertreterInnen gegen Diskriminierung (z.B. durch ArbeitgeberInnen) klagen können. Großbritannien und die USA beispielsweise sind hier weiter. Die EU hat jetzt eine Richtlinie beschlossen, die von Deutschland umzusetzen war, lange Zeit aber insbesondere von der CDU blockiert wurde. Eine ursprünglich sogar über die EU-Vorgaben hinaus reichende rot-grüne Vorlage ist jetzt in der großen Koalition zu einem Kompromiss – dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – zurecht gestutzt worden. Dieses ist seit 16. August 2006 in Kraft.

Schengen-Raum: Freizügigkeit vs. Grenzregime der EU

Im Jahre 1997 wurde beschlossen, das Schengener Abkommen von 1985 in den Amsterdamer Vertrag zu integrieren. Die vier Grundfreiheiten der Europäischen Union wurden somit Schritt für Schritt umgesetzt. Zu diesen Freiheiten gehört auch die der freien Bewegung für Waren und auch für BürgerInnen der EU innerhalb des Gemeinschaftsraums. Durch die Abkommen von Schengen wurden die Ländergrenzen zwischen den Mitgliedsstaaten de facto abgeschafft. Dank dieses Schengener Durchführungsübereinkommens kommt es den UnionsbürgerInnen jedenfalls so vor, wenn sie ohne Grenzkontrollen quer durch Europa fahren können. Es ist auch nicht verwunderlich, dass die Menschen diesen Aspekt, zusammen mit dem Euro, am ehesten mit der Europäischen Union assoziieren und das Wegfallen der Grenzkontrollen durchweg als eine der positivsten Entwicklungen der EU angesehen wird.

Leider hat diese große Erleichterung für die EU BürgerInnen einen gravierenden Nachteil: Mit dem gemeinsamen „Schengen – Raum“ entstand auch eine gemeinsame Außengrenze der Europäischen Union. Diese wurde in den letzten Jahren immer dichter und zu einem nahezu unüberwindlichen Hindernis für Menschen, die in Länder der EU
gelangen wollen. Die Ausgrenzen der EU wurden soweit ausgebaut, das man heute von der „Festung Europa“ sprechen kann. Begründet wurde dies u.a. mit der Angst, illegale EinwanderInnen könnten in den Schengen – Raum gelangen und dann ungehindert durch die EU – Staaten reisen, um illegal zu Arbeiten.

Grenzregime der EU am Mittelmeer und seine Opfer:

Gerade aus den afrikanischen Ländern des Südens wollen viele Menschen den vermeintlich sicheren Hafen Europa erreichen. Nicht nur die Armut treibt sie voran – viele Menschen treibt politische Verfolgung in ihren Heimatländern, fürchten sich vor Folter, der Nichtbeachtung ihrer Menschenrechte. Viele Frauen fliehen vor
sexueller Ausbeutung oder Misshandlung. Viele dieser Menschen nehmen oft monatelange, gefährliche und beschwerliche Wege auf sich, um an die Nordgrenze des afrikanischen Kontinents zu gelangen. Sie geben sich oftmals in die Hände skrupelloser SchlepperInnen. Mit oft nicht mehr als Nussschalen, versuchen diese Menschen dann das Mittelmeer zu überqueren – ans spanische Festland oder zu den italienschen Inseln rund im Lampedusa. Die Mitgliedsstaaten sehen sich
seit den letzten Jahren mit wachsenden Flüchtlingsströmen konfrontiert. Ihre Reaktion darauf war unter anderem die Verstärkung der Patrouille im Mittelmeer. Gerade die bevorzugten Routen, mit verhältnismäßig wenigen Gefahren, werden durch die GrenzschützerInnen besonders bewacht. Die Menschen weichen daher auf
gefährlichere Routen aus. Das erklärt, warum in den letzten Monaten immer mehr Menschen ihr Leben auf dem Mittelmeer verlieren.

Die Bestrebungen der EU gehen aber weit über Patrouillen hinaus. Die Außengrenzen der spanischen Enklaven auf dem afrikanischen Kontinent gehören zu den Bestbewachtesten der Welt. Die Grenzzäune wurden auf bis zu elf Meter Höhe erweitert – neuerdings wird an der Grenze auch schon mal scharf geschossen. 

In den Auffanglagern, in die die Menschen kommen, die es mit viel Glück geschafft haben, das Festland zu erreichen, wartet eine unmenschliche Bürokratie auf sie. Im Eilverfahren wird über Asylgesuche entschieden – die Zahl derer, denen es bewilligt wird, ist verschwindend gering. Oftmals werden Menschen in Länder
abgeschoben, in welchen ihre Lage mehr als nur unsicher ist. Die praktizierten Drittstaatenregelungen tun hier ihr übriges. 

Auch gibt
es – u.a. damals vom SPD-Minister Otto Schily forcierte – Überlegungen, Auffanglager bereist auf afrikanischem Boden zu installieren.

Rheinland-Pfälzische Zuwanderungs- und AusländerInnenpolitik –  „Ausreisezentren“ für Flüchtlinge und Abschiebehaft

„Ausreisezentren“ sind Lager für Flüchtlinge und MigrantInnen, die aufgrund fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können. In den „Ausreisezentren“ landen Menschen, denen behördlicherseits unterstellt wird, ihre Herkunft zu verschleiern und an der Passbeschaffung nicht mitzuwirken. Sie werden dort zentral untergebracht, mit dem Ziel, solange rückkehrorientiert „beratend“ auf sie einzuwirken, bis sie „freiwillig“ ausreisen. Das mag harmlos klingen, in der Realität verbirgt sich dahinter für die betroffenen Menschen aber ein Alptraum. Auf sie wird extremer psychischer Druck ausgeübt. Die Insassen unterliegen der regelmäßigen Meldepflicht, sie sind in ihrem Bewegungsraum eingeschränkt und werden fortwährend kontrolliert.

Diese Einrichtungen stehen in einem direkten Kontext mit der Änderung des Grundrechts auf Asyl von 1993. Diese Verfassungsänderung bedeutete eine massive Verschlechterung der Lage von Asylsuchenden. Sie reduzierte, insbesondere durch die Einführung der Drittstaatenregelung, die Standards des Flüchtlingsschutzes in der BRD und sorgte für die politisch gewünschte Verringerung der Zahl von Flüchtlingen. Andererseits kam es jedoch zu einem Anwachsen einer Gruppe von Asylsuchenden, deren Asylbegehren nach der neuen deutschen Rechtslage zwar ablehnend beschieden wurden, die jedoch nicht sofort abgeschoben werden konnten und einen Duldungsstatus erhielten.

In
Rheinland-Pfalz existieren das Ausreisezentrum in Trier sowie das
Abschiebegefängnis, die sog. „Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige“, in Ingelheim. Faktisch handelt es sich dabei um Einrichtungen, die massiv und unter humanitären Gesichtspunkten unvertretbar in menschliche Freiheitsrechte und somit in das Grundrecht der Menschenwürde eingreifen. Hier werden Asylsuchende systematisch unter psychischen Druck gesetzt, um deren Ausreise zu
beschleunigen, nicht selten mit dem Ergebnis, dass Flüchtlinge in die „Illegalität“ und somit in die ungesicherte Existenz getrieben werden.

Nach deutscher Rechtslage ist ein Aufenthalt bis dort zu 18 Monaten möglich. Menschen, die kein Verbrechen begangen haben, sondern aus Gründen der Verfolgung und ökonomischen Not in der Bundesrepublik um Asyl nachsuchen, werden damit kriminalisiert.

Erfahrungen zeigen, dass die Insassen nach mehrmonatigem Aufenthalt in „Ausreisezentren“ und/oder der Abschiebehaft Symptome psychischer Störungen aufweisen. So leiden sie vielfach unter Depressionen sowie Angst- und Panikzuständen.